Über das finanzielle Spinnennetz der City of London

Die bevorstehende Wahl zum in der Einschätzung nicht weniger Beobachter “potemkischen EU-Parlament” ist eine passende Gelegenheit, jene Institutionen im europäischen Zusammenleben, die unbestritten Macht ausüben, näher zu betrachten und zu fragen, welchen Einfluss sie auf die Welt und Europa haben könnten. Die City of London ist eine solche Institution. Eine der besten Untersuchungen dazu bietet der Dokumentarfilm The Spiderˋs Web von Michael Oswald and John Christensen.Von John James

Ich möchte jedem Leser empfehlen, 75 Minuten seines Lebens in diesen gut recherchierten Beitrag zu investieren.

Hier ist die Internetseite des Films und hier die Patreon-Adresse der Filmemacher.

Um deutschsprachigen Hörern das Verständnis zu erleichtern und den Inhalt besser zugänglich zu machen, habe ich vor einiger Zeit die wesentlichsten Textpassagen des Films niedergeschrieben. Hier ist der Link dafür.

Ich hoffe, diese Abschrift wird – auch wenn sie das englischsprachige Original nicht zur Gänze wieder gibt – einem tieferen Verständnis der Materie dienlich sein.

Man mag meinen, dass die City of London (CoL) eine rein britische Angelegenheit – also eine Einrichtung wäre, die keinen nennenswerten Einfluss auf Leben und Gesellschaft in Mitteleuropa hat.

Diese Einschätzung ist mit Vorsicht genießen.

Es war schon vor Jahren mein – zugegeben subjektiver und nicht belegbarer – Eindruck, dass die pro-Brexit Bewegung erst nach einem Versuch des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble die City of London mittels einer gesamteuropäischen Finanzaufsicht zu regulieren, ernsthaft an Fahrt gewann (siehe Fußnote 3 der Abschrift).

Sowohl der Initiator der Volksabstimmung David Cameron wie auch die jetzige Premierministerin Teresa May stammen beruflich aus dem Umfeld der City.

Nach ihrem Studium arbeitete May von 1977 bis 1983 bei der Bank of England und war anschließend bis zu ihrem Wechsel ins britische Unterhaus als finanzielle Beraterin für die Association for Payment Clearing Services (APACS) tätig.

Die Bank of England ist – dies wird manchen Leser überraschen – zu 14% Kapitaleigentümer der Europäischen Zentralbank und Mitglied des General Council der EZB.

The City of London hat in der Tat einen Einfluss auf die gesamte Welt, zumindest in finanzieller Hinsicht.

Dieser wird allzu oft unterschätzt – nicht zuletzt weil es so schwierig ist, genaue und verlässliche Informationen über die City of London zu erhalten.

Zwischen 25% und 40% des gesamten Kapitals der Welt wird, so Ronen Palan, Professor an der City University London, aus britischen Steueroasen verwaltet.

Spiderˋs Web behandelt recht ausführlich die folgenden Themen:

Min. 02:30: Nach dem Ende des britischen Empires als politische Institution geht die City of London auf die Suche nach einer neuen Aufgabe.

Min 10:00: Eine kurze Geschichte der CoL

Min 16:30: Die kaum regulierte City of London bietet Kapitalbesitzern auf der ganzen Welt einerseits die Möglichkeit Steuergesetze und Finanzmarktregulierungen zu umgehen und ermöglicht es zweitens, Eigentümerschaft zu verschleiern und Auskunftspflichten zu ignorieren. Trusts und Briefkastenfirmen entstehen meist auf kleinen Inseln, die aus dem „Nachlass des Empires“ übrig geblieben sind.

Min 20:00: Die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den angeblich politisch unabhängigen Crown Dependencies.

Min 35:00: Die globalen Auswirkungen dieses Systems der Kapitalflucht, die zur Verarmung der Entwicklungs- und zur Deindustrialiserung der angelsächsischen Länder geführt hat.

Min 54:00: Der Einfluss, den führende Finanzdienstleistungsunternehmen auf Politik, Steuerbehörden, staatliche Bürokratie und Justiz nehmen.

Wichtige Mitarbeiter dieser Unternehmen wechseln im Laufe ihrer Karrieren zwischen staatlichen Institutionen und der Privatwirtschaft hin und her und haben dadurch einen zweifelhaften Einfluss auf Gesetzgebung und Gesetzimplementierung erlangt, einen Einfluss, der in der öffentlichen Diskussion kaum thematisiert wird.

Am Ende der Transkription gibt es drei von mir angehängte Fußnoten – die erste zur Bank für Credit und Commerce International (BCCI), die zweite zur großen Bedeutung, die die City of London für britische Politiker hat und drittens eine genaue Darstellung der Laufbahn von zwei der einflussreichsten Beamten des Vereinigten Königreichs, die diese Überschneidung von Privatunternehmung und Gemeinwohl illustriert.

Am Schluss befinden sich kurze Biographien der Kontributoren zum Film.

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