Die österreichische Energie- und Klimaschutzministerin, die unter grün-natoblau schillerndem Deckmantel das Geschäft der US-Gasexporteure betreibt, hat kürzlich eine “Reform” angekündigt, die Gasversorger dazu zwingen soll, teures LNG statt billiges Pipelinegas von den Russen zu kaufen. Das formuliert sie zwar anders – das ist aber der Sinn dümmlichen Wort-Geklingels wie “Diversifizierungspflicht für Gasversorger” oder “Vorbereitung eines Ausstiegs aus Russland-Verträgen”. Politicos (-as) ihres Schlags zeigen, dass eine schlimme Situation im Großen “daheim” noch einmal verschlimmert werden kann. NB zu “wirtschaftsliberaler Bauchrednerei”.
Auch bei der Gewessler stellt sich einmal mehr die Frage: Wo beginnen?
Wahrscheinlich sind die grünen Verballhornungen der Marktwirtschaft der beste Ausgangspunkt.
Der ökonomischen Theorie nach schneiden sich in einem freien Markt Nachfrage und Angebotskurve in einem “Gleichgewichtspreis”, siehe z.B. hier.
Hirne wie jenes der Gewessler scheinen aber weder das Wesen eines auf Freiwilligkeit beruhenden Markts, noch die Funktion der Preisbildung ebendort begreifen zu können (oder wollen).
Auch deswegen sind solche Leute schnell bei der Hand, die massiven Preisunterschiede zwischen Pipeline- und Flüssiggas-Anbietern zu ignorieren und “Marktversagen” zu schreien, sobald sich Zwischenhändler weigern, drei mal so teures Gas z.B. aus den USA einzukaufen.
Einem solchen “unverantwortlichen Verhalten” (sicher auch ein Terminus aus der neoliberalen Wirtschaftstheorie ) kann man in der krausen Gedankenwelt von Leonore G. und ihres Chefs nur mit staatlichem Zwang beikommen (“Maßnahmenpaket”).
An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs zum Thema Erdgaspreise unternommen, das nur dem ersten, oberflächlichen Anschein nach ein leichtes ist.
Der tiefste Grund dafür ist der Umstand, dass Einkäufer Verträge mit Lieferanten abgeschlossen haben, deren Details – wie fast überall in der Geschäftswelt – der Verschwiegenheit unterliegen.
Man kann aber grob sagen, dass der Kubikmeter LNG in Europa zwei bis viermal so teuer ist wie der Kubikmeter Erdgas aus der Pipeline.
Das liegt angesichts des zweifachen Gestaltwandels von LNG sowie wegen dessen hohen technischen und Transport-Aufwands sowieso auf der Hand
- hartnäckige Skeptiker dürfen aber schon einmal die Preisangaben der staatlichen US-Energieagentur in Augenschein nehmen.
Diese zeigen, dass 2022 in den USA der durchschnittliche Exportpreis von LNG etwa doppelt so hoch war wie jener von Erdgas via Leitung (12,24 Dollar pro tausend Kubikfuß gegenüber 6,34 Dollar für die gleiche Menge über Pipeline).
Im Fall von Europa und Russland freilich dürfte aus mehreren Gründen diese Spreizung noch deutlich höher ausfallen.
Der nächste Punkt ist die nur sehr bedingt richtige Behauptung, dass die “verantwortungslosen Gaskonzerne” ja zu anderen Lieferanten wechseln könnten, was impraktikabel bis glatter Unsinn ist (wäre).
- Nicht nur dass – siehe oben – deutlich höhere Preise berappt werden müssten (was nach Möglichkeit auf die Kunden übergewälzt würde)
- - es müssten auch neue Versorgungsrouten eingerichtet werden (was technisch machbar erscheint).
- Das größte Fragezeichen stellt jedoch die schiere Menge dar. Nach den öffentlich zugänglichen Ganzjahreszahlen 2022 haben die Russen 2022 167 Mrd. m3 – 85,4 Mrd, m3 =81,6 Mrd m3 weniger Pipeline-Erdgas nach Europa-verkauft als im letzten Vor-Sanktionsjahr 2021. Dieser “Gap” stellt aber nur einen Zwischenstand dar, der sich 2023 noch deutlich verschlechtert hat (die vollständigen Daten sind für die nicht zahlende Öffentlichkeit noch nicht da).
- Dieses Versorgungsdefizit ist mittelfristig weder durch Minderverbrauch wg. Wetter und Deindustrialisierung noch durch zusätzliche Einfuhren alternativer Anbieter hereinzuholen (sagt dieser Blogger).
- Für Details dazu verweise ich auf die “Lügen-Dschungel-Serie” in diesem Blog. Das “Große Bild” ist jedoch wie folgt:
- Die USA haben 2022 als einziges Land den LNG-Export nach Europa deutlich und 2023 zusätzlich noch ein wenig gesteigert. Sie sind damit zum zweitgrößten Erdgas-LIeferanten aufgestiegen. Dies beruht jedoch auf dem “Strohfeuer” der US-amerikanischen Shale Gas-Produktion, dessen Fortbestand mehr als fraglich ist.
- Alle anderen Versorger haben weniger, gleich viel oder nur ein bisschen mehr geliefert. Das gilt auch für Norwegen, den (nach Russland) traditionell größten Erdgas-Lieferanten Europas.
- Mit Ausnahme von USA-LNG ist die Behauptung, es gebe belastbare “alternative Anbieter” jedenfalls als glatte Lüge, man kann auch sagen: als Behauptung wider besseres Wissen einzustufen.
- Anders als bei diversen Elektronik-Gadgets konnte & kann im Fall Erdgas auch nicht von einer großen Anzahl von Anbietern ausgegangen werden, was – wenn man so will – letztlich auf eine “Asymmetrie in der natürlichen Schöpfung” zurück geht.
- Für ungleich verteilte, finite natürliche Ressourçen scheinen die Paradigmen des freien Markts tatsächlich nur wenig geeignet. Wie der vorliegende Fall laufend demonstriert, sind die in wirtschaftsliberaler Manier beanstandeten “Knebelverträge” eigentlich “Knebelstrukturen”, die den Lieferanten ebenso in die Bredouille bringen können wie dessen Kunden. Ohne Exportinfrastruktur nutzt den Russen selbst eine riesige Gas-Nachfrage aus anderen Teilen der Welt rein gar nichts,
Nachbemerkung am Welttag des Regenwurms, 8.45 Uhr: Es wird – zu recht – geltend gemacht, dass die auch von diesem Blogger vertretene Ansicht, dass finite natürliche Ressourçen nicht nach den Gesetzen der klassischen Ökonomie beurteilt werden können, “tiefgrünen Theoremen” (zumindest) sehr ähnlich ist.
D’accord.
Ich mache mich hier nur über die defekte “neoliberale Bauchrednerei” lustig, die zeigt, dass Lorchen & Co. nix von dem verstanden haben, was ihnen anscheinend in Brüsseler Kommissions- oder Ratskreisen eingeredet wurde.
Eine genuin grüne Position wäre der Verweis auf ein limitiertes Angebot mit oder ohne Russland. Das freilich wäre Leonores “europäischen” Einflüsteranten gar nicht recht.
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