Matthias Weik und Marc Friedrich haben den zweijährlich erscheinenden Bestseller vorgelegt. Er heißt diesmal Kapitalfehler. Zentrale These ist, dass der Finanzkapitalismus die Marktwirtschaft bei realen Gütern und Dienstleistungen schädigt (die oft als “Kapitalismus” bezeichnet wird). Bingo. Ihr Rezept ist mehr Regulierung und damit fordern sie, was alle forderm. Wie wär’s, zur Abwechslung unternehmerisches und finanzielles Scheitern zuzulassen und jenen, die weder investieren noch zocken wollen, ein zuverlässiges Sparmedium anzubieten ?
Wie immer steht viel Treffendes – und routiniert-elegant Formuliertes – im Buch von Weik & Friedrich. Sehr viel Treffendes. Man kann es gar nicht alles aufzählen. Am besten hilft Selberlesen gegen dieses Problem. Die Gegenüberstellung von Griechenland und Island ist z.B. etwas, das man gelesen haben solllte.
Weil dies aber eine Besprechung ist (und ich für mein Rezensionsexemplar noch etwas leisten muss), seien beispielartig drei weitere, wohl zutreffende Urteile aufgezählt:
- Die Gesamtverschuldung im System sowie die Ungleichheit bei den Vermögen steigen stetig an und das ist auf die Dauer nicht haltbar/politisch hinzunehmem. Die Probleme können nicht unendlich auf die lange Bank geschoben werden.
- Die Null-/Negativzisen der Zentralbanken und das von diesen (und den Politicos) forcierte Bargeldverbot zielt auf eine Expropriation jenes Teils des Volks ab, der Finanzvermögen angesammelt hat und
- Peak Oil ist keine (schon gar nicht windige) “Theorie”, sondern ein Faktum, von dem man nur noch nicht weiß, wann und wie es sich manifestiert. Grundsätzlich gehen Weik & Friedrich davon aus, dass die Menschheit mit knappen Ressourcen leben muss und dass das zur condition humaine gehört, die durch die erfinderischsten Erfinder und die fähigsten Manager nicht verändert werden kann. Eine solche Feststellung klingt banal-selbstverständlich, ist es aber nicht.
Um nicht wieder ständig vom Crash zu reden und keinen Fatalismus zu verbreiten schlagen Weik und Friedrich vor, was alle meinen, was angeblich aber nicht oder zu wenig umgesetzt wird: Kontrolle, Verbote & Co.
Repression von Finanzmärkten und Wirtschaftssubjekten
Dabei nehmen die beiden Autoren auch beim WIFO-Schulmeister eine Stunde (ab S. 170) – und merken nicht, dass die G’schichtln, die der Herr Lehrer druckt, so nicht stimmen und dass deren plot auf jener finanziellen Repression fußt, gegen die sie ansonsten so engagiert anrennen (z.B. ab S. 21).
Schulmeisters Doktrin stellt vielleicht gar nicht dessen alleinige Geistesfrucht dar und wird von diversen monetären Behörden gerade experimentell überprüft – wobei die gesamte westliche Welt Labor ist.
Bis die dortigen Experten herausgefunden haben, dass negative Zinsen, stagnierende Aktienmärkte und Goldpreismanipulationen kein Erfolgsrezept für die Realwirtschaft sind, können freilich noch etliche Jahre ins Land ziehen. Aber das ist diesen Burschen egal, denn sie haben reichlich Zeit, während der fette Gagen auf ihrem Gehaltskonto eintrudeln.
Weik & Friedrich wolllem die (Wieder)Einführung des Trennbankensystems und das klingt realistisch-vernünftig. Die Erhöhung der Eigenkapitalpolster ist ebensowenig originell, doch auch das ist nur reformerisch-vernünftig.
Aber an diesem Punkt fängt das Zwielicht bereits an, eines namens central banking.
Die Notenbanker (und deren Freunde) mit der Beaufsichtigung der Finanzmarktakteure zu beauftragen ist, als würde man Jack the Ripper an die Spitze einer Kommission zur Aufklärung von Prostituiertenmorden setzen.
