Karin Kneissl, eine im Nahen Osten aufgewachsene Wienerin, begutgachtet in ihrem jüngsten Buch die sg. Mobilitätswende, worunter rein technisch die Abkehr von Internen Verbrennungsmotoren bei gleichzeitiger Beibehaltung der individuellen Massenmobilität der vergangenen Jahrzehnte verstanden wird. Obwohl sie an gängigen “Meta-Narrativen” wie z.B. dem CO2-Warmismus und ungebrochener Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen fest hält, gebricht es Kneissl doch an Glaubens-Festigkeit bezüglich der Energiewende und den dabei protegierten Mobilitätsformen, sodass sie wenigstens von einer Verzögerung, wenn nicht gar einem Abortus dieser Wende ausgeht.
Für Politicos und Journaille eignet sich die Autorin gleich aus mehreren Gründen als Bösewichtin, z.B. weil
- sie Außenministerin in der jüngsten schwarz-blauen Koalition in Wien war,
- weil sie damals (neben HC Strache) Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hat,
- und sich die Russen nach ihrem Abgang aus der Politik (auf für sie zweifelhafte Weise) revanchiert haben könnten – durch ein Aufsichtsratsmandat bei Rosneft und eine Kolumnistenstelle bei RT (beides bringt wohl nicht einmal die Butter aufs Brot).
“Zweifelhaft” deswegen, weil die Ruskis womöglich nicht gekriegt haben, was sie glaubten einkaufen zu können
und weil die Kneissl habituell gegen den Stachel löckt und anscheinend schlecht als Befehlsempfängerin taugt (was schon für das zuvor von Bundesbasti besetzte Ressort gegolten hat).
Das blitzt momenthaft auch in ihrem Buch auf, beispielsweise durch
- die patzige Thematisierung eigentlich ohnedies offen zutage tretender “Unzulänglichkeiten & Nebenwirkungen” intermittenter Erneuerbarer (Wind, Solar-PV), die üblicherweise verschwiegen oder bemäntelt werden (die Autorin spricht vom “unterschätzten Blackout”);
- ihre mehrfache Weigerung in den alt bekannten Chor der Batterieauto-Hypster einzustimmen;
- die (korrekte) Kennzeichnung des aktuell-pandemischen Status quo als “gobale Depression”, die auf den Finanzmärkten (noch) von einer überdimensionierten Tech-Blase begleitet wird sowie
- die Anerkennung der Existenz eines sozusagen autochthonen “Widerstands von unten” gegen Mobilitätswende und beigeordnete Maßnahmen (“in jedem Auto liegt eine gelbe Weste”). Die Schmieranten im Mainstream tendieren eher dazu, derlei “Kritiker” als Verrückte & Rechtsradikale zu verunglimpfen.
Mit diesen Einsichten ist die Kneissl, was dieser Blogger als “epistemischen Mischcharakter” bezeichnet – jemand, der weder ganz richtig, noch völlig falsch liegt (also oft jemand wie du und ich).
Dies anerkannt habend, kann man die Autorin kaum anders denn als Volksrepublik-Adorantin bezeichnen, als Bewundererin des chinesischen industriepolitischen Kurses, der, wie sie glaubt, sich in den nächsten Jahren auf Weltebene durchsetzen wird,
wohl inklusive der Ablöse der USA als globaler Hegemonialmacht und Emittentin der Weltreservewährung.
Doch eine Arschkriecherin?
Wie viele andere in der hiesigen politischen Klasse bewundert auch Kneissl die angebliche oder wirkliche Effizienz des autoritären Kapitalismus-Modells aus Fernost und scheint bereit, die extrem Kredit getriebenen vergangenen zwei Jahrzehnte der Volksrepublik linear zu extrapolieren.
Während die Autofabriken in den USA und Europa immer mehr zu Museen degenerierten, lieferten die Festlands-Chinesen ein Sequel zur japanischen Autoindustrie der 1980er,
übernähmen weltweit die Technologieführerschaft und würden künftig im und für das subsaharische Afrika Autos produzieren (“designed in China, assembled in Africa”).
