Ulrich Vosgerau, ein Verfassungsrechler, hat über die Demontage des deutschen Rechts- und Verfassungsstaats geschrieben, die von einer Allianz angeblich wohlmeinender Politikmacher und Journalisten betrieben wird. Erst erfolgte das über die langsame Aushöhlung bestehenden Rechts, danach über die Grenzöffnung vom September ’15, einem Putsch von oben. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen hat nichts an der schleichenden Entmachtung national verfasster Sozialstaaten geändert.
Der Staatsstreich, den Vosgerau analysiert, ist ein gewissermaßen kalter und atypischer – der nicht in die bekannten Bilder von Panzern in der City und besetzten Rundfunkanstalten passt.
Die Junta, der politisch-mediale Komplex, ist seit langem am Ruder und eigentlich auch durch demokratische und rechtsstaatliche Mechanismen ebendorthin gelangt.
Ein Ziel des Machtkartells, das sich als Vollstrecker weltgeschichtlicher Entwicklungen versteht, scheint die Auflösung des deutschen Staatsvolks zu sein (um einen ironischen Sager Bert Brechts zu paraphrasieren)
- und die flankierenden Maßnahmen, die dabei ergriffen werden, reichen vom Zensurrecht des 21. Jahrhunderts (“Netzwerkdurchsetzungsgesetz”) bis hin zu diversen Mechanismen sozialer Kontrolle, die eines totalitären Staates würdig sind.
Der Autor, ein ausgewiesener Kenner der jüngeren Rechtsgeschichte, verfolgt die Metamorphosen des Asyls nach dem Zweiten Weltkrieg – von der Erklärung der Menschenrechte 1948 über die Genfer Flüchtlingskonvention und die laufenden Interpretationen des Bundesverfassungsgerichts bis hin zum subjektiven Recht des Einzelnen heute (“deutscher Sonderweg”);
über den “Asylkompromiss von 1992/93″, der eigentlich unterbinden hätte sollen, dass Hunderte Millionen aus aller Welt ein Zufluchtsrecht in Deutschland in Anspruch nehmen konnten und der den Verfahrensanspruch nach Art. 16 des Grundgesetzes auf jene beschränken sollte, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisten;
über die Überformung der nationalstaatlichen Gesetze durch die geschriebenes, gesprochenes und gefühltes Recht aus Brüssel, Straßburg und Luxemburg – zugunsten Versorgungssuchender aus Westasien und Afrika (aber zu Lasten der Bürger und der Wohnbevölkerung Deutschlands);
über die frühe Umgehung der europäischen Flüchtlings-Verordnungen – Recht, das die Bundesrepublik die keine Armutsgrenze in der Nachbarschaft hatte, eigentlich begünstigt hätte.
Umgehung der Dublin-Verordnungen
Doch die “reichen Deutschen” nahmen den ärmeren EU-Grenzländern die Asylwerber sowieso ab,
mit Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle und (bislang) ohne durchgreifenden Protest etwa der öffentlich-rechtlichen Hochschullehrer.”
Beide Seiten wussten, dass die Migranten ohnedies nicht an einem Verbleib z.B. in Griechenland interessiert waren und beide ignorierten geltendes Recht, das bis heute vorsieht, dass Anträge in jenem Land gestellt werden, in dem zuerst EU-Boden betreten wurde (theoretisch).
Das war der Anfang vom Ende des Systems nach Dublin.
Dessen sichtbares Ende begann erst im Herbst 2015, wobei sich ausgerechnet das vielgeschmähte Orbán-Ungarn
völlig europarechtskonform (verhielt) … Er (Orbán) ließ nämlich den ankommenden Migranten eröffnen, sie hätten sämtlich in Ungarn zu verbleiben und ihre Asylanträge dort zu stellen, sie würden zu diesem Zweck in entsprechende Auffanglager verbracht und würden dort dann auch mit Essen, Getränken und im Bedarfsfall ärztlicher Behandlung versorgt.”
Das wollten die Flüchtlinge klarerweise nicht.
Sie wollten nach Deutschland – speziell, nachdem die Bumdeskanzlerin die Grenzöffnung für syrische Flüchtlinge verkündet hatte (und wer war das nicht? )
Es folgte die unkontrollierte Masseneinwanderung Hunderttausender überwiegend junger Männer, die oft erst nach Jahren Asyl in Deutschland beantragten oder – zum kleineren Teil – untertauchten bzw. in andere europäische Länder weiter wanderten.
Vier Flüchtlings-Narrative
Nach innen, gegenüber den eigenen Bürgern, rechtfertigte die Regierung Merkel ihr Vorgehen mit vier Narrativen, rasch wechselnden Begründungen, “warum man nicht anders gekonnt habe”:
- Der Anfang wurde mit der Behauptung gemacht, das deutsche Asylrecht “kenne keine Obergrenze” – was ungefähr ein halbes Jahr angedauert habe. Dann war auch Laien klar geworden, dass es sich um ein Leistungsrecht handelt, das unter dem Vorbehalt des Machbaren steht.
- Es folgte die Ansage, die Regierung habe von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Dublin III Gebrauch gemacht – das habe Berlin jedoch “zu keinem Zeitpunkt berechtigt, Menschenmengen ungeklärter Herkunft und unbestimmter Identität aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland einreisen zu lassen”.
- Danach kam die Begründung, dass die im GG verankerte Menschenwürde die Einreise auch aus sicheren Drittstaaaten ermögliche (“Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben”) und schließlich
- wurde argumentiert, dass man die Leute einreisen lassen musste, um überprüfen zu können, welcher Staat nach Dublin III für das Asylverfahren zuständig sei – eine Vorschrift, die man selbst “in jahrelanger Arbeit” in totes Recht verwandelt hatte.
Vosgerau akzeptiert diese Argumentation dem Grunde nach sogar, merkt aber an,
- dass dieses spezielle Europarecht nirgendwo sonst in der Union angewendet werde und
- dass sich bereits im Land befindliche Antragsteller das Recht auf ein Verfahren vor Ort “ersitzen” könnten – üblicherweise nach einem halben Jahr.
Davon abgesehen, müsse kaum ein Asylwerber ernsthaft seine Abschiebung fürchten, was durch die Duldung von 550.000 rechtskräftig abgelehnten Antragstellerm in Deutschland belegt werde.
Der Mann war nach eigener Darstellung einer von wenigen Universitätsjuristen, die die Rechtswidrigkeit der Berliner Politik von allem Anfang angeprangert haben – und wie es scheint. hat er dafür auch einen Preis entrichten müssen:
- den Preis, in einer überregionalen Qualitätszeitung jene mediale Abreibung zu bekommen, die diese für mutmaßliche Sympathisanten der AfD parat hat und
- eine mündlich bereits zugesagte Lehrstuhlvertretung an einer deutschen Hochschule doch nicht zu bekommen.
Weit davon entfernt, die Repressalien eines klassischen Polizeistaats erdulden zu müssen, hat der Jurist erfahren, was Dissens in einem vorgeblich liberalen System bedeuten kann: Marginalisierung, Zurücksetzung und Rechtlosigkeit.
So ist es wenig verwunderlich, wenn er, der Spezialist im Öffentlichen Recht, sein Buch mit Reformvorschlägen für das Presserecht ausklingen lässt, die die Position Einzelner gegen eine übermächtige Journaille stärken sollen.
Schließlich handle es sich bei den Massenmedien um eine
politische Polizei, die Kritiker und Andersdenkende stellvertretend für Politik und Regierung mundtot macht, weil Letztere dies im demokratischen Rechtsstaat leider nicht dürfen (…)”
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