Warum Europa nicht auf LNG aus d. Vereinigten Staaten setzen kann

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srsroccoreport.com

Dieser Blogger wird manchmal gefragt, warum er Flüssiggas-Importe aus Nordamerika nicht für eine auch nur ansatzweise tragfähige Antwort auf Probleme durch ausbleibendes russisches Gas hält – wo US-LNG im laufenden Informationskrieg in den Narrativen beider Parteien doch eine so große Rolle spielt. Den Schüssel liefert Steve St.Angelokurz gesagt: weil der Natgas-Boom in den Staaten gerade zu Ende geht und die Amis allein für die Grundlast ihrer Stromnetze jeden Kubikfuß selber brauchen werden.

St. Angelo ist das seltene Beispiel eines Analysten, der weder im Dienst einer Institution oder einer Partei steht, noch auf Aufträge aus der Industrie schielt

(am ehesten noch ist er der precious metal community verpflichtet und – wie fast allen – sind ihm frühere “Fehlurteile” so unangenehm, dass er sich womöglich scheut, diese zu revidieren oder dass er dieses nur ungern & zeitverzögert macht).

Auch dieser frühere Trader mag heilige Kühe kennen, aber Ein- und Auskommen scheinen nicht an interessensgebundene Analyseergebnisse geknüpft zu sein.

St. Angelo hat sich in seinem seit ca. zwei Jahren bezahlpflichtigen Blog dutzendfach mit der US-Gasproduktion auseinander gesetzt

und sein letztes Posting ist den enormen “natürlichen Decline-Raten” der drei größten Schiefergasfelder gewidmet (Marcellus, Haynesville und Permian, das freilich überwiegend ein Ölfeld ist).

47% natürlicher Produktionsrückgang binnen 2 Jahren

Der Artikel mit der Headline “Amazingly large Declines From Top 3 Shale Gas Fields: Nearly Half Of Shale Gas Production Is Lost In Just Two Years” befindet sich hinter einer Paywall.

Dieser Blogger hat Zugang, darf idR das dortige Material – speziell die Charts – aber nicht (direkt) verwenden.

Für den hier vorliegenden Text. namentlich die “oberhalb des Falzes” neu publizierte Grafik zur US-Shale Gas-Produktion 2009 – 2022, machte St. Angelo

eine – nicht kostenpflichtige – Ausnahme, für die ich mich noch einmal bedanke.

Die Daten für den Srsrocco-Chart entstammen ihrerseits einem monatlich aktualisierten Bezahldienst, der v.a. von der “Branche” selbst genutzt wird.

Andere Quellen anderer Grafiken von srsroccoreport.com sind z.B. die (bundes)staatliche EIA, oder die texanische Railroad Commission.

In seiner am Donnerstag publizierten jüngsten Analyse kommt St. Angelo zum Ergebnis, dass

  • Marcellus, Haynesville und  Permian 2020 und 2021 zusammen 47% “natürlichen Rückgang” hinnehmen hätten müssen (33% allein im ersten Jahr, das – genauer – von Dezember 2019 bis Dezember 2020 reicht).
  • Das entspreche einer Minderförderung von 18,7 Mrd Kubikfuß pro Tag im ersten und kumuliert von 27,3 Mrd. Kubikfuß in den ersten beiden Jahren.

Die drei Felder haben – auf zwei Jahre gesehen – unterschiedliche natürliche Förder-Rückgänge zwischen 39 und 62 Prozent

- riesig und um ein Vielfaches höher als die konventionelle Förderung sind diese aber allemal (Vergleichbares gilt übrigens für Schieferöl)

Nun ist die Natural Decline Rate aber nicht in der jeweiligen Bruttoproduktion erkennbar, weil die Minderförderung bei den alten durch neu erschlossene Quellen überkompensiert worden ist – bisher.

Der natürliche Rückgang würde erst dann sichtbar

wenn keine neuen Quellen angezapft würden.”

Genau das, vermutet St. Angelo, werde zunehmend aber der Fall sein, weil

  • die vielversprechendsten Örtlichkeiten (“sweet spots”) bereits erschlossen wären,
  • der “Vorrat” an gebohrten, aber noch nicht produzierenden Quellen (“DUCs”) inzwischen fast aufgebraucht sei und weil
  • der Ressourçeneinsatz bzw. die Folgen für die Umwelt immer höher ausfielen (Energie, Wasser, Entsorgung).
  • Schließlich haben die Fracker zunehmend mit “Graswurzel-Widerstand” durch Anrainer, sowie finanziellem. infrastrukturellem und regulatorischem Gegenwind zu kämpfen (dies ist die hauptsächliche Argumentationslinie anderer Kritiker, St. Angelo hebt primär auf Geologie und dadurch verursachte Mehrkosten ab).

Schiefergas – ein Strohfeuer

Nun beruht der Gas-Boom, den die USA bis heute durchleben und der künftig als Lückenbüßer für fehlendes russisches Erdgas in Europa herhalten soll,

auf den soeben skizzierten Mechanismen (die übrigens auch in der Aufmacher-Grafik sichtbar werden).

In den nächsten Jahren, meint St. Angelo, werde der Brutto-Zuwachs zuerst abflachen, die Produktion dann nach unten drehen

- und binnen weniger Jahre wieder kollabieren – ebenso rasch, wie sie nach der Großen Finanzkrise explodiert sei.

Das erscheint angesichts der Umstände (rascher Produktionsrückgang, “sweet spots”  immer seltener) auch diesem Blogger nicht unplausibel.

Wie im Sommer 2022 hier vorgerechnet wurde,

kommen heute mehr als 80 Prozent der US-Gasförderung aus Shale, während konventionell gefördertes Gas an Land sowie aus dem (seichten) Wasser im Golf von Mexiko weniger als 20 Prozent stellen.

2008 waren die Größenverhältnisse noch umgekehrt gewesen.

Unabhängiger Journalist

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