USA, Europa und der Reset

Den Trump-USA gelingt es auf mysteriöse Weise, ihr Imperium nach und nach über die Klippen zu schieben, wobei tiefe Sehnsüchte der schärfsten Kritiker des US-Präsidenten erfüllt werden. Dem Vielgeschmähten scheint eine weltgeschichtliche Rolle zugedacht zu sein – die des Totengräbers eines Systems, das nicht mehr haltbar ist, das aber auch nicht offen abgetan werden kann. Seltsamerweise sind die europäischen Vasallenstaaten verwundbarer als das Zentrum des Dollar-Empires selbst.

Scharfsichtige Beobachter, die sich oft im intellektuellen Gravitationsfeld Russlands befinden, weisen immer wieder darauf hin, beispielsweise:

Auch der libertäre Ökonom Steve Hanke ließ sich vernehmen, der hier meint, dass von den USA und ihren Vasallen sanktionierte “Schurkenstaaten” – wie Russland, der Iran und die Türkei – ohne Dollar und Swift-System eben auf eine nicht-nationale Reservewährung “umsteigen” und einen “Gold-Block” bilden würden.

Finanzielle Sanktionen, die “Lieblingswaffe” des US-Empires, hätten den paradoxen Effekt, die Grundlage des Systems selbst, den Dollar zu untergraben.

Hanke spekuliert weiter, dass die internationalen “Schurkenstaaten” mithilfe eines Mechanismus, den dieser Blogger nicht ganz versteht, ihre Währungen an Gold binden würden (was diese freilich bei Aufrüstung und Kriegführung entscheidend behindern würde).

Hankes Grundidee ist dessenungeachtet spot onund alles andere als eine im akademischen Elfenbeinturm geborene Schnapsidee.

Das hat sich schon vor 2015 manifestiert, als der mit Sanktionen belegte Iran über die Türkei den Austausch von persischem Öl gegen “türkisches” Gold organisierte.

Einen ganz ähnlichen Effekt haben übrigens Zinserhöhungen sowie das anstehende Tightening der Fed, das unter den gegebenen Umständen dazu führt, dass die Währungen der Emerging Markets eine nach der anderen explodieren.

Dieses Spiel wird nun wirklich seit Jahrzehnten immer wieder durchexerziert und es ist nur eine Frage der Zeit (und der gefühlten Kräfteverhältnisse), bis die Dritte Welt kollektiv basta ya zum Dollar sagt.

Die Volksrepublik tut das bereits, muss aber Rücksicht auf ihre 3 Billionen $ umfassenden Währungsreserven nehmen, von denen die Mehrheit in US-Dollar denominiert ist.

Konsensfähiger Antiglobalismus

Das ist der Hintergrund der außenpolitischen Schauspiele von Washington, etwa dem “Handelskrieg mit China” oder von Trumps Absage an den Multilateralismus und seiner Rückkehr zum bilateral gemanagten Außenhandel (siehe NAFTA-neu).

Viele seiner Politiken sind bei unterschiedlichen Untergruppen des heutigen Establishments in höchstem Maß konsensfähig – von konservativen China-Hassern bis zu anti-neoliberalen Gewerkschaftern (unsere klammheimlichen Trump-Sympathisanten dürfen nur nicht sichtbar Beifall klatschen     :mrgreen:     ).

Trump zollt mit seiner Handelspolitik einem weithin propagierten Antiglobalismus Tribut und zieht dabei dem auf dem ungedeckten Dollar basierenden Globalisierungsmodell der vergangenen 50 Jahre den Teppich unter den Füßen weg.

Dazu könnten sich “liberalismusfeindliche” Eliten-Gruppierungen auch offen bekennen – wäre da nicht die politisch inkorrekte, inakzeptable, vorgeblich rassistische und fremdenfeidliche Innenpolitik des Präsidenten;

sowie die angebliche Verschwörung mit Moskau, der real höchstens ein weltordnungspolitischer Gleichklang zugrunde liegt – dass nämlich das weltumspannende Dollar-Imperium der Bushes & Clintons der Vergangenheit angehört und um jeden Preis ein Nachfolgemodell gefunden werden muss, und zwar ohne dass der ganze Planet in die Luft gejagt wird.

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Das ist leichter gesagt als getan, u.a., weil es für die heutige Situation absolut kein historisches Vorbild gibt.

Dazu kommt, dass nur wenige über die grimmigen energiepolitischen Realitäten informiert sind und dass große Teile auch der nicht-westlichen Welt (inklusive China) dem monetären Aberglauben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhängen.

In dieser Situation scheint es zu einem High-Level-Übereinkommen der drei “Silberrücken-Gorillas” Trump, Putin und Xi gekommen zu sein, in dem Einflussphären abgesteckt wurden, die man zu respektieren gelobt hat. 

Man kann das, ist man freundlich aufgelegt, “Multipolarismus” nennen – treffender wäre aber wohl “Großmachtpolitik auf Weltebene”.

Das mag im Fall der Vereinigten Staaten aus US-demokratischer bzw. europäischer Perspektive wie “Isloationismus” aussehen, ist aber eigentlich nur ein Rückzug auf das regionale “Imperium” der Monroe-Doktrin (das “Hände weg!” gilt diesmal primär China).

Das bedeutet für die EU-Vasallen den Wegfall des amerikanischen Schutzes, den sie spätestens seit 1945 gewohnt sind – und Analoges gilt für die US-Vasallen in Ostasien.

Diese leben in einer Weltgegend, die künftig von der Hegemonialmacht China kontrolliert werden soll.

Derlei freilich kann heute viel weniger noch als für Europa offen auf den Tisch gelegt werden.

Dazu kommt, dass im Zug der gewendeten US-Handelspolitik der Volksrepublik jene Nuckelflasche entzogen wird, mit der das Land in Rekordzeit aufgepäppelt wurde -

durch die Etablierung des bisher vorherrschenden “exportorientierten Wachstumsmodells” und durch die “Ausfuhr”  von US-Industriejobs ins Reich der Mitte.

Diese wirtschaftspolitische Wende kann u. U. dazu führen, dass sich der Anschein einer echten militärischen Konfrontation zwischen den USA und China ergibt (die freilich nicht notgedrungen echt sein muss).

Definitiv keine imgainäre Sache wird jene hyperinflationäre Episode sein, die in den USA einsetzen wird, sobald

  • ausländische Dollarhalter keinen (bzw. einen radikal gesunkenen) Bedarf an der ehemaligen Weltreservewährung haben und
  • wenn amerikanische Dollarhalter versuchen, einen Überhang an “echten” (M3)-Dollars gegen Waren und Dienstleistungen zu tauschen.

Eine solche Situation wäre, um eine Analogie von Jim Sinclair zu gebrauchen, mit einer extremen Verdünnung der ordentlichen Aktie der “USA AG” zu vergleichen.

Die Alternative dazu wäre nur die Erklärung des Bankrotts  – eine Situation, über die der aktuelle Präsident aus Berufserfahrung Bescheid wüsste.     :mrgreen:

Der Bankrott, merkt Sinclair an, sei eigentlich nur dadurch zu bewältigen, dass man ihn zulasse: “Face it and rebuild.”

Und dafür – behauptet wiederum dieser Blogger – verfügen die Amerikaner über die weitaus besseren Bedingungen als ihre heutigen europäischen Vasallen - energetisch, geostrategisch und mentalitätsmäßig.

Unabhängiger Journalist

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