Christian Kern wird von der Rumpf-SPÖ auf den Schild des Kanzlers und Parteivorsitzenden gehoben und das Beste, was sich über ihn sagen lässt, ist, dass das einem Unsympathischeren zuteil hätte werden können. Unter den Verstaatlichtenmanagern scheint er ein fähigerer gewesen zu sein. Christians Kernkompetenz liegt aber in einem auslaufenden rotschwarzen Governance-Modell.
Zuverlässig lassen sich Kerns echte Managementfähigkeiten nicht beurteilen, weil er diese bei staatlich beschützten Konzernen unter Beweis gestellt hat – zuerst im Verbund und seit 2010 bei den Österreichischen Bundesbahnen.
Das unterscheidet ihn von dem etwas älteren Gerhard Zeiler, zu dessen Helfern Kern in den 1990ern im ORF-Kuratorium gehört hat (zu Zeilers Helfern und denen von dessen Generalsekretär Andreas Rudas).
Spätestens aus seiner Zeit als Kurator stammen Kerns exzellente persönliche Kontakte zu diversen ORF-Akteuren.
Zeiler war als Intendant zwar auch so etwas wie ein Verstaatlichtenmanager, aber er würde diese Bezeichnung heute wohl empört zurückweisen (mit einer gewissen Berechtigung).
Nachdem die Charaktermaske Apparatschik aus der Wiener (ostösterreichischen) SPÖ durch Faymann und Hundstorfer vorerst untragbar wurde, versucht man es jetzt wieder mit dem Typus Verstaatlichtenmanager.
Das ist in der SPÖ irgendwie natürlich. Es ist ähnlich wie mit den Bünden in der ÖVP, nur weniger regelmäßig und mit nur zwei Gruppen. Sinowatz – Charaktemaske ostösterreichischer Apparatschik, Vranitzky, Klima – Verstaatlichtenmanager. Gusenbauer, Faymann – ostösterreichischer Apparatschik.
Die Lehr- und Wanderjahre der Politsekretäre
Und jetzt ist wieder Maskenwechsel angesagt (usw. usf. bis die Partei an der Fünfprozenthürde gescheitert sein wird).
Nicht, dass ich damit sagen wollte, dass die Schwarzen keine solchen Parteisekretäre hätten. Die haben sie auch, vollumfänglich, und sie verwenden das gleiche Modell.
Deren Dressur beginnt im Büro oder Kabinett eines Mächtigen. Ist der Sekretär/die Sekretärin anstellig und loyal, wird er/sie in ein von der politischen Funktion/der Partei kontrolliertes Unternehmen oder Amt geschickt, um dort Einfluss auszuüben und das Geschäft zu lernen.
Die Lehrlinge (Gesellen) der Macht gehen sozusagen auf die Walz, eine gesteuerte und protegierte freilich. Bei manchen ist die erste Station nur Vorstandsassistent, aber das ist eine Phase, die nie lange dauert.
Schon bei der nächsten Personalrochade rotiert man in den Vorstand und wird, wenn man sich bewährt, alle paar Jahre in eine andere Dependançe der Staatswirtschaft geschickt. Das ist die – komfortable – Endstation für 99 Prozent der Sekretäre.
Nur ganz wenigen gelingt die Rückkehr ins Zentrum das Macht (als Chef). Kern ist einer aus diesem einen Prozent.
Er müsste freilich ein echter Wunderwuzzi sein, wenn er den heutigen Sekretärsenkeln seiner Fraktion noch eine sichere berufliche Zukunft verschaffen könnte. Momentan sieht es so aus, als liefe das Rennen eher für die blauen Nachwuchshoffnungen (und, glaubt mir, das sind auch keine Waisenknaben/-mädchen).
Das ist, könnte man sagen, eben der Gang der Dinge – auch (und gerade) in einer Demokratie. Es ist die immer gleiche Abfolge der Generationen, vom jugendlichen Taschlträger zum Spitzenfunktionär im vorgerückten Alter.
Kostelka-Berater an der Macht
Einverstanden, und solange sich Falschheit, Arroganz und Korruption in Grenzen halten, ist eigentlich wenig dagegen zu sagen. Es handelt sich bei diesem Modell nicht um eine negative Selektion, jedenfalls nicht zwingend.
Der Bürger sollte sich aber sicher sein, dass die Republik einerseits und er selbst das zentrale Mittel zum Karrierezweck des Polit-Sekretärs bleiben. So wie die Kühe, die der Bauer ordentlich behandeln muss, damit sie viel Milch geben.
Und da beginnt bei Kern ein großes, rotes Warnlicht zu blinken. Der Mann begann als “Lehrling” bei Peter Kostelka, dem sozialdemokratischen Klubchef der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre.
Auch auf die Gefahr hin, Sippenhaftung zu betreiben oder zu langweilen: Kostelka – und wohl auch sein erster Sekretär Kern – spielten tragende Rollen bei dem, was hier als politische Entführung gezeichnet wird.
Kostelka erfüllte auf der SP-Seite jene Rolle, die dieser Autor beim ausgeschiedenen Präsidentschaftskandidaten Khol folgendermaßen charakterisierte: “Er agierte als parlamentarische Peitsche seines Parteichefs (…) und sorgte im Klub für die reibungslose Umsetzung dessen, was in diesem Blog Staatsstreich in Zeitlupe genannt wird.”
Kostelka ist schon lange nicht mehr politisch aktiv. Aber sein engster Mitarbeiter aus den Putschjahren wird Bundeskanzler.
Literatur:
Samo Kobenter, Republik der Sekretäre. Die Seilschaften der Machthaber in Österreich. Wien 1997
Elisabeth Horvath, Die Seilschaften. Das Spiel der Mächtigen in Österreich. Wien 1999
Bild: Wolfgang Blaschke, Wkimedia Commons, CC BY-SA 3.0
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