Wahlschwindel in Österreich: Was die Höchstrichter nicht interessiert

1660_blk_19329_zoomWährend der VfGH den offenkundigen Wahlschwindel vom 22. Mai links liegen lassen darf, kriminalisiert man noch vor der Anfechtung der Präsidentenwahl Zeugen. Staatsanwälte ermitteln gegen von der FPÖ nominierte Aussagende – und nur gegen diese – wegen rechtswidriger Praktiken im Wahlprozess. Für Prof. Sascha ist dieses System selektiver Justiz ein Rechtsstaat, dem man vertrauen muss.

Dabei versucht der Justizapparat nicht einmal mehr, den Anschein einer ausgleichenden Gerechtigkeit zu wahren, jener idealen iustitia, die mit verbundenen Augen und ohne widerstreitenden Interessen Rechnung zu tragen, ihrer Bestimmung folgt.

Noch vor dem Beginn des Verfahrens vor dem Höchstgericht wird offen die Einschüchterung von Zeugen betrieben, wie sie sich sich kein normal krimineller Mafioso und kein Strafverfolger einer Bananenrepublik erlauben würde.

Das geschieht über Ermittlungen auf § 311 StGB, also wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und ‘Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt” – siehe den Bericht bei orf.at, hier. Er ist die Übernahme einer profil-Geschichte.

Dass die Untersuchungen von einem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung betrieben werden, ist nur ein zynisches Sahnehäubchen – ein Name, der den Urheber von 1984 vor Neid erblassen lassen müsste. George Orwell hat lediglich den Begriff des Wahrheitsministeriums erfunden.

Hintergrund der Ermittlungen ist der Umstand, dass die Verdächtigen in eidesstattlichen Erklärungen zur FPÖ-Wahlanfechtung Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahlkartenstimmen konstatiert haben, obwohl sie zuvor die ordnungsgemäße Auszählung per Unterschrift unter das Protokoll bestätigt haben.

Nicht alle, “nur” rund 90 Prozent jener Personen, die so agiert haben, kommen aus der FPÖ und deshalb liegt das profil formal mit der Behauptung richtig, dass sich die Untersuchungen unter anderem gegen Freiheitliche richten. Man kann so ein Vorgehen Irreführen ohne offen zu lügen nennen.

Real geht es freilich nicht um irgendeine Parteimitgliedschaft, sondern um die Bereitschaft, als Zeuge des Anfechtungswerbers zu fungieren.

Das Schlaue am Vorgehen der Korruptionsbekämpfer vom Bundesamt ist der Umstand, dass die Verdächtigen mit ihrer Unterschrift für die Anfechtung zugegeben haben, in den Niederschriften nach der Wahl ein falsches Zeugnis abgelegt zu haben. Sie sind die einzigen, die das offen zugeben und deswegen wird auch “zu Recht” gegen sie ermittelt.

Nun reflektiert die Causa kein Versagen einzelner, sondern eine (bestenfalls) graue Praxis, die sich über Jahrzehnte in den Wahllokalen dieser Republik eingeschlichen hat – bei Behördenvertretern und Beisitzern aller Parteien.

Ohne großes Unrechtsbewusstsein und meist wohl auch ohne böse Hintergedanken hat man vorzeitig Wahlkarten geöffnet, gesetzeswidrig ausgezählt oder sogar auszählen lassen, und was der von der FPÖ beanstandeten Dinge mehr sind. Das geschah systematisch und über viele Jahre hinweg.

Die, die das gemacht haben, wollten damit z.B.der Wahlbehörde helfen, die Prozedur vereinfachen oder – nicht zuletzt – sich selbst eine Sitzung am nächsten Tag ersparen.

Der kleine Amtsweg halt. Der gelernte Österreicher kennt das. Es ist meist nur eine Überlebensstrategie, mit der sich Bürger gegen Amtsschimmel und Formalismus-Terror zur Wehr setzen. Die Praxis mag zutiefst verständlich sein – einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hält sie aber nur schwer stand.

Das Perfide – und Bezeichnende – an den aktuellen Ermittlungen (die möglicherweise aufgenommen werden mussten) ist, dass der angelegte Maßstab nicht für alle gilt. Es trifft die einen, die anderen aber nicht und das hat politische Gründe

Es ist das zentrale Funktionsprinzip dieses angeblichen Rechtsstaats mit seiner realen, durch und durch politisierten Justiz.

Die Lösung für das Problem kann nicht darin bestehen, den Ermittlungseifer der Staatsanwälte gegen die einen einzubremsen, sondern ihnen zu erlauben, ja sie zu ermuntern auch gegen die anderen vorzugehen – ohne Ansehen der Person, wie es so schön heißt.

Mögen die anderen von heute schon morgen die volle Härte einer wahrhaft blinden, nein: unparteiischen Justiz zu spüren bekommen !

***

Der Verfassungsgerichtshof verhandelt ab Montag über die von der FPÖ eingebrachte Anfechtung der zweiten Runde der Bundespräsidentenwahlen und nur über diese. Das heißt, dass die von Dieter Böhmdorfer und Rüdiger Schender verfasste Eingabe die Agenda bestimmt und dass ausschließlich um diesen Text verhandelt wird.

In dem Maß, in dem die beiden FP-Anwälte problematische, vielleicht wichtigere Aspekte dieser Wahl unter den Tisch haben fallen lassen, findet âm Wiener Judenplatz keine juristische Auseinandersetzung über diese Themen statt. Das mag für Fachleute völlig  selbstverständlich sein, ist aber kaum einem “Laien” noch ins Bewusstsein gedrungen.

Konkret heißt das, dass über die oben angerissenen, seit langem eingerissenen Mängel und Missbräuche gerichtet wird, nicht aber darüber, ob es am 22. Mai einen organisierten Wahlbetrug oder wenigstens Hinweise auf einen solchen gegeben hat (gibt).

Das alles ist nicht die Schuld des Gerichts und auch den beiden Rechtsanwälten mag wenig vorzuwerfen sein. Sie wollen ein höchstgerichtliches Verfahren gewinnen und diesen Sieg in weiterer Folge für die Abschaffung/Reform der Briefwahl verwenden. So lautet wohl auch der Marschbefehl, den sie von der FPÖ bekommen haben.

Eine Legitimation für einen künftigen Bundespräsidenten Van der Bellen ist das aber nicht.

Bild: Deval Kulshrestha, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Unabhängiger Journalist

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