Getürmt

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Spindelegger, Kaiser, Spindeleggers Ex-Chef (v.r.n.l.)

Der österreichische Vizekanzler ist zurückgetreten. Michael Spindelegger hat uns damit gesagt, dass er keine Schuld trägt. Der Ball ist wieder dort, wo er beim Ankick, am Beginn der Zweiten Republik gelegen ist. Mitterlehner ist das bessere Symbol für das Scheitern unserer demokratisch legitimierten politischen Führer, rechter Flügel.

Die Zeitungen sind alle der Meinung, dass Spindelegger “zurückgetreten worden ist”,  weil ihn die seiner Partei angehörenden Landeshauptleute nicht mehr mochten und weil es für die Umfragewerte der ÖVP nur eine Richtung gibt: nach unten.

Das ist, zugegeben, ziemlich plausbel. Die These passt in alles, was über die ÖVP öffentlich bekannt ist und wie man sich vorstellt, dass die Schwarzen ticken. Jetzt ist halt wieder der Wirtschaftsbund dran. Der hat seit Schüssel nicht mehr gedurft (wenn man von der wirklich bombigen Besetzung des Finanzministeriums mit der Fekter absieht).

Ich kaufe die so stichhaltig klingende Erklärung aber nicht.

Ich glaube, dass Spindelegger getürmt ist, wie das in der Gaunersprache heißt. Getürmt, wenn auch auf formvollendete Weise, sozusagen wie ein Offizier und Gentleman.

Der tiefere Grund für den Abgang des Vizekanzlers liegt in dem, was er in den ersten zwei Minuten seines Rücktrittsstatements gesagt hat. Dass man jetzt keine Steuerreform machen könne, weil man diese auf Kredit oder mit Steuererhöhungen finanzieren müsste und dass man die Kredite nicht mehr erhöhen könne und die Staatsschulden abbauen müsse, weil sonst die künftigen Generationen, etcetc.

Ernsthaft – ich nehme ihm das ab, aber auf eine andere Weise als ihm wohl lieb ist.

Der Mann kann nicht so treudoof sein, dass er wirklich glaubt, dass zwei oder drei Milliarden mehr Defizit heutzutage noch irgendeinen Unterschied machen und dass die 250 Milliarden Bundesschulden zurückgezahlt werden können. Er glaubt das so wenig wie Faymann glauben kann, dass eine Steuerreform Wachstum bringt.

Spindelegger weiß, dass diese Schulden selbst bei der vorbildhaftesten Budgetdisziplin und bei den nullesten Nullzinsen nicht regulär zurückgezahlt werden können. Sie können nicht einmal mehr relativ verringert werden, also in Bezug auf das BIP. Für so etwas benötigte  man Wirtschaftswachstum und das ist zwar gut, aber aus.

Das Männchen in meinem Ohr behauptet, dass Spindelegger sogar Bescheid weiß, unter welchen Umständen die 250 Milliarden entsorgt werden. Zutrauen tue ich ihm ein solches Wissen schon. Der Mann ist in seinen Kreisen besser vernetzt als der Bundeskanzler in den seinen, dieser Bub, der  es immerhin geschafft hat, sich aus Minimundus wieder nach Hause durchzuschlagen. Ganz allein.

Warum sagt Spindelegger dann solche Sachen, obwohl er weiß, dass sie Fiktion sind ? Sein Glaube stellt Lügen unter Strafe.

Weil er damit demonstrieren will, “dass ich nicht schuld bin”. “Wenn es nach meinen  Plänen gegangen wäre”, sagt er uns gewissermaßen, “hätten wir das Kind schon geschaukelt. Nullo Problemo. Wir wären ja auf einem guten Weg gewesen.” “Meine Partei und ich sind an der fiskalischen Diszipilnlosigkeit unseres Koalitionspartners gescheitert.”

Das ist so natürlich Quatsch, aber die ÖVP und Spindi brauchen ein Alibi. Dringend.

Spindelegger weiß, dass irgendjemand – nicht der “Markt” – dafür sorgt, dass die Zinsen weiter sinken werden und dass trotzdem immer genug Käufer bei den Staatsschuldenauktionen da sein werden. Bis zu dem Punkt, an dem diese verborgene Macht ihre segensreiche Tätigkeit einstellt, einstellen muss. Das kann nicht mehr allzulange dauern.

Ich muss mich übrigens korrigieren. Spindelegger braucht die Ausrede nur für sich selbst.

Die ÖVP hat den Punkt überschritten, an dem Ausreden noch einen einen Sinn machen. Von den (fast) 70 Jahren des Bestehens der Republik hat die Volkspartei das Land 55 (mit)regiert und es dorthin getrieben, wo es heute steht: im Eck.

Es ist historisch gesehen daher absolut gerecht, wenn ÖVPler nun auch die Abwicklung vollziehen dürfen/müssen. Nicht ein dahergelaufener ÖAABler, der als Randgruppen–ÖVPler ja so etwas wie ein  schwarzer Schimmel oder weißer Rabe ist.

Nein, ein Enkel von Julius Raab. Ein Bauernbündler hätte auch gepasst, aber Wirtchaftsbund ist besser, weil repräsentativer.

Mitterlehner wird ein Hauptbeweisstück für das Elend der demokratisch legitimierten politischen Eliten. Anhand dieser politischen Figur lässt sich großartig demonstrieren, dass die Pompfüneberer von heute zu einer der beiden Cliquen gehören, die die Zweite Republik vor zwei Generationen aus der Taufe heben durften.

Foto: Österreichisches Außenministerium, Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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