Die Presse hat eine wesentliche Bedeutung bei der demokratischen Willensbildung. Ihr wird auch eine demokratische Kontrollfunktion attestiert. Nach der bestehenden Verdachtslage haben sich einige österreichische Medienbetreiber aber mit einer großen Anzahl an – ohne öffentliches Informationsbedürfnis erfolgenden aber mit öffentlichen Mitteln finanzierten – Inseraten kaufen lassen, indem sie in ihren reichweitenstarken Medien über eine politische Partei und deren Vertreter nur positiv publizierten, Themenauswahl und Erfolgszuschreibungen nach deren Wünschen vornahmen, und negativ über deren politische Gegner berichteten. Von Dr.Dr. Heinz-Dietmar Schimanko.
Die Presse muß die Freiheit haben, alles zu schreiben, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun“ (Alain Peyrefitte, 26.08.1925 – 27.11.1999, französischer Schriftsteller, Kolumnist und Informationsminister).
Die zentrale demokratische Aufgabe der Presse gilt natürlich nur mit der Einschränkung, daß wahrheitsgemäß berichtet wird und keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
Die Pressefreiheit rechtfertigt auch keine Beleidigung, keine unwahren herabsetzenden Tatsachenbehauptungen und keine Werturteile, die auf unwahren Angaben basieren oder exzessiv sind.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezeichnet die Presse im Zusammenhang mit der Meinungs- und Medienfreiheit nach Art. 10 MRK als „public watchdog“.
Die Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft ist es insbesondere, politische Vorgänge kritisch zu beleuchten und verschiedene Positionen zu wesentlichen Vorgängen wiederzugeben. Der Presse muss es dabei möglich sein, ihre vitale Rolle eines ‘public watchdog’ in einer demokratischen Gesellschaft zu erfüllen.“ (EGMR RIS-Justiz RS0123667).
Das beinhaltet natürlich eine große gesamtgesellschaftliche Verantwortung des Journalismus.
Nach dem Idealtypus hat eine strikte Trennung zwischen Berichterstattung einerseits und Kommentar und Glosse andererseits zu erfolgen – Informationen sollen nicht einseitig unvollständig mitgeteilt werden, und sie sollen nicht mit persönlicher Meinung vermengt werden, um Meinungsmache zu betreiben.
Nach der bestehenden Verdachtslage haben einige Medienbetreiber in der östlichen Alpenrepublik weitaus Schlimmeres gemacht:
Sie haben sich demnach mit einer großen Anzahl an – ohne öffentliches Informationsbedürfnis erfolgenden aber mit öffentlichen Mitteln finanzierten – Inseraten kaufen lassen, indem sie dafür in ihren reichweitenstarken Medien über eine politische Partei und deren Repräsentanten nur positiv berichteten und die Themenauswahl und Erfolgszuschreibungen nach deren Wünschen vornahmen, und negativ über deren politische Gegner berichteten.
Das wäre eine schwere Mißachtung des hohen Stellenwerts der Kontrollfunktion der Presse und der Pressefreiheit für die Demokratie und ein schwerer Mißbrauch der Medienmacht durch Täuschung der Bürgerinnen und Bürger, um sie positiv für eine bestimmte Partei zu stimmen, und deren politische Mitbewerber zu diskreditieren.
Dabei ist zu betonen, daß die Inserate demnach mit Steuergeldern bezahlt wurden. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler finanzierten nach dieser Verdachtslage Medieninhalte, womit sie selbst manipuliert wurden. Ein besonders perfides System – die Opfer finanzieren vorab die Täter bei der Tat.
Die aktuellen Hausdurchsuchungen
Das Landesgericht für Strafsachen Wien bewilligte am 20. März 2023 der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) die Hausdurchsuchung bei zwei Medienagenturen und im Firmensitz der AHVV VerlagsgmbH, der Medieninhaberin der Tageszeitung „Heute“, wo sie am 30. März durchgeführt wurde.
Sie war konzentriert auf
- „die Räumlichkeiten der [...] Geschäftsführung (Dr. Eva Dichand und Wolfgang Jansky, sowie deren Assistent*innen)“,
- “die Räumlichkeiten „der mit dem Vertrieb, der Gestaltung und Platzierung von entgeltlichen Veröffentlichungen befassten Mitarbeiter*innen“,
- “die Räumlichkeiten, „die zur Ausübung der kaufmännischen Tätigkeit der Mediengruppe (insbesondere Verkauf, Rechnungswesen) dienen“
- sowie „die zur Datensicherung erforderlichen Räume der IT-Abteilung“ einschließlich der Räume der IT-Abteilung, von denen aus auf die Unternehmensdaten zugegriffen werden kann”.
