USA: Juristisches Florettfechten um Einreise-Order des Präsidenten

“Einstweilige Verfügung”, “Vollzugsaufschub” – Nichtjuristen könnten selbst dann nicht würdigen, worum es bei den aktuellen Gerichts-Scharmützeln um die Einreisebeschränkungen des neuen US-Präsidenten geht, wenn in den USA Deutsch gesprochen würde. Klar ist nur, dass es sich um ein juristisches Florettfechten handelt, dessen Ausgang auf Dauer gesehen wenig ändert. NB zu “Propagandacoup”.

Wie überall nachzulesen ist, hat ein Richter aus Seattle allen, die im Besitz von legalen Einreisetiteln in die USA sind, das Recht zugesprochen, nicht abgeschoben zu werden – auch wenn sie eigentlich von der Trump’schen executive order gegen Einreisen aus sieben vorwiegend muslimischen Ländern betroffen sind.

Der Gerichtsentscheid aus Seattle ist etwas Ähnliches, wie es Anwälte vor einer Woche für 375 Passagiere erwirkt haben, die unmittelbar nach dem Dekret in der Einreise- bzw. Transitzone von US-Flughäfen gefangen waren.

Die neue einstweilige Verfügung würde, könnte sie aufrecht erhalten werden, aber viel mehr Menschen betreffen (angeblich bis zu 60.000) – nämlich alle Reisewilligen aus besagten sieben Ländern, die im Besitz von Visa sind – egal, ob sie ihre Reise bereits angetreten haben oder nicht.

Wenn.

Wenn die Verfügung in Kraft bleibt.

Das Weiße Haus hat seinerseits angekündigt, über das Justizministerium “so bald wie möglich” eine eigene einstweilige Verfügung gegen den Spruch erwirken zu wollen – etwas, das einer Art Beharrungsbeschluss für das US-Präsidentendekret gleichkäme.

Das ist höhere Juristerei, Florettfechten, und ich weiß nicht, ob, wie und mit welchen Erfolgsaussichten das funktioniert. Dazu kenne ich das US-Rechtssystem zu wenig.

Es ist aber beileibe nicht sicher,

  • wie lange sich die Verfügung bzw. der Abschiebestopp des Richters von der Westküste aufrechterhalten lässt, dagegen aber
  • klar, dass sich der Spruch nur auf Leute bezieht, die zum Zeitpunkt der executive order im Besitz eines gültigen Einreisedokuments waren.

An der Kompetenz des Präsidenten gemäß Immigration Law, Section 1182 – siehe hier - zweifelt meines Wissens kaum wer.

Die Frage ist nur, ob. bzw. wie lange es möglich ist, die Ausführung der Order für Inhaber eines Visums zu blockieren.

Geht es darum, die Verfassungsmäßigkeit dieser Kompetenz zu bestreiten, muss wohl der Supreme Court her.

Dann könnten (sollten ?) einige präsidentielle Befugnisse purzeln, die dem POTUS noch unter Obama eingeräumt worden waren.

Bisher wenigstens ist alles seinen (formal) richtigen Weg gegangen. Der Kampf guter Juristen gegen einen Unrechtsstaat wird hier jedenfalls nicht aufgeführt.

Nachbemerkung, 4.2.2017, 16.15 Uhr: Demokratische Politiker sehen das temporäre Einreiseverbot (Mainstream-Speak: “muslim ban”) für Angehörige von sieben Staaten als Propagandacoup für islamistische Extremisten. Möglich. Ein Propagandacoup Trumps in eigener Sache ist es auf jeden Fall.

Unabhängiger Journalist

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