Russische Flugzeuge tun seit 14 Tagen, was die westliche Alllianz ein Jahr lang gefakt hat: Sie attackieren den Islamischen Staat mit Jets, angeblich ziemlich erfolgreich. Weil das notwendig, aber nicht hinreichend ist um unsere menschliche-Leber-fressenden Terrorbrüder zu vertreiben, fragt es sich, ob die Russen auch Bodentruppen für den mop up schicken.
Ich glaube das nicht. Sofern sich Israel oder die Türkei/NATO nicht direkt einmischen, reicht die syrisch-schiitische Allianz wohl aus, um die Kopfabschneider in die Länder ihrer Partner zu jagen, an den Golf und – als Flüchtlinge – in die Regime EUropas.
Die Nachrichtenlage ist üppig, es wird nur nicht adäquat berichtet, im deutschsprachigen Raum jedenfalls nicht. Wozu auch? Ist ja auch nicht wirklich wichtig. Unsere Medien-Schoßhündchen haben Besseres zu tun. In Russland wird dagegen viel, wahrscheinlich zu viel berichtet. Dort prahlen die Luftwaffengeneräle täglich mit den Erfolgen ihrer Piloten – leider kann’s in Westeuropa niemand verstehen.
Moskau hat dem syrischen Massaker – wie viele Jahre eigentlich? – zugeschaut und vorher nur einmal wirklich eingegriffen: als der Westen davor stand, das Damaszener Regime direkt anzugreifen, nach dessen angeblichem Giftgaseinsatz im Sommer 2013. Aber damals haben die Ruskis nur diplomatisch agiert und eine international überwachte Zerstörung der syrischen Chemiewaffen gebrokert.
Mit dem Überschwappen des ISIS-Phänomens auf das syrische Staatsgebiet vor eineinhalb Jahren sowie der Bildung der gefakten Anti-ISIS-Allianz, hielten sich die Ruskis wieder dezent im Hintergrund und veranstalteten höchstens Konferenzen, zu denen sie Assad-Leute und – angebliche oder wirkliche – syrische Oppositionelle einluden.
Im August 2015 muss den Russen der Geduldsfaden gerissen sein. Vielleicht wurde ihnen auch nur die Bedrohungslage um Tartus zu viel. Auf jeden Fall entschied sich Moskau, der regime change-Agenda des Westens eine offene Absage zu erteilen und militärisch auf Assads Seite einzugreifen.
Da kam ihnen das inzwischen offen zutage getretene westliche Doppelspiel um Freind IS ganz recht. Sie verlegten Jets nach Latakia und sagten, dass diese tun würden, was die anderen Miltärjets in Syrien auch täten: IS -Ziele bombardieren. Was konnte offiziell dagegen schon eingewendet werden?
Blöd halt nur, dass es Moskau mit der Eröffnung der Feindseligkeiten ernst meinte. Für Moskau ist IS tatsächlich ein Feind, weil dieser
- seine Marinebasis Tartus bedroht und
- die innerrussische terroristische Opposition z.B. in Tschetschenien unterstützt (im Gegensatz zu den Verrätern an der Spitze der EU-Länder ist Moskau da absolut humorlos).
Seit zwei Wochen fliegen die Russen täglich ein paar Dutzend Kampfeinsätze und manchmal erwischen sie dabei auch die moderate syrische Opposition, wie unsere Medien entsetzt berichten: al Nusra = Al Kaida in Syrien beispielsweise.
Im übrigen sind die Berichte über Kollateralschäden durch die russischen Luftangriffe durchaus glaubwürdig – die strikes von Iwan & Wladimir werden ungefähr so surgical sein wie jene von John & Jack im Irak und Afghanistan. Dafür ist die Zerstörungskraft umso höher. Wenn mit dieser Munition geschossen wird, bleibt höchstens noch ein mit Staub gefülltes riesiges Loch im Boden übrig.
Es muss ganz furchtbar sein und es gibt kaum jemanden, der Ron Paul hier nicht zustimmen könnte:
I am not thrilled that Russia is bombing Syria. I wish nobody was bombing Syria.”