Wie bereits von der WKStA beantragt, wurden andere Räumlichkeiten der AHVV, insbesondere ausschließlich der redaktionellen Tätigkeit gewidmete Räumlichkeiten von anderen Journalisten der Tageszeitung „Heute“ ausdrücklich ausgenommen,
womit diese Ermittlungsmaßnahme auf das unbedingt erforderliche Ausmaß beschränkt und ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit der Erwerbsausübung und in die Medienfreiheit vermieden wurde.
Der Tatverdacht
Nach der gerichtlich bewilligten Anordnung der WKStA zur „Durchsuchung und Sicherstellung“ reicht der Verdachtszeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2021. Demnach besteht gegen einige der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zuzurechnende Personen der dringende Tatverdacht der Begehung schwerer Straftaten.
Untreue. Der ehemalige Leiter der Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, Mag. Johannes P. ist verdächtig, mit mehreren Taten eine gerichtlich strafbare vermögensrechtliche Untreue (§ 153 StGB) in einem Gesamtausmaß von mehr als EUR 300.000,00 begangen zu haben,
indem er die mit dieser Position verbundenen Befugnisse dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er mit öffentlichen Mitteln Inserate veröffentlichen ließ, die nicht im öffentlichen Interesse, sondern im parteipolitischen Interesse oder im persönlichen Interesse von bestimmten Personen waren.
Im Jahr 2016 habe er für das BMF aus öffentlichen Mitteln bei der „Kronen Zeitung“ und der Zeitung „Heute“ entgeltlich Veröffentlichungen im Umfang von EUR 201.115,80 veranlaßt, um eine für Gernot Blümel und Sebastian Kurz vorteilhafte Berichterstattung zu erkaufen und eine „mißbräuchliche Inseratenschaltung in der Österreich-Gruppe“ [Anm.: Mediengruppe Österreich GmbH, Tageszeitung „Österreich“, oe24.at]
dahingehend zu verschleiern, daß die besonders große Anzahl von den im Auftrag des BMF bei der Mediengruppe Österreich GmbH veröffentlichten Inseraten nicht auffällt.
Ab dem Jahr 2017 habe Mag. Johannes P. für das BMF aus öffentlichen Mitteln entgeltlich Veröffentlichungen von Kampagnen in der „Kronen Zeitung“ und der Zeitung „Heute“ und in den Zeitschriften „Netdoktor“ und „Connoisseur Circle“ im Umfang von mehr als EUR 300.000,00 veranlaßt,
um für Sebastian Kurz und die ÖVP wichtige Themen zu plazieren und demgegenüber die Berichterstattung über kritische Stimmen möglichst gering zu halten.
Ab spätestens Herbst 2017 habe Mag. Johannes P. über Anweisung von MMag. Thomas Schmid, Mag. Gerald F., Dr. Stefan St. oder Johannes F., Msc. Werbekampagnen in einem EUR 300.000,00 um ein Vielfaches übersteigenden Wert beauftragt und „aus Geldern des BMF“ bezahlt,
um sich einerseits wohlwollende Medienberichterstattung zu sichern und für „parteipolitisches Fortkommen“ zu sorgen,daß erfolgreiche politische Projekte Sebastian Kurz zugeschrieben werden, die Vermarktung der Einlösung von Wahlversprechen des Sebastian Kurz und der ÖVP darzustellen und Imagepflege des Sebastian Kurz und der ÖVP zu betreiben.
Thomas Schmid habe als zentraler Vermittler beim Kontakt zwischen den Ehegatten Dichand und Wolfgang Jansky einerseits und Sebastian Kurz und dessen Mitarbeitern sowie Mag. P. andererseits fungiert,
diese Straftaten koordiniert und den ihm weisungsunterworfenen Mag. P. dazu angestiftet, teils über Johannes F., und die Budgetmittel dafür erhöht.