Die Zentralbanken sind nämlich jene, die mit ihrer nicht-konventionellen Geldpolitik
- die sukzessive Enteignung und Verarmung jener betreiben, die über etwas Finanzvermögen verfügen. Die Zentralbanker sind jene Nieten im Nadelstreif, die
- mit den physischen Goldreserven der westlichen Staaten den Verschwindibus gemacht haben und die glauben, sich über die Hinzufügung zweier Worte in den Jahresbilanzen absichern zu können (“und Goldforderungen”). Schließlich haben es diese Leute geschafft,
- den (sichtbaren) Zusammenhang zwischen ihrer Geldschöpfung und der Verbraucherpreisinflation zu brechen, wenigstens im Dollar- und Euroraum. Wie sie das anstellen und welcher genaue Preis dafür anfällt, weiß ich nicht. Aber es funktioniert halbwegs, mit ein bisschen Hilfe von ihren Spezis in den Statistikämtern.
Auch wenn es nicht immer so aussieht – unsere Politicos und diese Leute spielen in ein- und derselben Mannschaft. Zum Beispiel helfen die ZBs
- den Politicos bei der Staatsfinanzierung (Bondkäufe, Zinsdrückung, Goldmanipulation) sowie bei
- der geräuschlosen Ausplünderung der Bürger und – allgemein gesprochen – bei der
- Herstellung des gesamten schönen Scheins. Die Geldwertstabilität, die sie erzeugen, ist eine bloß virtuelle, die auch noch zu Lasten eines Teils der Bevölkerung geht. Ähnliches gilt für ihre Finanzmarktstabilität.
***
Für das westliche System gibt es nun drei Möglichkeiten.
Die erste besteht darin, die finanzielle Repression fortzusetzen, in der Hoffnung, die Fünfziger- und Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts mit ihren Wachstumsraten wieder heraufbeschwören zu können. Das ließe sich im Prinzip auch mit der überfälligen Ablöse des US-Dollars durch eine künstliche Reservewährung unter der Fuchtel des IWF vereinbaren (“SDR”).
Die Narren aus der 19. Straße in Washington glauben sowieso, weltwirtschaftliche Ungleichgewichte wegverhandeln bzw. ein Equilibrium herbeiplanen zu können und das ist ein lupenrein sozialistischer Gedanke, der jede Menge Gängelung notwendig machte (bis ganz nach unten).
Wenn’s blöd hergeht, dauert es noch ein paar Jahrzehnte bis diese Planwirtschaft mit ihrem Latein am Ende ist.
Wenn es, zweitens, zu einem harten Reset kommt, fließt in Kriegen ünd Bürgerkriegen erst jede Menge Blut, ehe ein neues Geldsystem auf einem Metallstandard, vermutlich bimetallischer Natur eingeführt wird.
Das ist für die Wenigsten eine wirklich komfortable Option: Die da unten kriegen keinen Kredit und keine Sozialleistungen mehr und die da oben haben nicht ausreichend Geld zum Kriegführen. Verdammt aber auch !
Die dritte Option bestünde im Versuch eines gemanagten Übergangs auf ein System mit Gold und fiat money.
Das wäre etwas völlig Neues, bei dem man beiden Seiten etwas geben könnte – den Kreditnehmern und den Sparern, den Staaten und den Unternehmern. Dieses fiat money wäre ehrliches Geld, weil es nicht mehr vortäuschen würde, was es nicht ist (und weil es gar kein Geld im bisherigen Sinn mehr wäre).
Der dritte Weg ist eine lange und ziemlich verzwickte Geschichte, die hier nicht erzählt werden kann (wer Englisch kann, ist im Vorteil). Vielleicht hätte ein solches System auch Kinderkrankheiten. Besser als die Regulierung über notorische Schlitzohren wäre es aber allemal.
Matthias Weik & Marc Friedrich, Kapitalfehler. Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen. Köln 2016. 19,90 Euro (D)
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