Nachtrag “Flüchtlinge”: Woher bis dato unbekannte Infos kamen

Dafür könnte man offizielle Verlautbarungen in Betracht ziehen – wobei unorthodoxe heuristische Methoden wie z.B. die vier Grundrechenarten durchaus eine Rolle spielen. (Ich kann auch nichts dafür, dass der Mainstream nichts von diesen Methoden hält.) Eine Quellenauskunft.

Ich habe gestern einen Eintrag über die Dubiose Rechtsbasis des Geschäfts der BFA gepostet und dabei zwei Aussagen gemacht, deren Herkunft zu wenig transparent war:

    • Erstens, dass etwa 75 Prozent der afghanischen Asylwerber als Asylanten anerkannt wurden und dass diese zusammen mit den Syrern 90 Prozent aller positiven Asylbescheide in erster Instanz ausgemacht haben. Ich habe mich dabei auf die “vorläufige” BFA-Jahresbilanz (inklusive Infografik) berufen, aus der diese Dinge hervorgehen.
    • Zweitens habe ich behauptet, dass – von der Balkanroute abgesehen – dem UNHCR keine afghanischen Flüchtlinge westlich des Iran bekannt seien.

Nun haben mir ein paar Zeitgenossen geschrieben (eine davon eine Ex-Kollegin), dass das ein Blödsinn sei und dass das alles gar nicht stimme.

Da ich immer wieder Fehler mache, hab’ ich mir das noch einmal angeschaut und muss beide Aussagen nur unwesentlich modifizieren.

Die Asylanträge aus Afghanistan wurden, erstens, zu 70 bis 75 Prozent positiv beschieden (nicht 75 Prozent), und Syrer und Afghanen haben zusammen wenigstens 89 Prozent aller positiven Statusentscheidungen ausgemacht (nicht 90 Prozent).

Auch die zweite Aussage halte ich aufrecht, ebenfalls mit einer kleinen Einschränkung. Diese ist, dass sich in der Türkei doch noch 32.000 afghanische Asylwerber gefunden haben. Diese muss man allerdings in Beziehung setzen zu den 1,5 Millionen Afghanen, die nach Pakistan und der Million, die in den Iran geflohen sind (und natürlich mit den 220.000, die vergangenes Jahr über die Balkanroute nach Europa gekommen sind).

Ad 1, Anerkennung durch das BFA:

Es ist korrekt, dass das so wie ich es geschrieben habe, weder in Presseaussendung noch in der Begleitgrafik steht. Es ergibt sich aber daraus, zwingend.

Das BFA sagt selbst, 72 Prozent der 13.888 positiven Statusentscheidungen seien Syrer gewesen. Macht 10.000 Menschen. Die Zahl der bearbeiteten Anträge aus Afghanistan weiß ich nicht und daraus kommt eine Unschärfe (die Zahl muss aber relativ hoch gewesen sein). Die zweite Unschärfe ergibt sich daraus, dass auch die Anerkennungsquote der Afghanen nicht bekanntgegeben wurde.

Sehr wohl aber das, siehe hier (eigene Markierung):

afghanistan_BFAHier ist ziemlich klar, dass nur 25 bis 30 Prozent der Anträge aus Afghanistan negativ beschieden wurden und dass es bei den positiven Statusentscheidungen etwa zu gleichen Teilen Asyl und subsidiären Schutz gab. Wie aus der Aussendung selbst hervorgeht, wurden insgesamt 2.203 Personen subsidiärer Schutz gewährt, “davon größtenteils afghanischen Staatsangehörigen”. 

Das ist gleichbedeutend mit: “mehr als 50 Prozent waren Afghanen” – also (konservative Annahme): 1.200 Afghanen bekamen subsidiären Schutz. Diese Zahl muss noch einmal verdoppelt werden, weil prozentual gleich vielen (eher mehr) Anträgern der Asylstatus zuerkannt wurde. Damit sind wir bei (wenigstens) 2.400. 

10.000 Syrer + 2.400 Afghanen = 12.400 positive Bescheide für Antragsteller aus Syrien oder Afghanistan. Das sind (wenigstens) 89,3 Prozent von 13.888.

Der Unterschied zu meiner gestrigen Überschlagsrechnung ist lächerlich gering, aber ich persönlich habe daraus doch einen Erkenntnisgewinn gehabt: den, dass die positiven Statusentscheidungen sowohl Asyl als auch subsidiären Schutz beinhalten und dass die beiden angeführten Summen (13.888 und 2.203) nicht noch einmal addiert werden dürfen.

Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, dass die Anerkennungsquote inkl. subs. prot. doch unter 40 Prozent liegt, aber ich tue das nicht, weil das BFA eine speziell österreichische Statistik hat, die anders ist als die der umliegenden Länder.

Diese hat zur Folge, dass eine geringere Quote ausgewiesen wird (weil die zugrundeliegende Gesamtheit die eingestellten und abgegebenen Verfahren beinhaltet).

Unsere, die peer group der BFA-Österreicher, hat fast überall 50 Prozent Anerkennungsquote und das Bundesamt wird sich hier wohl nicht den Schatten stellen lassen wollen.

Ad 2, afghanische Flüchtlinge in der Nähe Europas

Das Hochkommissariat führt auf seinen jeweiligen Länderseiten eine Tabelle, die “UNHCR 2015 planning figures for xxx” heißt.  Die mag veraltet sein, denn sie zeigt den Iststand von Ende 2014, aber sie gibt eine Vorstellung von den noch heute geltenden Größenordnungen. Aus der Tabelle gehen die Herkunft der Asylwerber und Flüchtlinge im jeweiligen Staat hervor – und da gibt es westlich des Iran nichts.

Eben mit Ausnahme von 32.330 afghanischen Asylwerbern in der Türkei. Sonst ist nirgendwo was von Afghanen zu sehen..

Hmmm….

Verschwörungstheoretiker wie ich einer bin, können darin einen Pufferspeicher erkennen, der zwischen Erzeugung und Verbrauch von afghanischen (und anderen) Flüchtlingen gelegen ist, einen Pufferspeicher, an dessen Regelmechanismus die Türkei sitzt. Das würde erklären helfen, auf welche Weise Istanbul den Migrationshahn über die Balkanroute auf- und abdreht und auch, warum unser mitteleuropäisches Polit-Gesocks den Türken in den Arsch kriecht, siehe z.B.  hier.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass der im vergangenen Dezember ausgemachte Deal mit den Türken – der mit den drei Milliarden Schutzgeld – nicht funktioniert und ich traue mir kein Urteil darüber zu, wessen Schuld das ist. Vielleicht zahlt die EU wirklich nicht.

Ich traue mir nur das Urteil zu, dass das ein Deal war, wie ihn die Mafia mit Shopinhabern abzuschließen pflegt. Beide Seiten wissen, dass, wenn nicht gezahlt wird, die Mafia das Geschäft verwüstet. Die “offizielle Lesart” davon ist, dass die Mafia in diesem Fall halt nicht beschützt hat und dass irgendwelche Unbekannten das Geschäft zerstört haben.    

Unabhängiger Journalist

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