Ab Ende 2017 habe Schmid auch die Inseratenvergabe anderer von Ministerinnen oder Ministern der ÖVP geführten Ministerien „zentral verwaltet, kontrolliert“ und darin „steuernd eingegriffen“. Dabei habe er im Auftrag von Sebastian Kurz und zum Teil auch von Mag. Gerald F., Dr. Stefan St. oder Johannes F., Msc, gehandelt.
Dr.in Eva Dichand, Wolfgang Jansky und Christoph Dichand sollen demnach jeweils in ihrem Geschäftsbereich zu dieser Untreue beigetragen und dadurch Bestechung (§ 307 StGB) begangen haben,
daß sie für die Aufträge des BMF und anderer von Ministerinnen oder Ministern der ÖVP geführter Ministerien zur entgeltlichen Veröffentlichung von Inseraten vermögenswerte Vorteile in Form der positiven Berichterstattung angeboten und auch gewährt haben.
Bestechung für Privatstiftungen. Dr.in Eva Dichand, Wolfgang Jansky und Christoph Dichand sind außerdem verdächtig, Personen in ihrer Eigenschaft als Amtsträger, und zwar MMag. Thomas Schmid in seiner Eigenschaft als Kabinettschef und Generalsekretär im Bundesministerium für Finanzen (BMF) und Sebastian Kurz in seiner Eigenschaft als Außenminister und ab 18.Dezember 2017 als Bundeskanzler für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften vermögenswerte Vorteile teils versprochen und angeboten, teils gewährt zu haben.
Diese Amtsgeschäfte sollen in den als „Stiftungsoffensive“ bezeichneten Maßnahmen einer Vorbereitung der Änderung des Privatstiftungsgesetzes, Verhandlungen mit Vertretern des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) über eine solche Gesetzesänderung, (und) der Veranlassung einer negativen Stellungnahme des BMF zu einem Gesetzesentwurf des BMJ für Änderungen des Privatstiftungsrechts bestanden haben,
wobei Schmid und Kurz dabei jeweils nach den Vorstellungen der Eva Dichand agiert haben sollen.
Es habe eine
Basisvereinbarung
zwischen Eva Dichand und Thomas Schmid gegeben, daß als Gegenleistung für die entgeltlichen Inserate und die „Stiftungsoffensive“ eine mediale Unterstützung für Sebastian Kurz in seinen Ambitionen, Bundesparteiobmann der ÖVP zu werden, mit der ÖVP die Nationalratswahlen 2017 erfolgreich zu bestreiten und anschließend Bundeskanzler zu werden, erfolgt.
Dies in Form einer für Kurz und die ÖVP wohlwollenden positiven Berichterstattung, womit deren politische Projekte vermarktet werden, und die Bekanntheit und Beliebtheit von Kurz gefördert wird.
Dabei sei vereinbart gewesen, daß Schmid und Kurz oder deren für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Mitarbeiter auf die Berichterstattung im redaktionellen Teil einwirken können und Gehör finden, welche Themen in Medien der „Krone-Gruppe“ und der „Heute-Gruppe“ (analogen und digitalen Medien) besondere Beachtung finden sollen, in welcher Weise und in welchem Umfang darüber berichtet wird, welche Schwerpunktsetzungen in der Berichterstattung gewünscht sind und welchen Personen „politische Erfolge oder Mißerfolge“ in diesen Medien zugeschrieben werden.
Diese Vereinbarung sei durch das Unterbreiten entsprechender konkreter Angebote für entgeltliche Veröffentlichungen und das Anbieten und Zusagen der vereinbarten Vorteile verwirklicht worden.
Zudem dadurch, daß Eva und Christoph Dichand von März 2017 bis Oktober 2021 in der Kronen Zeitung und der Tageszeitung Heute der Vereinbarung entsprechende wohlwollende Medienberichte veranlaßten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Medien anwies, von kritischen Berichten über Sebastian Kurz und die ÖVP Abstand zu nehmen oder bestimmte von Kurz und seinem Umfeld gewünschte Themen „groß zu spielen“ und deren Wünschen entsprechende Artikel zu veröffentlichen.
Dadurch hätten Sebastian Kurz, Thomas Schmid und Mag. Johannes P. sich der Bestechlichkeit schuldig gemacht, wozu Mag. Gerald F., Dr. Stefan St. und Johannes F., Msc, beigetragen hätten.
