Wie vor drei Tagen angekündigt, hat im Drama um den Mord an Boris Nemzow eine neue und doch irgendwie bekannte Tätergruppe einen ersten Auftritt gehabt. Es handelt sich um Tschteschenen, aber nicht um Gefolgsleute des Putin-Loyalisten Ramsan Kadyrow. Im Gegenteil: der Mord sei von Adam Osmajew, einem an der Seite Kiews kämpfenden tschetschenischen Warlord befohlen worden, behauptet der FSB. Damit zeichnet sich jetzt schon die unweigerlich kommende sensationelle Wendung ab.
Die Enthüllung der heißen Spur erfolgte in der (einstigen) Jugendzeitschrift der Kommunistischen Partei, die knapp davor die außergewöhnliche Gelegenheit gehabt hatte, ein Interview mit dem (zunächst) geständigen Täter Saur Dadajew zu führen. In dem Interview hatte Dadajew bestritten, der Täter zu sein. Hier ist die englische Übersetzung des am 12. März erschienenen follow up-Artikels von Komsomolskaja Prawda .
Eine nicht namentlich genannte Quelle aus Ermittlerkreisen des FSB beschuldigt Osmajew, den Chef des für Kiew kämpfenden Dudajew-Batallions, der Anstifter zu sein. Osmajew und seine Soldaten sind sozusagen die direkten Gegenspieler der an der Seite der Separatisten kämpfenden tschetschenisch-russischen Freiwilligen.
Was ich am 12. März anders (falsch?) interpretiert habe, ist die Person Dadajews, dem – wie ich glaubte -, die Rolle des Unschuldigen zugedacht ist. Ich kenne das “Drehbuch” zu diesem Krimi nicht. Es ist wahrscheinlich wesentlich weniger geradlinig als Außenstehende mutmaßen würden.
Der FSB scheint darauf zu bestehen, dass Dadajew der “wirkliche” Täter ist – trotz der von Kadyrow verfassten Instagram-Ehrenerklärung für Dadajew. Ich bin unsicher, wie das zu interpretieren ist – aber es könnte bedeuten, dass Putin gewillt ist, Kadyrow vor den Bus zu stoßen. Kadyrow könnte auch nur eine ihm auf den Leib geschriebene Rolle spielen. Jedenfalls scheint der Nemzow-Mord tatsächlich als Katalysator für den lange verschobenen Machtkampf gedient zu haben.
Die prowestlichen Beobachter scheinen die sensationelle Wendung noch nicht ganz behirnt zu haben. Noch sind sie zufrieden, dass Tschetschenen die Mörder sind, weil sie glauben, dass ihnen das politisch in den Kram passt. Sie haben noch nicht überrissen, dass die jetzt verdächtigen Tschetschenen im Gegenteil Verbündete Poroschenkos sind. Wenn der Groschen fällt, wird es zu spät für eine glaubwürdige Kehrtwende sein.
Folgendes schrieb ich hier am 12. März:
Nachbemerkung, 16.3.2015: Ich habe nie gesagt, dass die Lügenpresse nicht einmal auch die Wahrheit schreiben kann – beispielsweise versehentlich oder aus Ignoranz.
Ebenso ist es möglich, den russischen Staat für den Urheber des Mords zu halten und gleichzeitig der Meinung sein, dass er damit defensiv agiert und (“berechtigte”) Interessen verteidigt.
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