Nun lässt sich einiges gegen diesen Ausblick einwenden, der in mancher Hinsicht das Prädikat Klein-Maxi-Denke verdient.
Der wohl wichtigste Vorbehalt dagegen ist die Tatsache, dass China nicht über die nötigen Ressourçen an dichter Antriebsenergie verfügt und sich diese kaum durch Importe aus Russland, dem Iran oder eben Afrika verschaffen kann
- jedenfalls nicht in ausreichendem Ausmaß.
China hat sein rasantes Wachstum während der vergangenen 20 Jahre durch eigene Kohle sowie mit einer Verdrängungspolitik am Weltmarkt für Erdöl angetrieben
- sein Kohleeinsatz hat mittlerweile allerdings ein Plateau erreicht und Erdöl ist eine traurige Geschichte sui generis (die eigene Förderung von in der Spitze 4 mbd geht übrigens bereits zurück)
- und auch die erschöpften Felder persischer Lieferanten und selbst der Saudis werden die Saga vom globalen Siegeszug des chinesischen Drachen nicht retten
(für chinesische Marken mit Elektroantrieben gelten natürlich dieselben technischen und infrastrukturellen Caveats wie für westliche EVs).
Mehr haben da schon die Russen in die Waagschale zu werfen, die anscheinend noch immer viel mehr Öl und 1,2 Mrd. Mäuler weniger zu füttern haben. Ähnliches gilt für die USA.
Die Peak Demand Fallacy
Nun hängt die Kneissl nach eigenem Bekunden eher dem Ansatz von Peak (Oil) Demand als jenem von Peak Oil (Production) an, was in diesem Zusammenhang eine interessante Aussage darstellt.
Besonders pikant wird diese Gedankenfigur, wenn angelegentlich vergessen wird, welche Akteure die sinkende Nachfrage entscheidend beeinflussen, zum Beispiel in der EU:
- nämlich staatliche und suprastaatliche Entitäten: Mitgliedsländer, EU-Kommission etc.
Wie bekannt, werden Öl und dessen Produkte fast ausschließlich zu Transportzwecken verwendet und der Betrieb von internal combustion engines neuer Fahrzeuge bedarf der Zulassung,
die in der Union vorgeblich aus Klimaschutzgründen schon bald nicht mehr erteilt wird (die EU will das Stichdatum auf 2035 vereinheitlichen).
Dieses vorgebliche phasing out ist ein de facto-Verbot, das natürlich schon vorher Auswirkungen auf die Nachfrage von Benzin, Diesel & Co. haben wird
(ebenso wie die wirtschaftliche Depression durch die “Maßnahmen” unseres sich demokratisch nennenden Polit-Gesindels).
Wer plumpe Verbotspolitik wie diese unter Peak Demand subsummiert, mystifiziert gewaltig
( – und um unseren CO2-Wachlern zuvorzukommen: der gesamte Transportsektor der Union inkl. LkW stellt ca. ein Viertel aller EU-Emissionen, also rund zwei Prozent des Welt-Ausstoßes – was soll das Geschnatter also?).
Analoges gilt natürlich für die deutschen Autokonzerne, die nicht die Allein- und nicht einmal die Hauptschuldigen an ihrem Elend sind, wie Kneissl das darzustellen beliebt:
Ja, VW hat bei seinen Abgaswerten gemogelt (“Dieselgate”) und ja, die deutschen Autokonzerne sind spät dran, eine angeblich zukunftsorientierte, in Wahrheit aber tödliche Modellpolitik zu übernehmen
- die Hauptschuldigen für das Desaster der deutschen Autoindustrie (und deren österreichischen Zulieferern) sitzen aber in Brüssel, das
- technisch nicht machbare Emissionswerte erlassen und damit
- eine selbstmörderische Modellpolitik provoziert hat (die die Journaille natürlich enthusiastisch begrüßt).
Dass sich – davon unabhängig – das im Westen während der vergangenen 80 Jahre dominierende Modell der individuellen Massenmobilität per PkW überlebt hat, steht auf einem anderen Blatt.
Karin Kneissl, Die Mobilitätswende und ihre Brisanz für Gesellschaft und Weltwirtschaft. 2020
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