Während ein prononçiert schlechtes Vergleichsjahr 2021, ein norwegischer Blitzstart in die Liefersaison sowie die Bereitschaft Deutschlands, eigenes Gas mit anderen “antirussischen Frontstaaten” zu teilen, für den Eindruck gut gefüllter Speicher sorgen, laufen von der Öffentlichkeit unbemerkt die Vorbereitungen auf Beschlagnahme und Rationierungen auf Hochtouren. In Österreich ist das Konfiskationspotenzial besonders hoch, wenngleich “nicht nachhaltig”.
Der Glaube, EU-Europa könne ohne russisches Erdgas auskommen ohne drastische Abstriche in Industrieproduktion, bei der Raumwärme im Winter sowie der Stromerzeugung hinnehmen zu müssen, ist nach Meinung dieses Bloggers ein Hirngespinst, das durch die gegenüber 2021 verbesserten aktuellen “relativen Speicherstände” freilich eine gewisse Plausibilität gewinnt.
Die folgende, vier Jahre zurück reichende Tabelle zeigt,
- gegenüber 2021 verbesserte “relative Speicherstände” an der nördlichen Flanke sowie im Mittelabschnitt der NATO,
- aber weiterhin Mangelsituationen und Defizite bei “geopolitisch unsicheren Kantonisten” (Ungarn), aber auch an sich linientreuen NATO-Staaten, die für norwegisches Gas zu weit südlich liegen (Italien).
- Interessant ist, dass das formal neutrale Östereich bei der norwegischen Frühjahrs-Bonanza 2022 offenbar “mit naschen” durfte – so wie Tschechien und die Slowakei..
Die Speicherstände von AGSI-Europa sind in TWh jene von vorgestern, Samstag, sowie die Stände des gleichen Gas(Kalender-)Tags in den Jahren 2021, 2020 und 2019.
Das sich (vorübergehend) ergebende Bild ist – wie gesagt – kontraintuitiv, speziell für Leute, die unter dem Eindruck laufender Schlagzeilen über russische Liefereinschänkungen stehen.
Einereits dürften die Verbesserungen gegenüber 2021 – dort, wo sie stattgefunden haben – mit eben den norwegischen Pipeline-Lieferungen und marginal wohl auch mit mehr LNG zu tun haben (derzeit ein Plus ggü. 2021 von ca. 2-3 Mrd. Kubikfuß pro Tag, was nicht allzu viel ist).
Die aktuellen Speicherstände in den Niederlanden und Polen lassen kaum eine andere Erklärung zu als brüderliche Hilfe aus der Nachbarschaft.
Im größeren (langjährigen) Bild freilich zeigt sich ganz allgemein nicht einmal eine Rückkehr zum Status Quo der Normaljahre vor 2020. Dort, wo die Verbesserung gegenüber 2021 betont wird,
ist die plausibelste Erklärung noch eine “Informationsoperation”,
die darauf abzielt, europäische “Entscheidungsträger” von der Gewinnbarkeit oder bloß Gangbarkeit eines Kriegs gegen Russland zu überzeugen.
2022 | 2021 | 2020 | 2019 | |
AGSI-EU | 613 | 514 | 891 | 785 |
D | 144 | 96 | 212 | 196 |
NL | 72 | 41 | 101 | 98 |
F | 79 | 60 | 101 | 86 |
PL | 35 | 22 | 23 | 23 |
A | 42 | 28 | 84 | 74 |
H | 27 | 45 | 54 | 42 |
SK | 21 | 20 | 36 | 21 |
I | 108 | 128 | 152 | 136 |
Das österreichische Bild
Die Republik Österreich, die in den ersten Wintermonaten zu einem Trio Infernal mitteleuropäischer Staaten mit katastrophal niedrigen Speicherständen gehörte, weist aktuell einen um fast 50% höheren “relativen Speicherstand” wie vor einem Jahr aus – aber noch immer deutlich weniger als vor 2020.
Aktuell wird im AGSI ein österreichischer Speicherstand von umgerechnet 42 Terawattstunden vermeldet, wobei nur ein kleiner Teil davon in irgendeiner Form der OMV oder der RAG “gehört”.
OMV und RAG, die beide öffentliche Kernaktionäre haben, betreiben aber professionelle Speicher, in denen große industrielle Verbraucher ihre Gasbestände lagern.
Weiter westlich, in Haidach und den sg. 7 Fields, sind große deutsche Speicherbetreiber tätig, die hauptsächlich für deutsche Kunden lagern.
Hier ein Screenshot der an AGSI gemeldeten Verteilung der hiesigen Speichermengen. Haidach und 7 Fields sind (noch) nicht an die Gas-Regelzone Ost angeschlossen.
Laut Richard Schmitt von der neuen Boulevardzeitung Exxpress, gehören nicht einmal 20 Prozent des der E-Control gemeldeten Erdgases – umgerechnet rund 7,5 TWh – einer (quasi) öffentlichen Firma.
Das mag stimmen und könnte vom ungenannten Informanten des Journalisten als beruhigend empfunden werden.
Was es freilich nicht ist.
In der dritten und letzten Stufe des Gas-Notfallsplans können – und werden – die aus Wien regulierten privaten Bestände nämlich offen oder weniger offen verstaatlicht werden
- die bis Puchkirchen (RAG) zunächst einmal sicher und wahrscheinlich auch die weiter westlich liegenden
(möglicherweise kommt es hier zu einer mit Berlin verhandelten “Aufteilung der Beute” – schließlich dürfte es sich hier hauptsächlich um deutsches Gas handeln).
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