Amtsmißbrauch (§ 302 StGB). Thomas Schmid habe Mag. Johannes P. für dessen Mitwirkung bei der Inseratenvergabe und der manipulativen Berichterstattung belohnt, indem Schmid als zur Bestellung von Staatskommissären zuständiger Generalsekretär des BMF Herrn Mag. Johannes P., wie zuvor versprochen und danach von Mag. Johannes P. eingefordert,
Ende Februar 2019 mit Wirksamkeit zum 1. März 2019 zum Staatskommissär der Raiffeisenbank Region Amstetten eGen bestellte“.
Diese Postenbesetzung sei richtlinienwidrig und entgegen sachlichen Kriterien erfolgt, so daß Thomas Schmid damit Amtsmißbrauch begangen habe. Mag. Johannes P. habe Bestechlichkeit (§ 304 StGB) zu verantworten, weil er für diesen Posten seine damalige Funktion als Leiter der Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, mit seiner Mitwirkung bei der Inseratenvergabe und der manipulativen Berichterstattung pflichtwidrig ausgeübt habe.
Verantwortlichkeit der Österreichischen Volkspartei. Von der WKStA wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit der österreichischen Volkspartei (ÖVP) nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geltend gemacht, weil Sebastian Kurz die ihm zur Last gelegten Taten gegebenenfalls als damaliger Entscheidungsträger der ÖVP zu ihren Gunsten begangen hat.
Von langer Hand vorbereitet – Die Akteure
Sebastian Kurz wurde am 14. Mai 2017 zum designierten (interimistischen) Bundesparteiobmann der ÖVP. Am 01. Juli 2017 wurde er zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt.
Er war vom 16. Dezember 2013 bis 18. Dezember 2017 Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA). Bei den vorgezogenen Nationalratswahlen am 15. Oktober 2017 trat Kurz als Spitzenkandidat der ÖVP an. Ab 18. Dezember 2017 war er Bundeskanzler.
Sebastian Kurz ist ein Blender. Kompetent ist er im Vortäuschen von Sachkompetenz. Die Inszenierungen, mit denen Sebastian Kurz von seinen Mitstreitern in Szene gesetzt wurde, zeigten auf, wie weit der Realzustand der Demokratie von der Idealvorstellung von Demokratie divergiert. Dies besonders deshalb, weil die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler zu oberflächlich und unkritisch sind und sich allzu leicht manipulieren lassen.
Ganz dreist war der Auftritt von Kurz am 15. Juni 2019 bei einer Massenveranstaltung in der Wiener Stadthalle, als dort ein öffentliches Gebet für ihn erfolgte, bei dem er allen Ernstes als von Gott gesendeter Heilsbringer gepriesen wurde. Vom Prediger Ben Fitzgerald wurde Kurz als jemand präsentiert, der gleich Jesus von Gott mit besonderer Weisheit ausgestattet und von Gott gesandt ist, um uns zu führen. Obwohl Parteiobmann der christlich-sozialen ÖVP schreckte Kurz nicht davor zurück, die Religion für seine profanen politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Nach den bisherigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens entsteht eher der Anschein, daß er mit dem Teufel im Bunde ist.
Nachdem am 06. Oktober 2021 im Bundeskanzleramt und in einigen Büros des Finanzministeriums Hausdurchsuchungen durchgeführt worden waren, trat Kurz am 09. Oktober 2021 vom Amt des Bundeskanzlers zurück. Etwa 24 Stunden zuvor hatte er noch auf seiner Position als Regierungschef beharrt.
Zunächst versteckte er sich als Abgeordneter zum Nationalrat hinter der parlamentarischen Immunität, bis für ihn die Wahrscheinlichkeit einer Auslieferung durch den Nationalrat an die Strafverfolgungsbehörden immer wahrscheinlicher wurde. Am 02. Dezember 2021 trat er als Nationalratsabgeordneter und am darauffolgenden Tag als ÖVP-Parteiobmann zurück. Kurze Zeit später setzte er sich in die USA ab.
Thomas Schmid war ab 2013 Kabinettschef im BMF, wobei er 2015 die Funktion des Generalsekretärs im BMF übernahm. Vom 01. April 2019 bis 08. Juni 2022 war er Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), der Vermögensverwaltung der Republik Österreich.
