Reden über Ethno- und Nationalmasochismus

IMAG0615_cropped_1_a“Nationalmasochismus” heißt ein soeben erschienener Sammelband, den ein kleiner deutscher Verlag herausgebracht hat. Acht Autoren umkreisen dabei ein Phänomen, dessen Existenz die wenigsten Deutschen und Österreicher leugnen würden, das sie aber trotzdem nur schwer definieren könnten. Selbst die Beiträger des besprochenen Sammelbands sind sich über das Wesen des Phänomens uneinig, über das sie schreiben.

Ganz sicher ist man sich nur, dass z.B. ein Russe, ein Inder oder ein Chinese nicht an dieser Krankheit leiden würde – obwohl z.B. der Vorgang selbst, eine Politik des ethnisch-kulturellen Verschwindens gar etwas ist, das in Russland oder in China nicht ganz undenkbar ist.

Es ist aber nichts, was die heutige Führung dieser Staaten befördern oder auch nur widerstandslos hinnehmen würde.

In der Volksrepublik ist 2016 die Einkindpolitik auch offiziell beendet worden – was wahrscheinlich nur ein erster Schritt ist. Dass Moskau oder Peking auch nur einer replacement immigration zustimmen würden, scheint undenkbar.

Worüber nun reden die Beiträger des Readers?

Die meisten reden über die Deutschen und die dortigen, mehrere Generationen überdauernden Täterkult- und Schuldstolz-Phänomene, denen sich die Deutschen quasi als späte Bestrafung für die Sünden ihrer Urgroßväter hingeben – was auf 50, 100 Jahre gesehen in eine Art “freiwillige Selbstauflösung” münden könnte

- ein historisch beispielloser Vorgang, denn : Staaten, Stämme, Ethnien und Kulturen sind in der Geschichte zwar immer wieder verschwunden, nie aber freiwillig, sondern weil sie verhungert oder in einem Krieg besiegt worden sind oder weil eine Seuche sie ausgelöscht hat.

Das könnte man von den Deutschen wirklich nicht behaupten – die haben zwar zwei Weltkriege verloren, andere Völker vertrieben und (ansatzweise) ausgerottet und dabei selbst einen hohen Blutzoll entrichten müssen.

Sie wurden militärisch gründlich besiegt und waren (sind?) eine besetzte Zone – aber schon 1960, 1965 hatte sich das Wirtschaftswunder-Land im Westen wenigstens ökonomisch wieder soweit erholt, dass die Welt mit Neid auf es blickte.

Danach ist irgendetwas passiert und die offene Frage ist nun, ob nur ihnen, den im Zweiten Weltkrieg Besiegten, Nämliches “zugestoßen” ist – oder auch anderen, die keinen Weltkrieg verloren haben.

Ja, sagt Martin Lichtmesz, der als einer der beiden Herausgeber die Aufgabe überommen hat, einen Überblick zu geben: Ethnomasochismus und Selbsthass gebe es auch unter den Weißen in den USA, wenigstens bei den politisch-medialen Eliten.

In den USA, die den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, mit vergleichsweise geringen menschlichen Kosten (vergleicht man sie etwa mit der Sowjetunion).

Aber nicht nur in den USA.

Das Phänomen des National- oder Ethnomasochismus hat sich inzwischen in den Siegerländern des Weltkriegs wie in den USA, Großbritannien und Frankreich, aber auch andern westlichen Nationen vehement ausgebreitet, mit vergleichbaren demographischen, politischen und kulturellen Folgen , eine Entwicklung, die im Vergleich zu Deutschland etwas zeitverzögert einsetzte (..)” (S. 22)

Es scheint den kollektiven Masochismus sogar bei den Schweden zu geben, wo besonders skurrile Blüten darauf hindeuten (Aber nein, versetzt drauf Andreas Unterberger: “Die Schweden leiden nicht an pathologischem Selbsthass, sondern höchstens an einer naiven Selbstüberschätzung.”).

Manche wie der emeritierte Islamwissenschafter Tilman Nagel sehen eine Mischung aus mangelndem kulturellen Selbstbewusstsein und grundsätzlichem Nicht-Verstehen des Islam am Werk – was sich etwa in der Verhüllung nackter Statuen bei einem Staatsbesuch aus einem muslimischen Land niederschlägt.

Andere wie Michael Mannheimer, rücken den deutschen politisch-institutionellen Aspekt in den Vordergrund und sprechen von der parlamentarisch verbrämten Diktatur einer faktisch absolut herrschenden Regierungschefin und davon, dass die Eliten – schwer begreiflich – die Auflösung des deutschen Volks beschlossen hätten.

Aber es gibt auch Stimmen wie Siegfried Gerlich, der den Vorgang “tiefen-” und “entwicklungspsychologisch” und irgendwie sexualökonomisch interpretiert – so, wie der Titel es eigentlich erwarten lässt.

Gerlich beginnt mit der Historie, der re-education nach 1945, die letztlich zur “kulturellen Entkernung der Deutschen” geführt habe.

Diese, begreift er, war (auch) das Werk der Fankfurter Freudomarxisten mit ihrer Analyse des autoritären Charakters der Deutschen.

Den sieht freilich auch Gerlich, einen nicht minder pathologischen autoritär-masochistischen Charakter, der zwischen der Situation des masochistisch Leidenden und der des sadistisch Genießenden ständig hin- und herwechselt.

Dieselben  Deutschen, die ihr Monopol als Tätervolk so eifersüchtig hüten, arbeiten gleichzeitig mit deutscher Gründlichkeit daran, sich als Volk auf(zu)lösen, gerade so, als wollten sie auf dem Weg in eine pausbäckig “bunte” Kindergartenrepublik ihrer internalisierten Kollektivschuld entfliehen.”

Martin Lichtmesz, Michael Ley, Nationalmasochismus. 2018, erhältlich um 19 Euro, u.a. direkt bei Antaios.

Unabhängiger Journalist

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