“Klimapsychologie”: Bühne frei für Grazer Ablenkungswissenschaftler

Brudermann_Kunst_der_Ausrede_CoverPünktlich zur größten Energiekrise seit Menschengedenken ist nun “Die Kunst der Ausrede” erschienen, die sich den Ausflüchten sich tugendhaft dünkender “Klimasünder” widmet (“Warum wir uns lieber selbst täuschen statt klimafreundlich zu leben”). Der Autor ist ein in Graz lehrender Psychologe, der es versteht, einer inkompetenten Journaille mit akademischer Gravitas zu bestätigen, was diese schon immer vermutet (und was sie viele Jahre von ihren Oberstudienräten gehört) hat. Edit-Erratum.

Derlei Zeug hört die Journaille gerne, was unserem “Nachhaltigkeitsforscher” gleich einmal 15 Minuten marketingtechnisch wertvoller Airtime verschafft hat.

Leider ist der Autor selbst entweder Ignorant oder Zyniker

  • weil er entweder nicht weiß, dass die Industriestaaten mit ihren Ausredner-Bürgern heute jährlich ca. 0,4 Milliarden Tonnen CO2 weniger emittieren, wogegen die Nicht-Industriestaaten jährlich knapp 13 Gigatonnen mehr frei setzen als 1990 und damit zwei Drittel des weltweiten Ausstoßes verursachen. Übrigens bescheinigte dieser Typ der Allgemeinbevölkerung vor kurzem, nur wenig über die sg. Klimawissenschaften zu wissen, gleichzeitig aber über Gebühr selbstbewusst zu sein (“You know nothing, John Doe – Judgmental overconfidence in lay climate knowledge”),
  • oder aber Hr. B. ist sich des vorher erwähnten Umstands bewusst  – er ist ihm aber egal, solang’ er mit fragwürdigen G’schichterln seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Hier noch einmal zwei Grafiken, die den “Emissions-Split” 1990 und 2020 zeigen. Die Werte kommen aus der BP-Datenbank und zeigen “nur” die CO2-Emissionen

- was man gleich in mehrfacher Hinsicht als unvollständig bezeichnen könnte.

Unter anderem fallen in dieser Darstellung die Rinder-Fürze in Brasilien unter den Tisch. Eine solche “Darstellung ohne land use change” schmeichelt ferner Regenwald-Rodern und Habitat-Killern

(was letztlich Industriestaaten in die Schuhe geschoben werden kann, in denen es gar keine Regenwälder gibt – aber natürlich hat das Ganze “Methode/System”).

Die wahren Größenverhältnisse

Sei’s drum – bleiben wir bei bei aus Verbrennung entstehendem Kohlendioxid pure and simple. BP scheint über keine langen Zeitreihen mit CO2-Äquivalenten zu verfügen (was ja auch kein Energie-Thema im engeren Sinn ist). Hier ist die Quelle der Charts zu finden.

CO2_BP_statistics_2022

Die erste Grafik zeigt, dass 1990 noch knapp 55 Prozent des angeblich wichtigsten Treibhausgases von Industriestaaten ausgestoßen wurde (“OECD”).

CO2_1990_oecd_split_masterD

Dieses Bild hat sich 31 Jahre später folgendermaßen geändert:

CO2_Emissionen_OECD_Non_OECD_2021_masterD

Dieser Blogger würde die Aussage der beiden Tortengrafiken (und anderer BP-Zahlen) folgendermaßen umreißen:

  • In den vergangenen gut drei Jahrzehnten haben die OECD-Länder ihren jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß um 0,4 Gigatonnen gesenkt, während die Nicht-OECD-Staaten – inklusive Volksrepublik China – diesen um 13 Gt gesteigert haben (1 Gigatonne  = 1 Mrd. “metrische Tonnen”).
  • Dabei gab es, zugegeben, “Eselsbänkler” ebenso wie “Musterschüler” wie beispielsweise Gesamt-Europa, das heute um 1,7 Gt weniger ausstößt als 1990 (ein besonderer “Streber” ist übrigens die Union, die 1990 freilich noch deutlich kleiner als heute war – minus 1 Gt).