Mag. Johannes P. ist ein “Überläufer” aus der FPÖ. Er wechselte als Bezirksrat in Wien-Wieden im Jahr 2004 zur ÖVP. Seit Mai 2016 ist er Bezirksparteiobmann der ÖVP Wieden und seit 2015 Klubobmann der ÖVP in der Bezirksvertretung Wieden. Von 2014 bis Ende 2021 war er Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im BMF.
Dr. Stefan St. arbeitete ab 2011 als Sektionschef im Integrationsstaatssekretariat und danach im BMEIA eng mit Sebastian Kurz zusammen. Von Juni 2017 bis Anfang 2018 war er neben Elisabeth Köstinger Generalsekretär der Bundes-ÖVP. Danach blieb er „im Rahmen eines Beratungsvertrages mit der Bundes-ÖVP einer der wichtigsten strategischen Berater von Sebastian Kurz“. Er gehörte der Steuerungsgruppe der ÖVP für die Regierungsbildung nach der Nationalratswahl 2017 an.
Dr. Stefan St. war beim „Projekt Ballhausplatz“, dem kühl geplanten Weg von Sebastian Kurz und seiner Truppe an die Macht, mit den Aufgaben „Leitung, Strategie/Planung, rechtliche Rahmenbedingungen, Wahlkampfvorbereitung und Neuaufstellung Partei“ betraut.
Mag. Gerald F. arbeitete ab 2011 im Integrationsstaatssekretariat und später im BMEIA als dessen Pressesprecher eng mit Sebastian Kurz zusammen. Ab 2017 war er stellvertretender Kabinettschef von Sebastian Kurz als Bundeskanzler und Leiter einer neu geschaffenen Stabsstelle für strategische Kommunikationsplanung. Beim „Projekt Ballhausplatz“ hatte er die Aufgaben „Presse, Strategie, Wordings, Inseratenmanagement“.
Johannes F., Msc war von September 2014 bis Juli 2017 Pressesprecher im BMF. Dann war er Pressesprecher von Sebastian Kurz, zunächst in der ÖVP, dann im Bundeskanzleramt.
Der Plan und dessen Verwirklichung
Bereits während seiner Tätigkeit als Außenminister strebte Sebastian Kurz an, Bundesparteiobmann der ÖVP und Bundeskanzler zu werden. Mit seinen engsten Vertrauten, wie dem Parteiobmann der ÖVP-Landesgruppe Wien, Mag. Gernot Blümel und den engsten strategischen Beratern Dr. Stefan St., Mag. Gerald F., Axel M. und einigen wenigen weiteren Mitarbeitern entwickelte er Pläne und Strategien, zunächst als designierter und dann als gewählter Bundesparteiobmann die Führung der ÖVP zu übernehmen und in weiterer Folge die Position des Bundeskanzlers zu erlangen.
Diese Pläne manifestieren sich in den Strategiepapieren zum „Projekt BPO“ (Bundesparteiobmann) und zu dem mit der Adresse des Bundeskanzleramts bezeichneten „Projekt Ballhausplatz“. In diesen Papieren wird der Zeitpunkt der Übernahme der Funktion des Bundesparteiobmanns als „Tag der Übernahme“ bezeichnet. Das Ziel war, die ÖVP aus ihrem damaligen Umfragetief zu führen und in einem Nationalratswahlkampf die Kanzlerschaft zu erlangen.
Diese Strategiepapiere enthalten ein Konzept für eine finanzielle und thematische Neuausrichtung der Bundespartei ÖVP und für die Vorbereitung eines Wahlkampfs. Dafür benötigte man regelmäßig thematisch spezifische Umfrageergebnisse zur Einschätzung der aktuellen politischen Lage. Außerdem wollte man gezielt Umfrageergebnisse veröffentlichen, um die öffentliche und innerparteiliche Meinung zu beeinflussen.
Anfang 2016 zeichnete sich in Umfragen zur Präsidentschaftswahl ab, daß die von der SPÖ und ÖVP nominierten Kandidaten sehr schlecht abschneiden würden.
Der damalige Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ wurde parteiintern zunehmend in Frage gestellt.
Ein möglicher neuer SPÖ-Bundeskanzler wurde von Kurz als mögliche Gefahr für seine Pläne gesehen. In einer im März 2016 zu internen Zwecken eingeholten Umfrage wurde angegeben, daß die ÖVP mit Kurz um 15% bessere Wahlergebnisse erzielen könne, als mit dem damaligen Bundesparteiobmann, Vizekanzler Dr. Mitterlehner. Kurz konnte aber damit die Parteispitzenfunktionäre nicht vom Plan einer unter seiner Führung erfolgenden Neuwahl überzeugen.
