Zwischen der Kommission und Austro-Politicos ist ein Show-Catch ausgebrochen – ob das kontrollierte nationale Parlament über CETA abstimmen “darf”. Der Lügenbaron aus Brüssel sprach von “Klamauk” und liegt damit richtig: Die Rechte, um die es geht, sind 2009 “in Lissabon” verscherbelt worden. Der hiesigen Elite fällt nicht im Traum ein zu tun, was die Briten versuchen: sich voreilig abgegebene Kompetenzen zurück zu holen. NB: Juncker, juristisch im Recht, lenkt ein und lässt den Klamauk zu.
Der angebliche Streit ist ein Manöver derselben Leute, die die Malaise verursacht haben – wenn im Fall Kerns auch nicht in herausgehobener Position, sondern als – noch wenig sichtbarer – Bestandteil der SPÖ-Führung.
Der Fall des Vizekanzlers liegt ein wenig anders. Mitterlehner hat als Abgeordneter den Vertrag von Lissabon ratifiziert und damit für alle sichtbar die weitgehende Entmachtung des österreichischen Parlaments unterschrieben.
(Bei TTIP, das ja noch nicht zu Ende verhandelt ist, ist die Sachlage etwas anders. Dieses Abkommen ist scheinbar unbestritten ein “gemischter Vertrag”, über den die nationalen Parlamente “abstimmen dürfen”.)
Mit der Wrestling-Show glauben die Politicos, Souveränitätsbefürwortern Wind aus den Segeln nehmen und den Eindruck erwecken zu können, dass sie an politischer Selbstbestimmung und der Beibehaltung einer parlamentarischen Demokratie interessiert seien.
Kern nicht an demokratische Spielregeln gebunden
Was wirklich Sache ist, kann jeder Laie an der Haltung des Bundeskanzlers ablesen, die im Lead dieses Artikels folgendermaßen zusammengefasst ist (eigene Hervorhebung):
Bundeskanzler Christian Kern fühlt sich nicht an die Ankündigung seiner beiden Vorgänger gebunden, er will Österreich keinem EU-Referendum aussetzen. Eine Ausnahme sieht Kern allerdings schon.”
Erwähnte Ausnahme ist der (sowieso nicht anstehende) Beitritt der Türkei und die angebliche Absage an ein “aktuelles” Referendum ist in Wirklichkeit ein Nein zu einer Abstimmung im Fall von größeren Vertragsänderungen.
Um die Perfidität der Aussage zu goutieren, muss man acht Jahre, bis zum sogenannten Dichandbrief der damaligen SP-Spitze, Alfred Gusenbauer und Werner Faymann zurückgehen. Das wird hier näher beschrieben.
Die beiden Kern-Vorgänger versprachen in diesem offenen Schreiben an einen inzwischen verstorbenen Zeitungsherausgeber, “dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen.”
Das war kurz nachdem das Parlament Lissabon ratifiziert hatte. Es handelt sich um ein “Versprechen”, das nicht nur eine politische Selbstverständlichkeit ist, sondern das letztlich auch ein juristisches Muss reflektiert.
Und an diese Zusage/Selbstverständlichkeit fühlt sich der Herr Bundeskanzler nun “nicht mehr gebunden.”
Das lässt sich nicht anders als in den Worten eines Brexit-Kommentators fassen: “Diese Leute sind Schlangen! Die Schlacht hat erst begonnen.”
Ich darf ergänzen: Fast alles ist besser als diese Schlangen, die schleunigst, aber auf demokratische Art aus ihren Ämtern entfernt werden müssen.
Nachbemerkung, 1.7. 11 Uhr: Juncker, juristisch im Recht, lenkt ein und lässt den Klamauk zu.
Bild: WrestleGEEK20, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
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