In der grausamen Realität dieses Kriegs gibt es ein Match zwischen Team A und Team B, in dem kein Unentschieden möglich ist, siehe hier (ich hab damals bei Team A die heutige EU nicht erwähnt):
Das war schon vor einem halben Jahr absehbar (Berlin wäre besser als Rom gewesen, aber drei Buchstaben zu lang):
Obwohl es derzeit unmöglich ist, eine einigermaßen realistische unabhängige Einschätzung des Erfolgs der russischen Luftkampagne zu treffen, kann man m.E. ohne weiteres davon ausgehen, dasss es keinen Schutz der IS-Soldaten aus der Luft mehr gibt. Möglicherweise sind sogar ihre Nachschublinien im Norden (aus der Türkei) und im Süden (aus Jordanien bzw. Israel und Saudiarabien) bereits gekappt.
Das heißt, der IS befindet sich heute an einem Punkt, an dem Schiiten-Scheich Nasrallah ihn schon in obigem Post gesehen hat: Jene Kämpfer, die dem Inferno in ihren Kommandozentralen entkommen sind, müssen sich jetzt absetzen.
Um sie aus den weiten und wüsten Landstrichen im Süden und Osten Syriens und im Westen des Irak ganz zu entfernen, braucht’s aber trotzdem boots on the ground, Bodentruppen.
Ich bezweifle, dass die Ruskis die schicken werden, denn
- erstens haben die Ruskis wenig Lust, jeden Tag in den Nachrichten eine professionell inszenierte Köpfung ihrer Soldaten anzusehen und
- zweitens waren die Russen schon in der Ukraine stark genug, der Versuchung zu widerstehen. Der Versuchung, reguläre Kampfverbände hineinzuschicken und ihren Feinden damit einen Vorwand zum Eskalieren zu liefern. Würden die Ruskis ein paar zehntausend Infanteristen nach Syrien schicken, die fern von Tartus operieren, wären die Amis und Europäer in nullkommanix auch in Syrien (nicht nur ihre Spezialtruppen und Militärberater). Die NATO weiß das und versucht, aus einem Dutzend-Zwischenfall im nördlichen Luftraum einen Kriegsgrund zu konstruieren.
Nein, die regionalen Verbündeten von Team B müssen das schon selbst erledigen: die syrische Armee, die Hisbollah sowie von schiitischen Regimen kontrollierte Kämpfer aus dem Irak und dem Iran.
Der Preis ist heiß: die Wiederherstellung der alten Landesgrenzen, viel Öl im Westirak und die Verhinderung der geplanten Gaspipeline aus Katar - und wenn sie unter freundlicher Lufthoheit agieren, dürfte es eigentlich keine großen Schwierigkeiten mehr geben.
Auf einer Karte wird das dann in etwa so aussehen, wie in diesem Blogeintrag “John Galts” aus Florida gezeigt (bitte bis etwa zur Mitte der Seite scrollen). Leider weiß ich nicht, wie lange diese Karte noch online ist.
“John Galt” meint, dass aus dem Westen auch Russen kommen werden – was ich, siehe oben – bezweifle. Grundsätzlich ist sein Szenario aber realistisch: Assad-Truppen, Hisbollah und entsandte iranische Milizionäre nehmen den Islamischen Staat aus dem Westen ins Visier und schiitische Iraker (und Iraner?) kommen aus dem Osten. Den meisten IS-Terroristen bliebe dann nur mehr die Flucht nach Süden offen: ein Weg, der zuerst nach Jordanien und danach gleich auf die Golf-Halbinsel führt. Das wäre ein Akt höherer Gerechtigkeit.
Die zweite Fluchtroute der Dschihadis ist bei John Galt fast nicht erkennbar. Es handelt sich um den Weg nach Europa – über Nordafrika oder über die Türkei/die Balkanroute.
In der Europäischen Union werden die Dschihadis als Flüchtlinge willkommen geheißen, und dort können sie sich mit ihren Terrorbrüdern aus der ersten Flüchtlingsgeneration vereinen. Dieser russische Autor
meint, dass sich unter den bereits eingelassenen 700.000 Migranten 4.000 Terrroristen befunden hätten-. Andere gehen davon aus, dass diese Zahl viel zu tief gegriffen ist. Wissen kann’s keiner.
Sicher ist nur: Unter den den heutigen Regimen ist der europäische Boden für ISIS-Kämpfer wesentlich weniger heiß als in Syrien selbst.
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