Nur Feuerpäuschen nach “Minsk 2″ – Geheimvertrag über Debalzewo

Wie erwartet, befindet sich der in Minsk vereinbarte Waffenstillstand Stunden nach Inkrafttreten bereits in Auflösung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit beider Seiten steht jedoch die interessanteste militärische “Detailfrage” der vergangenen Monate: der Kessel von Debalzewo. Er wird in den offiziellen Vereinbarungen von “Minsk 2″ mit keinem Wort erwähnt, wurde mit Sicherheit aber in nicht veröffentlichten Zusatzvereinbarungen geregelt. Vermutlich müssen die eingeschlossenen 5000 Ukrainer samt der reichlich vorhandenen militärischen Hardware kapitulieren (und/oder sie werden umgebracht). Ihre Kameraden aus Westeuropa und Amerika dürften dagegen schon evaukuiert worden sein.

Eigentlich hätte man sich nach Beginn der Feuerpause in der Nacht auf Sonntag ein paar Stunden oder gar Tage Anstandsfrist erwartet, aber die Kampfhandlungen gingen weiter als hätte es das Abkommen nie gegeben. Die Volksrepublik Donezk sagte eine Stunde nach Mitternacht, Ukrainische Nationalgarde habe von Rebellen kontrollierte Siedlungen beschossen, weswegen man mit “präzisem” Gegenfeuer geantwortet habe.

Die Wahrheit kann natürlich genau umgekehrt sein, aber das spielt keine große Rolle. Tatsache ist, dass sich Separatisten und beträchtliche Teile der proukrainischen Kämpfer keiner Waffenruhe verpflichtet fühlen.

Das kann durchaus Methode haben und die Erwartungen (Ziele) der Verhandlungspartner von Minsk erfüllen. Diese sind Politiker, die in der eigenen Öffentlichkeit ein möglichst gutes Bild abgeben und in den anderen Öffentlichkeiten zumindest den Eindruck von Friedenswilligkeit erwecken müssen.

Diese Politiker sind aber weder dumm noch schlecht informiert und man kann sicher sein, dass die Verhandlungen auch den Kessel von Debalzewo betroffen haben und auch, dass Absprachen dazu getroffen wurden. Hätte das nicht stattgefunden, hätten Poroschenko, Putin, Merkel und Hollande (und ihre Wurmfortsätze) den sprichwörtlichen riesenhaften Elefanten im Wohnzimmer ignoriert, den eigentlichen Anlass, warum am vorvergangenen Freitag die Merkel und Hollande zu Putin gepilgert sind.

Das ist eine nicht glaubwürdige Annahme. In der “Tasche” sind 5000 Ukrainer und 2000 Söldner aus dem Westen eingeschlossen (bei Letzteren war das wenigstens bis vor kurzem der Fall). Das ist ein Faktum von überragender Bedeutung, siehe hier und hier.

An dieser Stelle empfiehlt es sich, zwei Minuten lang Alexander Wladimirowitsch Sachartschenko, dem Ministerpräsidenten der selbstproklamierten  “Volksepublik Donezk” zuzuhören. Hier spricht er über “Minsk 2″ und den Kessel von Debalzewo:

Sachartschenko sagt hier, dass die Milizen jeden Versuch der Eingeschlossenen verhindern werden, auszubrechen (auch jeden Versuch von außen zu “deblockieren”). Sie befänden sich damit auf dem Boden von Minsk 2, weil derlei den Waffenstillstand an der Frontlinie nicht verletze und weil das Gewaltanwendung “nach innen” sei. (Die logische Voraussetzung für diese Argumentation ist, dass auf dem Kessel tatsächlich der “Deckel drauf” ist – was von Kiew relativ wenig überzeugend bestritten wird).

Im Übereinkommen von Minsk gebe es keine spezielle Ausnahmeregelung zum Kessel, was bedeute, dass Poroschenko 5000 seiner Kämpfer verraten habe.

Sachartschenko spricht hier zur (neu)russischen Öffentlichkeit, die seit Tagen erregt darüber diskutiert, dass die Eingeschlossenen nun wieder frei abziehen dürften, dass das ein Neuaufguss des ersten Minsker Abkommens im vergangenen September sei, dass Putin ein Verräter sei, weil er das zulasse, etc.

Dieser Öffentlichkeit erklärt Sachartschenko: Die kommen uns diesmal nicht davon – er lässt aber offen, ob sie kapitulieren dürfen oder kaltgemacht werden. Das hänge von deren Verhalten ab, legt er nahe. Er scheint allerdings einen Ausbruchsversuch zu erwarten (“kein Essen, keine Ammo”).

Wiw immer das künftige Szenario aussehen mag -  es ist wohl in der geheimen Zusatzvereinbarung von Minsk vorgesehen. In einem Teil davon.

Sachartschenko erwähnt seltsamerweise aber nur 5000 Mann, die ethnisch-ukrainischen Kämpfer in der Tasche. Er verliert kein Wort über die 2000 westlichen Söldner, die sich ebenfalls dort befinden (befunden haben).

Sachartschenko untergeordnete Quellen haben bis vor ein paar Tagen explizit das Vorhandensein eines substanziellen westlichen Söldner-Kontingents bestätigt (Basurin, Motorola). Am Tag nach dem Kreml-Besuch von Merkel und Hollande fand weiterhin eine angebliche Evakuierungsaktion für Zivilisten statt, bei der Hunderte pro-ukrainische Soldaten aus dem Kessel entkommen sind.

Was muss man aus diesen lose, scheinbar zusammenhanglos herumliegenden Informations-Versatzstücken nun schließen ?

Nun, ich würde sagen: Sachartschenko hat seinen Leuten nur die halbe Wahrheit gesagt/angekündigt.

Für den zweiten Teil hätte er nämlich zugeben müssen, dass er selbst und der Kreml dafür gesorgt haben, dass Amerikaner, Polen und Niederländer verschwinden ehe in Debalzewo passiert, was offenbar passieren muss.

Man könnte sogar die Meinung vertreten, dass ein solches doppeltes Verrats-Szenario das geringere Übel ist – verglichen mit Hunderten nicht-ukrainischen “Militärdienstleistern” in den westlichen und östlichen Abendnachrichten, egal, ob als Gefangene oder Leichen.

Die Lügenpresse der einen Seite würde rot sehen und jene der anderen Seite würde verlangen, dass Moskau militärisch gegen fremde Söldner vorgehen muss, die nur 150 Kilometer von der eigenen Staatsgrenze entfernt operieren.

Es ist jedenfalls nichts, was Sachartschenko seiner, der russischen Öffentlichkeit freiwillig auf die Nase binden würde/sollte. Die hätte mit Sicherheit etwas gegen einen solchen Deal. Ebenso wie ihre Todfeinde, die ukrainischen Nazis jenseits der Staatsgrenze.

Unabhängiger Journalist

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