Trotz des schwer bestreitbaren Urteils,

dass CO2-Einsparungen, die ausreichen um das “1,5-Grad-Ziel” zu erreichen, nur dann möglich sind, wenn die vormaligen Nicht-Annex 1-Staaten vulgo Entwicklungsländer substanziell dazu beitragen,

kapriziert sich Brudermann auf die Psychologie der (europäischen) Industrieländer,

was ungefähr so ist, als würde man die Lupe über ein Wimmerl auf einem rasch wachsenden, bösartigen Tumor halten und sich ein paar hundert Seiten über die Hautunreinheit auf dem Geschwür alterieren.

Dieses unverhältnismäßige Vorgehen trifft zwar die Mentalität unserer Gretas und anderer Infantil-Heroen und – innen,

ist aber für einen Wissenschaftler, der sich eigentlich der Rationalität verschrieben haben sollte, eine ziemlich eigentümliche Schwerpunktsetzung;

einer Rationalität, die in Brudermanns “Ausrede 2″ implizit für die eigene Position in Anspruch genommen wird. Mit Rationalität hat sein Vorgehen freilich kaum mehr mehr etwas zu tun.

Verschwurbelungs- und Gängelungsexperte

Der Beruf dieses Mannes besteht offenkundig darin, die Wirklichkeit zu verschwurbeln, etwa dass,

Weil es politisch-ideologisch aber nicht angeht, diesen Staaten/Menschen Entwicklungs- bzw. Energieverzicht zu predigen (was das Prädikament unserer Zivilisation immerhin verlangsamen würde),

schulmeistert unser gut bezahlter “Experte” Kapselkaffee süffelnde, billig fliegende, SUV-fahrende oder Kreuzfahrten absolvierende Industriestaatler mit “unsichtbaren Katastrophen” (Patrick Moore),

obwohl ihm klar sein muss, woher die angeblich in die Klimakatastrophe führende Dynamik kommt (selbst innerhalb seines eigenen Denkschemas, das dieser Blogger nicht teilt).

Um mich auch einmal selbst zu zitieren – siehe oben:

In den vergangenen 30 Jahren haben die OECD -Länder ihren jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß um 0,4 Gigatonnen gesenkt, während die Nicht-OECD-Staaten – inklusive Volksrepublik – diesen um 13 Gt gesteigert haben.

Figuren wie B. sind “in meinem Buch” als Ablenkungswissenschaftler zu verstehen.

Freilich ist der Mann nicht nur ein Ablenkungs-, sondern auch ein  Gängelungsexperte, wie er nicht nur mit seiner direkten Bezugnahme auf den “Vater der Verhaltensökonomie” Thaler klar macht.

Unser in Graz lehrender seltsamer Bruder glaubt, dass staatliches Nudging vermehrt auch zur Durchsetzung von “klimafreundlichem Verhalten” eingesetzt werden sollte

und dass bereits zu seiner krausen Ideologie Bekehrte Selbst-Nudging betreiben sollten, um faule Ausreden & klimafeindliches Verhalten ihres ständig schwach werdenden Fleischs möglichst zu vermeiden.

***

A propos Ausreden – um Ausflüchte für “klimafeindliches Verhalten”, 25 an der Zahl, dreht sich praktisch der gesamte Text.

Brudermann geht davon aus, dass echte Öko-Schurken, die heimlich im Wald Altöl und Batterien “entsorgen”, nur mehr ganz selten vorkommen

und dass die meisten heutigen Klimasünder “klimafreundlich denken und klimafeindlich handeln”.

In seiner Beschreibung der diesbezüglichen “kognitiven Dissonanz” bzw. des chronischen Auseinanderklaffens von Werthaltungen und Alltagsverhalten mag Brudermann gar nicht so unrecht haben

- wenn nur die faktischen Grundlagen seines restlichen Narrativs solider wären!

Thomas Brudermann, Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben.2022

Edit-Erratum, 8.9.2022, 03.00 Uhr: Habe soeben bemerkt, dass die in der zweiten Tortengrafik verwendeten jüngsten Werte “2019er-Zahlen” sind,

was darauf zurückzuführen ist, dass ich einen nun schon etwas älteren Datensatz verwendet habe.

Das ändert absolut nichts an der getroffenen Aussage, der zeitliche Abstand umfasst aber nicht die behaupteten vollen 30 Jahre – was ein faktischer Fehler ist.

Ich werde diesen im Lauf des Donnerstag auf die eine oder andere Weise bereinigen.

Edit 2, 10.9.,  04.00 Uhr: Bereinigt. Gäbe ein paar urkomische Details dazu zu berichten. die sind eigentlich aber egal.

Unabhängiger Journalist

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