Deutschland oder die Angst des Sklaven vor der Freilassung

Ein ehemaliger (?) österreichischer Geheimdienstler hat ein Buch geschrieben, das – obwohl verbindlich im Ton – einer scharfen Abrechnung mit den “Eliten” des nördlichen Nachbarn gleichkommt. polli_deutschland_coverIn “Deutschland zwischen den Fronten” zeichnet Gert Polli das Bild eines wirtschaftlichen Riesenlandes, dessen politische Klasse vor nichts mehr Angst hat als vor dem Ende jener Kuratel, unter die es vor 73 Jahren gestellt wurde. Vormund des willigen Mündels sind die Vereinigten  Staaten – aber nicht die USA Trumps, sondern die der Bushes, Clintons und Obamas.

Trump wirkt bisher eher wie ein genervtes Familienoberhaupt, dessen 30-jähriger Sohn mit Freundin im Hotel Mama wohnt und keinerlei Anstalten macht auszuziehen.

Trumps Vorgänger in Washington (und politische Todfeinde) mögen den Nesthocker mitunter auch als lästig empfunden haben, aber in ihrer Kosten-Nutzen-Rechnung überwogen die Vorteile.

Es ist ja auch nicht wirklich zutreffend, dass das “reiche Deutschland” primär ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer der Amerikaner gewesen wäre wie der heutige US-Präsident das darzustellen beliebt.

Deutschland ist seit sieben Jahrzehnten okkupiertes Territorium, das Besatzungskosten zahlt und militärstrategisch ein vorgeschobener Außenposten -  im Frieden.

In einer großén Konfrontation mit Russland wird es zum ground zero eines weltweiten Atomkriegs werden.

Deutschland war und ist freilich ein privilegierter Sklave des Imperiums, dem es unter seinem Meister gut geht – so wie die griechischen Hauslehrer römischer Patrizier bevorzugte Leibeigene waren, die mit den Sklaven in den Minen nur wenig gemeinsam hatten.

Diese Nobel-Unfreien, die der kultivierte Römer zur Belohnung langer treuer Dienste oft frei ließ, sagten sich wohl vor, dass sie ja eigentlich Familienmitglieder seien – so lange, bis der zehnjährige Sprössling aus Wut über eine vermeintliche Ungerechtigkeit seinen Hauslehrer erdolchte  (was juristisch keinen Hund hinter dem Ofen hervor lockte).

Was Germany betraf, konnte dieses lange und vielseitig als nützliches Faktotum eingesetzt werden – in dem man z.B. im Berliner (Bonner) Außenministerium Versuchsballone aufsteigen ließ oder man dort, wo Geld ausgegeben werden musste, die Deutschen zum Zahlen vorbeischickte. 

Kaum sonstwo war die lokale politische Klasse serviler, nirgendwo das Besatzungs-Umfeld kommoder.

Willfährige Diener ihres Herren

Die nach 1991 verbliebenen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, wenigstens die USA, haben in nicht-öffentlichen Verträgen umfangreiche Sonderrechte der Vergangenheit bis weit in die Zukunft ausgedehnt – 2+4-Vertrag hin oder her. 

Es hat schon seinen Grund, warum die amerikanischen Dienste gerade Deutschland als Angelpunkt für ihre Spionagetätigkeiten auserkoren haben. Sie können sich, wie auch die in Deutschland stationierten alliierten Truppen, auf vertraglich abgesicherte Rechte berufen, die sie der deutschen Rechtsprechung entziehen. Selbst deutsche Firmen, die sich im amerikanischen Auftrag mit der Beschaffung von Informationen befassen, wurden von Bundesregierung mit diesen Sonderrechten ausgestattet.”

Dieser Umstand wird von den deutschen Politicos und ihren medialen Wurmfortsätzen als Verschwörungstheorie verunglimpft oder mit Schweigen übergangen.

Polli schreibt es, weil es eine (diesfalls wirklich) offenkundige Wahrheit ist.

