Rechnungshof wird Salzamt: Prüfer beobachtet Londoner Inventurfarce

Gestern Abend konnte man noch der Meinung sein, aus dem neu veröffentlichten Rechnungshofbericht über die Goldbestände der Nationalbank von unabhängiger Seite bestätigte Fakten schöpfen zu können. Zum Beispiel, dass diese Reserven Ende 2013 zu 22 Prozent “aus Papier” bestanden und dieser Anteil zuletzt stark reduziert wurde. Heute muss man demütig zugeben, dass nichts Sinnvolles zu erkennen ist, außer: Der RH hat die Goldbarren in London nicht geprüft und wurde nur Zuschauer eines surrealen Theaterstücks. Nein, es gibt keine Sensation. Es gibt auch keine Gewissheit. Die einzige Gewissheit ist: EZB/OeNB entziehen den Goldschatz der Österreicher wild entschlossen der Kontrolle durch Außenstehende und sind bereit, für dieses Ziel auf den äußeren Anschein zu verzichten.

Seltsamerweise gilt diese Obstruktion nur für die Bank of England/ Londoner Lagerstätte, nicht aber für das Depot bei der Tochter Münze Wien. Dort konnte der RH unbehindert agieren und Anfang März 2014 eine stichprobenhafte Vor-Ort-Prüfung durchführen. Am Heumarkt lagern 33 Tonnen.

MünzeDer Text des RH-Endberichts lässt erkennen, dass der/die Prüfer lange Zeit ehrlich bemüht und bereit waren, bis in die jüngste Vergangenheit reichende, ziemlich haarsträubende Versäumnisse anzusprechen; zum Beispiel, dass die OeNB bis knapp vor Ende des Kontrollzeitraums keinen geregelten Zugang hatte sowie auf eine Inventur zu verzichtet hat, die diesen Namen verdient. Oder dass eine formlose Inspektion durch einen OeNB-Direktor nicht akzeptiert wurde: Zu wenig gut dokumentiert.

Die unabhängige Haltung ändert sich am 22./23. Mai 2014, als – zum ersten Mal seit einer Generation – in London eine Stichprobe sozusagen zelebriert wird.

Diese Prüfung verläuft völlig anders als die am Heumarkt. Der RH darf dabei nicht selber tätig werden, aber – offenbar aus einem Respektabstand – den Handlungen zweier OeNB-Mitarbeiter beiwohnen (“Inventurbeobachtung”). Der RH gibt sich letztlich mit dem Ergebnis zufrieden. Der zum Zuschauer gemachte Prüfbeamte schildert die Umstände ohne eine Miene zu verziehen – aber so, dass erkennbar ist, dass er die Vorgänge für eine Farce hält.

Eingestimmt wird man durch die Information, dass die OeNB schon im Vorfeld 300 der angeblich 14.299 vorhandenen Barren aussuchen musste. Der RH wiederholt dieses Detail in seinem Bericht gleich vier oder fünf Mal, damit es ja nicht übersehen wird: Hast du das kapiert ? Die Depotbank verlangt von der OeNB, im Voraus 300 konkrete Barren für die Stichprobe zu benennen ! Hörst Du mich ? Hallo ?! Haaallooo !

stichprobenAn dieser Stelle sollen die Umstände der hier geschilderten Szene ausgeführt werden. Es handelt sich um super-reine “Good Delivery”-Barren mit einem Gewicht von jeweils etwa 12,5 Kilo. Ungefähr deswegen, weil sich ihr Gewicht im Grammbereich unterscheidet. Zusammen mit einer eingravierten Seriennummer ermöglicht das, jeden Barren zu identifizieren. Unsere in London gehaltenen 178 Tonnen sind angeblich allocated, separat verwahrte, unzweideutig zuordenbare Metallziegel.

Dann beginnt die “Prüfung”. Gecheckt werden 60 aus den 300 vorab nominierten Barren. Die Metallstücke werden mit Ultraschall daraufhin untersucht, ob sich im Inneren nicht ein Kern aus einem anderen Metall befindet. Dann werden sie mit einer Präzisionswaage gewogen. Dabei wird die in der Hand der OeNB befindliche, von der Depotbank erstellte Bestandsliste mit einer etwas anders geordneten Bereitstellungsliste des Lagerhalters verglichen und…tätterätää ! Alles stimmt !

Alles paletti, sagt die Nationalbank und auch der Rechnungshof ist zufriedengestellt. Seine Dokumentation des Vorgangs ist perfekt und die 60 Barren sind bis auf’s Hundertstelgramm gewogen worden – Herz, was willst du mehr ?

LagerlisteAbgesehen davon, scheint der RH noch ein paar andere Dinge angefasst zu haben. Diese laufen hauptsächlich darauf hinaus, die in der OeNB angestellten routinemäßigen Vergleiche zwischen den verschiedenen ungeprüften Lagerlisten zu optimieren, standardisieren und beschleunigen.

Was bleibt übrig ?

Dass man über die noch vorhandenen physischen Bestände nichts mit einiger Zuversicht sagen kann. Die RH-Prüfer mussten sich zum größten Teil auf die Auskünfte verlassen, die von der OeNB gegeben wurden – Aussagen, die ihrerseits nicht auf einer echten Prüfungshandlung beruhten.

Nach der Erzählung  der OeNB haben sich “ihre” echten Londoner Metallbestände seit 2009 von 75 auf 178 Tonnen mehr als verdoppelt, weil Leihegeschäfte ersatzlos ausgelaufen sein sollen.

Das macht alles keinen Sinn. Die OeNB hat schon beginnend mit 1999 internationale Verträge unterschrieben, in denen sie sich verpflichtet, die verliehenen Bestände zurückzuführen – und dennoch behauptet sie, dass der Anteil ihres “Papiergolds” 2009 deutlich höher gelegen ist als zu Ende der Schilling-Ära.

Nichts von ihren Behauptungen konnte der Rechnungshof wenigstens auf Plausibilität überprüfen.Nichts davon scheint die OeNB im Sinn einer echten Inspektion überprüft zu haben. Man kann es glauben oder nicht. Die von der österreichischen Nachkriegsgeneration angesammelten Goldreserven bleiben zu mehr als 85 Prozent verschollen.

verschollenes

Unabhängiger Journalist

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