Die Mogeleien bei der Ösi-Wahl

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Ein geteiltes Land:. Grün: VdB, blau: Hofer. Daten von Statistik Austria.

Ich weiß ja nicht, welche Indizien man gerne sehen würde, wenn gesagt wird, es gebe keine Hinweise auf Wahlmanipulation in der zweiten Runde der österreichischen Bundespräsidentenwahlen. Was ist mit der Einschleusung von 100.000 Voten in die Briefwahl? Zählt das? Und was ist mit dem Umstand, dass das vorläufige Endergebnis schon im Internet stand, als noch gar nicht alle Wahlkarten ausgezählt waren? NB zu den “nicht authentischen” WB-snapshots.

Vor drei Jahren wusste der Dr. Zanger noch, dass man in der Datenfalle Internet nicht mehr zu beseitigende digitale Spuren hinterlässt, weswegen er den Extradienst-Lesern ans Herz legte: “Wir wissen nie, welche Daten morgen zum Reputationshindernis werden.”

Wie wahr. Nur scheint das der Anwalt, der beim Europäischen Gerichtshof nun gegen die Aufhebung des zweiten Wahlgangs Beschwerde einlegt, inzwischen vergessen haben – weswegen er halt einmal in den Raum stellt:  zanger_quoteIst ja auch ok, ist schließlich Kernaufgabe von Anwälten, was in den Raum stellen.

Irgendwer wird’s schon glauben, vielleicht sogar Juristen beim EGMR.

Die könnten freilich auch die Waybackmaschine anwerfen und dort die Wahlseite des Innenministeriums eingeben: http://wahl16.bmi.gv.at/ (im “normalen Internet” finden sich dort wieder superaktuelle Zahlen der ersten Runde am 24. April  :roll:   )

Dann käme man auch in Straßburg drauf, dass die Wayback-Crawler dem Innenministerium am Tag der Briefwahlauszählung gleich fünf Mal einen Besuch abgestattet haben, das erste Mal um 15.03 Uhr und das letzte Mal um 22.49 Uhr.

doku_SC_wayback_2303Und was sieht man beim ersten snapshot um 15 Uhr ? Das:

SC_2305_1503_vorl_gesamtergebnis
“Nicht authentische Aufnahme” aus der Waybackmaschine

Hier findet sich bis auf die Einerstelle genau das vorläufige Endergebnis, das Innenminister Sobotka zwei Stunden später, gegen 17 Uhr,  verkünden wird, die gleichen Zahlen, die nach der Integration der ausgezählten Wahlkarten z.B. um 22.49 Uhr gezeigt werden.

Mit dem kleinen Unterschied, dass man um 15.00 Uhr die Medienleute noch eineinhalb Stunden mit Märchen über Neuauszählungen etc. bei Laune halten musste.

Das Bild war beim letzten Besuch des Crawlers um 20.09 Uhr am Vortag, dem Tag der Stichwahl, noch anders gewesen:

SC_2205_2009_vorl_gesamtergebnis
Screenshot Waybackmaschine

Man kann gar nicht anders als schließen, dass das Ergebnis schon bekannt war, als man angeblich noch dabei war, eifrig Briefwahlstimmen auszuzählen.

Das Innenministerium gab auf offizielle Anfrage dieses Bloggers zu Protokoll, dass das Ergebnis um 15.00 Uhr noch nicht vorgelegen sei und daher “der snapshot nicht authentisch sein kann”.

Na gut, kann man glauben, oder nicht.

Die wartenden Journos waren am 23. Mai jedenfalls ein eh unkompliziertes Publikum, weil sie sich sicher sein konnten, dass ihr Favorit gewinnen würde. Schließlich hatten sämtliche Meinungsforscher in- und außerhalb des ORF schon am Sonntag gewusst, dass Prof. Sascha die Wahl für sich entscheiden würde.

Was ein echter fanboy ist, geht gerne auch zu einem geschobenen Match solange eben sicher ist, dass die eigene Mannschaft gewinnt.  :-D  

***

Und dann ist da die Sache mit den eingeschleusten Stimmen.

Kritiker haben mir in Emails vorgeworfen, ich könne mich nicht entscheiden, wie viele Stimmen eingeschleust worden seien – 67.000 oder 110.000.

Darauf kann man nur antworten: Welche Voten dürfen’s denn sein? Eingelangte, abgegebene, gültige, sofort gemeldete, nachgemeldete, welche aus der Briefwahl oder Wahlkarten-Stimmen!?

Der Scoop von Aichinger & Ettinger

Die Sache ist ziemlich verzwickt, so sehr, dass selbst Innenpolitik-Journalisten mit jahrzehntelanger Erfahrung von Wahl zu Wahl die Feinheiten vergessen – ohne dass man ihnen das vorwerfen könnte (was anderes sind die erwähnten fanboys und -girls, die noch nie eine Ahnung gehabt und die diese daher auch nicht vergessen haben können).

Zu den Vergessern mit Ahnung kann man z.B. den Aichinger und den Ettinger zählen, für diese Geschichte, für die sie trotz eines groben Schnitzers den Pulitzerpreis verdienen täten.

In ihrer mit 1. Juni datierten Hofburg-Stichwahl: 46.800 Wahlkarten ungültig schreiben sie, dass

die Stimmzettel von 46.800 der 806.768 eingelangten Wahlkarten nicht mitgezählt werden durften.Das häufigste Problem war die fehlende Unterschrift (eidesstattliche Erklärung) auf der Wahlkarte (37.065 Fälle).”

Das hat sonst niemand geschrieben und da fällt es nicht mehr ins Gewicht, dass das keine ungültigen, sondern nichtige Wahlkarten waren.