Daher betrieben Kurz und seine Vertrauten die Durchführung ihrer Pläne nunmehr verdeckt. Die Realisierung ihres Projekts erforderte zusätzliche finanzielle Mittel für Umfragen, mit deren Ergebnissen die öffentliche und innerparteiliche Meinung beeinflußt werden konnte.
Da sie keine Parteigelder zur Verfügung hatten, benötigten sie eine verdeckte Finanzierung ihres Projekts. Dabei verwendeten sie nach den Angaben des Thomas Schmid das „Beinschab-Tool“. Die Marktforscherin Sabine Beinschab mit ihrer Firma Research Affairs erstellte Meinungsumfragen,
die in der Tageszeitung „Österreich“ veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse dieser Meinungsumfragen sollen zu Gunsten Sebastian Kurz verfälscht worden sein.
Bereits damals habe man als Gegenleistung über das BMF entgeltlich Inserate oder Beilagen in der Tageszeitung „Österreich“ veröffentlichen lassen.
Am 10. Mai 2017 trat Mitterlehner als Bundesparteiobmann der ÖVP zurück. Am 12. Mai 2017 hielt Kurz eine Rede, in der er für vorgezogene Neuwahlen eintrat.
Am 14. Mai 2017 wurde Kurz zum geschäftsführenden Obmann der ÖVP und am 01. Juli 2017 zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt. Bei der vorgezogenen Neuwahl am 15. Oktober 2017 wurde die „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ mit 31,47% stimmenstärkste Partei. Am 18. Dezember 2017 wurde die Regierung Kurz I angelobt.
Mit Übernahme des Bundeskanzleramts durch Kurz im Dezember 2017 wurde mit einer Änderung des Bundesministeriumsgesetzes, worin die Zuständigkeiten von Bundeskanzleramt und den Bundesministerien geregelt sind, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung beim Bundeskanzleramt zentralisiert.
Bereits im Wahlkampf 2017 hatten Mag. Gerald F. und Dr. Stefan St. sichergestellt, daß die Medienarbeit für Kurz und seine „neue ÖVP“ zentral gelenkt wird. Einerseits sollte so ein Gleichklang der Inhalte der externen Kommunikation gewährleistet werden, andererseits sollte auch die Inseratenvergabe zentral verwaltet und gesteuert werden. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Inseratenvolumina des BMF sprunghaft zu steigen.
Ab Ende 2017/Anfang 2018 mußten die von Bundesministerinnen und Bundesministern der ÖVP-geführten Ministerien dem Bundeskanzleramt die Inseratenbudgets und Inseratenschaltungen berichten, damit aus dem Bundeskanzleramt darauf steuernd eingegriffen werden kann.
Johannes F., Msc wechselte im Sommer 2017 vom BMF zu Kurz ins Außenministerium und wurde dessen Pressesprecher.
Zuständig für die zentrale Steuerung und Koordinierung der externen Kommunikation und der Inseratenvergabe war Mag. Gerald F.
Ziel dieser Zentralisierung war es, die Medienarbeit der Bundesregierung und die zu kommunizierenden Inhalte zu kontrollieren, die zu kommunizierenden Botschaften zu steuern, aktiv auf die thematischen Schwerpunkte der medialen Berichterstattung einzuwirken und so die mediale Wahrnehmung von und Berichterstattung über Kurz und die „Neue ÖVP“ zu steuern, dessen Projekte und die Umsetzung von Wahlversprechen sowie seine Person und die „Liste Sebastian Kurz – die neue ÖVP“ umfassend zu vermarkten“,
führt die WKStA aus.
Ziel der Inseratenverwaltung war es, über die von Bundesministerinnen und Bundesministern der ÖVP geführten Ministerien, darunter insbesondere das Finanzministerium, aus öffentlichen Geldern finanzierte Inserate und ,Medienkooperationen‘ in großem Umfang einzugehen und sich dadurch auch in den redaktionellen Teilen, insbesondere in den Medien der Mediengruppen Österreich, Heute und Krone eine wohlwollende Berichterstattung und die Abwehr von kritischen Berichten zu erkaufen und die politischen Erfolge von insbesondere Kurz und seiner „Neuen ÖVP“ aber auch der ÖVP-geführten Ministerien sowie der Bundesregierung auch im redaktionellen Teil zu vermarkten“,
nimmt man bei der WKStA als gewiß an.
