USA: Trump und die selektive Justiz

Donald Trump ist  in New York erstinstanzlich zu einer 350 Millionen Dollar-Strafe verurteilt worden und die Journaille ist in Feierstimmung, obwohl das hinsichtlich des 5. November 2024 eher schlechte Nachrichten sind (aus Sicht der Journaille). Ohne Einblick in die Prozessakten genommen zu haben, könnte der Schuldspruch sachlich durchaus korrekt sein. Dieser Blogger, der früher über die (hiesige) Immobilienbranche berichtet hat, kann sich vorstellen, dass eine – sagen wir: hohe Bewertung von Aktiva, die zur Erlangung neuer Kredite verpfändet werden, in- und außerhalb der USA nicht so selten ist; weshalb eigentlich zu erwarten stünde, dass auch ein paar Dutzend andere Firmenchefs vor Gericht antanzen müssen. Wetten, ob das passieren wird, werden gerne angenommen. NB zu NYC-Schuldspruch & Goldstandard.

Ich wette jedenfalls dagegen.

Es kann aber immerhin sein, dass der Donald und seine Organisation speziell dreist und unvorsichtig vorgegangen sind (ich weiß es nicht)

und dass in anderen Fällen die Bewertungen externer und daher scheinbar unabhängiger Stellen hergenommen wurden (und/oder dass potenziell inkriminierende Dokumente zeitnah im Reißwolf gelandet sind).

Es kann also sein, dass die Trump-Organisation im Spurenverwischen nicht so “professionell” war wie zu erwarten, und dass das aktuelle New Yorker Urteil drauf aufgebaut ist.

Trotzdem hat das Verfahren einen deutlichen Beigeschmack von selektiver Justiz,

wenigstens so lange, als die Ankläger (und NYC-Gerichte) nicht auch die anderen Immodeveloper der Stadt auf’s Korn nehmen bzw. beurteilen.

Wie hartnäckigere Leser dieses Blogs wissen, gibt es selektive Justiz aber nicht nur in New York, sondern auch in Österreich.

Sogar einstmals mächtige Politicos sind von ihr betroffen (gewesen),

was hier freilich nicht gesondert erörtert werden soll, weil immerhin die Möglichkeit besteht, dass diese “zu ihrer Zeit” selbst den Justizapparat missbraucht haben (in diese Kategorie könnte auch Trump fallen).

Aber es gibt im demokratischen Mitteleuropa auch andere Fälle von Opfern selektiver Justiz,

die weniger prominent sind und die nicht die Mittel haben, sich gegen eine womöglich fortgesetzte Behelligung durch den exekutiven oder judikativen Staatsapparat zu wehren.

Ich denke da z.B. an angebliche oder wirkliche Rechtsextremisten, die “das Vergnügen” von Hausdurchsuchungen hatten, weil ein Richter weit hergeholte Behauptungen der Staatsanwaltschaft als plausibel empfand

oder an “Leute aus der Provinz”, die wegen ihrer Teilnahme an “Anti-Maßnahmen-Demos” kriminalisiert wurden.

Nun steht niemand über dem Gesetz, aber die moderne Gewaltenteilung richtet(e) sich genau gegen eine solche Art von staatlichen Belästigungen, gegen die es für Otto und Grete Normalverbraucher früher keine Handhabe gegeben hat.

Das könnte schön langsam auch der Journaille dämmern, die sich bis heute schwer tut, Anklage von (rechtskräftigem) Urteil zu unterscheiden,

oder wenigstens einer Justizministerin, die (ihr) weisungsgebundene Staatsanwälte schon mal als “unabhängige Justiz” ausgibt (“pars pro toto”?)

NB, 18.2.2024, 12.30 Uhr: Wenn es einer Bestätigung der Einschätzung dieses ferne-Prozessakten-nicht-lesenden Bloggers bedurfte, hat der konservative Rechtsprofessor Jonathan Turley sie geliefert.

Turley kritisiert hier das überschießende Bußgeld für Trump und spricht von einem “Verbrechen ohne Opfer” – stellt den Kern des Schuldspruchs aber nicht in Frage: “Undervaluing and overvaluing property is a longstanding practice in New York real estate.”

Freilich hat Turley mit seiner Kritik am völlig unverhältnismäßigen Strafausmaß für Trump recht

(das gleichzeitig verhängte Geschäftsverbot ist dagegen eher ein “Schenkelklopfer” – wenigstens seit jenem Zeitpunkt vor vielen Jahrzehnten, zu dem ein Immodeveloper das letzte Mal nicht auf das Wohlwohlen der jeweiligen Stadtväter angewiesen war).

Hab’ im Text aber auf was anderes nicht hingewiesen (vergessen):

Der Immobilienentwickler Donald Trump hat – wie alle anderen aus seiner Branche – ausgiebig von unserem Kreditgeldsystem Gebrauch gemacht (sein “business model” hätte ohne auch gar nicht funktioniert). Warum sollte so jemand einen Goldstandard o.ä. einführen wollen (Stichwort: “Judy Sheldon”)?

Edit: Im ersten Absatz “Urteil” durch “Schuldspruch” ersetzt, in NB Vornamen des US-Professors verbessert.

Unabhängiger Journalist

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