EU-Wahl: Die NEOS, eine alte Europathen-Partei

Lernfähig sind die NEOS ja. Kaum in den Nationalrat eingezogen, haben sie in Rekordzeit erlernt, was die anderen jahrelang mühsam einstudieren mussten. Zum Beispiel das Phrasendreschen: “Politik muss wieder interessant werden”, “Wir binden dich ein, sprechen Klartext und zeigen Entschlossenheit”.

Wen diese Lernfähigkeit wundert, der muss sich fragen, ob die scheinbar frischen Gesichter nicht vielleicht nur Larven sind, hinter denen sich Kräfte verbergen, die nach 20 Jahren nachholen wollen, woran sie in den 1990ern gescheitert sind. Zum Beispiel Minister werden, ihren Klientengruppen Staatsgelder zuschanzen, oder prächtige Diäten kassieren, die das Neunfache des europäischen Durchschnittslohns ausmachen.

Wer sich an die 1990er-Jahre nicht erinnern kann (oder will), der sei an die Vorgängerpartei erinnert (die ja gar nicht verleugnet wird): Das Liberale Forum.

Das LIF spaltete sich 1993 von der FPÖ aus zwei Gründen ab: Wegen des Anti-Ausländervolksbegehrens Haiders (dessen damalige Forderungen von SPÖ und ÖVP inzwischen umgesetzt sind, wenigstens zum größten Teil) und wegen der (damals) neuen Anti-EU-Linie der Haiderpartei.

Speziell in der EU-Politik war das LIF bloßes Anhängsel an eine damals wirklich noch „große“ Koalition. Das unterschied es von den beiden anderen Nichtregierungsparteien. 1994 warb es bei der Beitritts-Volksabstimmung für ein Ja, und am 11.November 1994 stimmte es als einzige Oppositionspartei geschlossen für das Beitrittsgesetz.

Am 18. Juni 1998 hoben alle LIF-Abgeordneten beim sogenannten Amsterdamer Vertrag die Hand – obwohl diese Handreichung eine nur symbolische war, die die Regierungsparteien gar nicht notwendig gehabt hätten. Rotschwarz verfügte zu diesem Zeitpunkt nämlich noch über die Zweidrittelmehrheit.

Der Amsterdamer Vertrag wurde von den Grünen damals noch als das faktische Ende der österreichischen Neutralität kritisiert. Denn über ihn wurde der sogenannte Artikel 23 f in die Verfassung aufgenommen, der im Grundsatz eine Kriegsermächtigung ohne geographische oder (außen)politische Einschränkungen ist.

Nicht einmal ein Mandat des UN-Sicherheitsrats war nötig – wichtig war lediglich, dass sowohl Kanzler (rot) als auch Außenminister (schwarz) zustimmten. Der Tort passierte keine vier Jahre nach der Volksbefragung, bei der man der Bevölkerung eingeredet hatte, dass das Land auch in der EU neutral bleiben könne und werde.

Auch die FPÖ stimmte 1998 dagegen, wenn auch aus völlig anderen Motiven. Weder Haider, noch die FPÖ hätten ernsthafte Probleme mit der Abschaffung der Neutralität gehabt. Die einzige blau-grüne Gemeinsamkeit war wohl, dass beide Parteien der Ansicht waren, dass man Entscheidungen von einer solchen Tragweite nicht ohne bzw. gegen den Souverän, das Volk, treffen sollte.

Derlei Skrupel kannten die Liberalen nicht, auch nicht in Sachen Euro. Weiter ging’s dort mit zwei großen Begleitgesetzen (Finanz und Justiz), über die Dutzende bestehende Gesetze novelliert wurden. Mit diesen wurde die Alpenrepublik in die Eurozone katapultiert, ohne das man es für nötig befunden hätte, sich ein Mandat für die größte politische Weichenstellung seit 1955 zu holen.

Warum die politische Klasse damals glaubte, sich nicht absichern zu müssen, ist auf Basis des heutigen Wissenstandes nicht zu beantworten. Dieses Vorgehen ist bei Licht besehen ziemlich riskant – denn letztlich wurde dabei die Legitimationsbasis infragegestellt, auf der die politische Klasse seit 1945 gehandelt hatte.

Die beste Erklärung für dieses Verhalten ist, dass die Politiker wussten, dass sie eine solche Abstimmung verlieren würden, und dass sie daher eine solche Situation vermeiden wollten. Aber diese Aussage ähnelt der „Entschuldigung“ des gefassten Bankräubers: „Was hätte ich denn tun sollen? Ich brauchte das Geld!“

Dass es ziemlich sicher ein Nein gesetzt hätte, zeigt eine market-Umfrage von 1996. Drei Viertel der Leute wollten damals den Schilling behalten, Den Schweizer Franken fanden 63 Prozent vertrauenswürdig und den Dollar 40 Prozent. Der künftigen europäischen Gemeinschaftswährung vertrauten gerade einmal 10 Prozent.

Es ging in der Eurofrage aber nicht „nur“ um ein neues Tauschmittel, sondern auch um die Weggabe von seit 1945 angehäuftem Volksvermögen. Um nichts anderes handelte es sich bei der der Einbringung der österreichischen Gold- und Devisenreserven in die EZB. Dem österreichischen Parlament, das die Eigentumsrechte für den letzten, sozusagen „wirtschaftlichen Eigentümer”, wahrzunehmen hatte, wurde die Verfügungsgewalt über die Reserven entzogen, oder genauer: Es gab sie auf, freiwillig und ohne den Letzteigentümer zu fragen. Mit diesem Gedanken wird sich das etwas später zu veröffentlichende 12 Kapitel beschäftigen.

Die Ablehnung der neuen Währung durch den Plebs focht das LIF keineswegs an. Schließlich handelte es sich um reine Meinungsumfragen, und solange es keine „offizielle“ Willensbekundung gab, glaubten die Liberalen tun und lassen zu können, was ihnen beliebte. Schließlich waren ihre Abgeordneten gewählt und daher legitimiert – und „idealistisch“ waren sie obendrein. Herz, was willst du mehr?

Es war das gleiche Kalkül, dem die großen Volksparteien bis heute folgen, nur mit dem Unterschied, dass diese viel mehr Unterfutter haben – genügend, um ein paar Jahrzehnte mit Stimmverlusten auszuhalten.

Für das LIF war aber schon 1999 Endstation und Heide Schmidt & Co. mussten ihre Parlamentssitze räumen. Damit geht die „alte Geschichte“ der NEOS zu Ende.

In einem demnächst erscheinenden zweiten Teil wird thematisiert, wieso die Europaideologie der NEOS der ökonomischen Interessenlage ihres Hauptsponsors entspricht und auf welche Weise sie die Vereinigten Staaten von Europa herbeizuführen gedenken.

Unabhängiger Journalist

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