Polli berichtet auch, dass NSA & CIA umfangreiche Wirtschaftsspionage gegen deutsche Firmen betrieben – und zwar auf zweierlei Weise:

  • erstens wohl die klassische Wirtschaftsspionage, von der man nicht mehr sagen könne, als was sich aus einem von Edward Snowden veröffentlichten Interessensprofil der NSA erschließt,
  • zweitens aber die gezielte Bespitzelung von Konzernen,

die ihre Aufträge entweder durch Bestechung oder andere unlautere Methoden akquirieren. (…) Eine Vielzahl von europäischen Unternehmen sind dieser Praxis zum Opfer gefallen, ohne dass ihre Regierung hinter ihnen gestanden hätte. Eine geradezu geniale Strategie (…)  Eine Vielzahl deutscher Unternehmen wurde so aufs Korn genommen, wobei die amerikanische Börsenaufsicht SEC oder das US-Justizministerium hier als ‘Frontorganisation’ in Erscheinung treten.”

Siehe u.a. Siemens-Schmiergeldaffäre, VW-Dieselgate, etc.

Ähnlich wie Steuerzahler und Euro-Nutzer Deutschlands (wie dieser Blogger fest stellt), können auch die Unternehmen keinen staatlichen Schutz vor Lauschangriffen von Geheimdiensten erwarten.

Gemeinsam mit dem Mittelstand ist die Masse der deutschen Industrie bei der Abwehr von Wirtschaftsspionage auch aus dem Netz auf sich alleine gestellt.”

Das ist einerseits so, weil deutsche Politicos i.d.R. charakterlose Quislinge und Liebediener eines Besatzungsregimes sind, das sich überlebt hat (was nicht die Worte Pollis, sondern welche dieses Bloggers sind).

Das zeigt sich nicht zuletzt in der achselzuckenden, höchstens peinlich berührten Reaktion der deutschen Regierung auf die Snowden-Enthüllung, die NSA hörte das Telefon der Kanzlerin ab (peinlich berührt deswegen, weil dieser “russische Spion” das Faktum öffentlich germacht hat). 

Das hat sich auch so ergeben – und das ist ein wirklich entschuldigender Umstand -, weil sich die US-Dienste 9/11 zunutze gemacht haben, um im Zug des Kriegs gegen den Terror die Weltherrschaft des Imperiums besser  zu verankern – beispielsweise durch das weaponizing des Finanzsystems.

Schon der Patriot Act, sechs Wochen nach dem 09/11 Anschlag von beiden gesetzgebenden amerikanischen Versammlungen verabschiedet, hat wie kein anderes im Lichte des Terrors verabschiedete Gesetz ganze Branchen gleichgeschalten (…) Wirklich revolutionierend war die Wirkung dieses Gesetzes auf das Bankensystem und auf die Kontrolle des weltweiten Geldflusses über das SWIFT-System. Obwohl die EU und die USA einen Vertrag über den Austausch solcher Daten abgeschlossen hatten, hinderte das die NSA nicht, das SWIFT-System zu knacken. Fortan waren die USA in der Lage, die weltweiten Transaktionen zu kontrollieren.”

Resistance is futile”,

könnte man das große Bild beschreiben, um die Borgs zu Wort kommen zu lassen.

Und, wäre man die deutsche Regierung, könnte man sich sehr wohl mit der Wirkung einer alles überwältigenden Übermacht verteidigen, wenn ….

wenn es im Lauf so vieler Dienstjahre wenigstens einen dokumentierbaren Vorgang gäbe, dass versucht wurde, der scheinbaren Übermacht der Borgs Widerstand entgegenzusetzen.

Gert R. Polli, Deutschland zwischen den Fronten. Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird. 2017, 20,60 Euro (in Österreich), erhältlich beispielsweise hier oder hier.

Nachbemerkung, 29.9.2018, 03.00 Uhr: Polli lässt nirgendwo erkennen, dass er sich des energetischen Flaschenhalses bewusst ist, vor dem die Menschheit steht.

Das kann sein, um “nicht zusätzlich Schlamm aufzuwühlen, der das Wasser trübt” – eine intentionale Entscheidung.

Oder es ist ein Zeichen, dass selbst fortgeschrittene epistemische Gemeinschaften manche Probleme nicht erkennen können, wenn sie ihnen vor der Nase baumeln.

Unabhängiger Journalist

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