Öl – FT oder: Wie man Propaganda mit einem Chart macht

Ausgerechnet die FT scheint sich mit einem Text und einem Chart erneut in den Dienst russischer Propaganda gestellt zu haben. Sie hat zum ersten Jahrestag der EU-Selbstmord-Sanktionen gezeigt, wie die Russen den Ausfall der europäischen Nachfrage wettgemacht haben sollen. Während dieser Blogger die Meinung teilt, dass es ziemlich dämlich ist, sich aus eigenem Antrieb die Lebensader zu durchtrennen, glaubt er, dass es die Russen NICHT oder nur über einen zeitlich begrenzten, abenteuerlichen Umweg geschafft haben, die “Sanktions-”Ausfälle zu kompensieren, Im Zentrum des Zeitungs-G’schichterls steht ein Chart, an dem (fast) alles richtig sein könnte.

Diese Grafik kann aus Copyright-Gründen hier leider nicht gebracht werden,  aber sie erzählt – u.a. mit Verweis auf Kpler-Daten -, dass China und Indien die von den Europäern gerissene Lücke kompensiert hätten (die russischen Lieferungen von seaborne crude oil nach Europa betrugen 2021 6,3 Millionen Tonnen monatlich, was in etwa 1,6 Millionen Barrels pro Tag entspricht – “genauer kalkuliert” als früher,

nämlich mit dem API-Umrechnungsfaktor von x 7,5 pro Tonne Rohöl; siehe dazu Bruegels Russian Crude Oil Tracker, der sich ebenfalls auf käuflich zu erwerbende Daten kommerzieller Anbieter verlässt).

Der erste komische Umstand in diesem Chart ist, dass die der VRC gewidmete Linie Anfang 2022 zwar bei etwa 30 Mio. Barrel pro Monat beginnt,was durchaus stimmen kann.

Es folgt nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs freilich fast eine Verdreifachung der Lieferungen an China, auf gut 60 Mio. Barrel pro Tag pro Monat,

was – wenn es stimmen würde – eine massive Kapazitätserweiterunng der ESPO sowie im Verladehafen von Kosmino zur Voraussetzung hätte.

Derlei ist theoretisch möglich (China war schon zuvor der zweitgrößte Öl-Kunde Russlands), es ist aber nicht unbedingt wahrscheinlich (bzw. nur, wenn die Kapazitätserweiterungen seit längerem geplant bzw. in Umsetzung sind).

Kapazitätserweiterungen von Pipelines und Verladehäfen haben eine lange Vorlaufzeit.

Noch unwahrscheinlicher ist freilich die in der Statistik erscheinende Verzigfachung der russischen “seaborne shipments” nach Indien, siehe dazu u.a. hier.

Dieses als russisch ausgeschilderte Rohöl

  • kann aus Entfernungsgründen nicht aus Kosmino kommen
  • es kann nach Meinung dieses Bloggers aber auch nicht bzw. nur zum kleineren Teil durch den Suez-Kanal geschippert worden sein.

Dennoch scheint das vermeintlich russische Erdöl in Mumbai anzukommen.

Was ist des Rätsels Lösung?

Sofern man NICHT von simpler Bestechung ausgeht, ist die Annahme, dass das Crude von der Arabischen Halbinsel (oder aus dem Iran) kommt, am wahrscheinlichsten.

Das “schwarze Gold” wird in einem Hafen im Oman verschifft und gelangt von dort auf kurzem Weg nach Mumbai.

Vermutlich stammt das Öl aus irgendwelchen öffentlich nicht zugänglichen Bartergeschäften, in denen die Russen als “Bezahlung” Erdöl bekamen

- das dann natürlich als “russisches Erdöl” figurierte

- freilich NICHT aus Westsibirien stammte und in einem Hafen nahe St. Petersburg verschifft wurde

(wie zuvor das von Europa auf dem Seeweg bezogene russische Erdöl).

Unabhängiger Journalist

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