„Darüber hinaus sollte durch umfassende Inseratenkampagnen und ,Medienkooperationen‘ auch in den aus öffentlichen Geldern bezahlten Inseraten die Tätigkeit der Bundesregierung, insbesondere zu Wahlversprechen von Sebastian Kurz, vermarktet und beworben werden“,
ist man sich bei der WKStA sicher.
Die Ermittlungen sind im Gange. Es gilt die Unschuldsvermutung (§ 8 StPO).
Aber der gegen Kurz & Co. bestehende Tatverdacht ist schwer und vielfältig.
Und es kristallisiert sich eine Organisation heraus, die von vornherein in beinhartem Machtkalkül skrupellos agiert hat und dabei von vornherein mit Halbwahrheiten, Lügen und manipulativen Inszenierungen operiert hat. Also im völligen Gegensatz dazu, daß sie „beste Absichten“ und besondere Redlichkeit vorgetäuscht hat.
Hoffnungen sind immer noch der billigste Kaufpreis für Wählerstimmen gewesen“, konstatierte Guido Zernatto in seiner Kritik an Parteipolitik (Guido Zernatto, Die Wahrheit über Österreich, New York 1938, 44).
Im Erzeugen von Hoffnungen sind Kurz & Co sichtlich skrupellos vorgegangen, um politischen Erfolg zu haben. Dabei haben sie sichtlich kein Interesse am Gemeinwohl gehabt, sondern an der Macht.
Ganz im Sinne einer negativen Wertung von Parteipolitik: „Eine politische Partei muß werben und um die Erhaltung und Vergrößerung von Macht bemüht sein. Politik ist für sie der Kampf um die Macht“ (Guido Zernatto, ibid. 59).
Die dabei erfolgende besondere Priorisierung von Propaganda ist kein Qualitätsmerkmal: „Die Reklame wirkt durch das Quantum, nicht durch die Qualität“ (Guido Zernatto, ibid. 176f).
Ernüchternde Details – „Wir können auch anders“
Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen ist sichtlich auch Eva Dichand als Herausgeberin der Tageszeitung Heute und als Ehefrau des Herausgebers der Kronen Zeitung nicht zimperlich vorgegangen.
Anfang 2017 habe sie sich bei Thomas Schmid beschwert, daß „Heute“ und die „Kronen Zeitung“ im Verhältnis zu „Österreich“ zu wenig Inserate des BMF erhalten und rechnete das detailliert vor.
Sie forderte ihn auf, das zu ändern, und sagte: „Wir können auch anders!“. Damit meinte sie wohl, daß die Berichterstattung in ihren Medien entsprechend schlechter ausfallen werde, wenn ihren Wünschen nicht entsprochen wird.
Kurz & Co fiel es nicht so schwer, Dichand zufriedenzustellen.
Dichand Mega auf Schiene“, konnte Schmid an Kurz im April 2017 berichten. „Die Dichands werden halten!! Bin mir sicher! Ich starte mit Eigentümern jetzt dann im BMF eine Stiftungsoffensive – alter Wunsch von Eva“,
berichtete Schmid zwei Tage nach Mitterlehners Rücktritt an Kurz.
Das Volumen an Inseraten des BMF vom zweiten Quartal 2017 bis 2021 betrug bei der „Krone-Gruppe“ EUR 6.430.000,00 und bei der „Heute-Gruppe“ EUR 5.063.000,00.
Entsprechend euphorisch gab man sich bei Kurz & Co:
„Bald werden auch die Hunde in der Krone Tierecke Kurz wählen.“ Den politischen Gegner, der das Manipulative an der Berichterstattung erkannte, verhöhnte man auch noch: „Kern ruft derzeit täglich im Stakkato bei den Dichands an. Beschwert sich massiv über Pandi und die Berichterstattung insgesamt und vor allem, dass du so gepusht wirst! Wehleidig!“.
Bei der nunmehrigen Sachlage stellt sich aber die Frage, wer nun am Ende Schmerzen erleiden wird.
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