Ich hab’ das Innenministerium um die Bestätigung dieser Zahl ersucht, aber die haben sich offenbar entschlosen, ohne ihren Anwalt gar nix mehr zu sagen.  :mrgreen:  

Was auch nicht mehr ganz stimmt, weil 20 Minuten vor Publikation dieses Eintrags die offizielle Bestätigung einlangte, dass die von der Presse genannte Zahl der eingelangten Wahlkarten korrekt sei.

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Nichtige Stimmen können nur bei einer Briefwahl auftreten und sie werden gemäß §§ 10 und 14a des Präsidentenwahlgesetzes sowie § 60(3) der Nationalratswahlordnung gleich einmal ausgeschieden, zum Beispiel wenn “die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte nicht oder nachweislich nicht durch den Wahlberechtigten abgegeben wurde”.

Absender sind im Regelfall Menschen, die sich per Wahlkarte am Urnengang beteiligen möchten, die aber zu blöd oder scheißdrauf sind, um ihre Stimme korrekt abzugeben.

Deswegen müsste man die nichtigen Stimmen eigentlich zur Wahlbeteiligung zählen, tatsächlich fällt diese Kategorie aber von Anfang an in ein großes Vergessens-Loch und wird in keiner offiziellen Verlautbarung erwähnt.

Diese Voten gelten nicht einmal als abgegebene Stimmen. Beim Endergebnis heißt es nur: wahlberechtigt, davon abgegeben, davon gültig, davon Kandidat oder Partei x oder y.

Das ist im Regelfall auch nicht besonders wichtig, weil es selten so knapp hergeht wie in der zweiten Runde der österreichischen Präsidentenwahlen. Aber bei nur 31.000 Stimmen Differenz und suspekten Wahlkommissionen kann es einen gewaltigen Unterschied machen, ob 740.000 oder 807.000 Wahlkarten eingelangt sind.

Und genau das ist der Fall gewesen. Am Abend des 22. Mai waren 740.000 Wahlkarten bei  den auszählenden Bezirksbehörden eingetroffen, wie uns Mag. Stein freundlicherweise informiert hat:

Das bedeutet, dass offiziell 807.000 von 885.000 ausgestellten Wahlkarten den Weg zurück zu Vater Staat gefunden haben (und dass die restlichen 78.000 im Altpapier gelandet sind oder eingerahmt in irgendwelchen stillen Örtchen hängen. )

Man kann aus dieser Perspektive also sagen, dass 67.000 Wahlkarten aus einer Einsatzreserve von bis zu 145.000 Karten im Auszählungsprozess gelandet sind, indem sie am Morgen des 23. Mai nachgemeldet wurden.

Das ist freilich eine Vereinfachung, denn sie berücksichtigt sozusagen nur die Endstände. Vor Auszählungsbeginn nachgemeldet wurden mehr als 100.000 Karten, wie aus den Übermittlungsprotokollen der Länderbehörden an das Innenministerium nachvollzogen werden kann.

Dann begann eine lustige Hin- und Herschieberei, ein Änderungsmelden und Neuklassifizieren bis der obige Endstand erreicht – und VdB sicher über die Ziellininie getragen – worden war.

Ich stelle mir das ein wenig vor wie die Weinpanscher vor dem Jahr 1985, obwohl ich nicht glaube, dass die derart viele unterschiedliche Ingredienzien und Einzelgefäße verwendet haben. Die verwendeten nur Zucker und Glykol.

Jedenfalls ergibt sich das Bild fröhlichen Treibens in wohl nur ein paar wenigen Wahlbehörden, wo ohne alle checks and balances die guten Voten aus der Einsatzreserve ins Töpfchen und die schlechten in die Kröpfchen der ungültigen und nichtigen Stimmen gesteckt wurden.

Was wir gerne wissen würden

Wir wissen nicht, wie die Namen der Hochleistungskriminellen lauten, die das abgezogen haben – man kann aber getrost vermuten, dass kleine Teile der SPÖ und der ÖVP – eine Handvoll hoher Politiker halt – eingeweiht waren.

Man darf sogar mutmaßen, dass man in der FPÖ – auch dort wieder ganz oben – Bescheid wusste, man sich dieses Wissen aber abkaufen ließ oder dass man es sich für weiß Gott welche Gelegenheit aufsparen wollte.

Immerhin war und ist der Erfolg von Hofer ein unglaublicher windfall profit, den auch die Blauen nicht erwartet haben, einer, der fast zu groß für die Strategie der FPÖ ist.

Und wenn wir schon beim Spekulieren sind, sollte man nicht vergessen, dass Europa nach dem Sieg Van der Bellens aufgeatmet hat. Nur meine ich nicht das gleiche Europa wie die Kollegen von News (der APA), nicht das Kommentariat in den Zeitungen, sondern den lügenhaften Trunkenbold und dessen Entourage.

Und deren lokalen Wurmfortsatz.

Das europäistische Kartell halt.

“Europa” scheint bei etlichen von dessen subalternen Mitgliedern alle eingebauten Bremsen entfernt zu haben, sodass sie etwas taten, was sie unter normalen Umständen nicht tun würden. Man konnte sich sogar einbilden österreichpatriotisch zu handeln, weil man dem Land ja nur die Wiederholung der Sanktionen des Jahres 2000 ersparen wollte.

Aber, zugegeben, ich kann das alles nicht beweisen – nicht das mit dem Mitwissen Kerns, Mitterlehners und Straches, und auch nicht, dass die glühenden Europäer in Brüssel und Wien eine entscheidende Rolle für den Wahlschwindel gespielt haben. Das ist Spekulation, oder besser: es sind “Folgerungen”, welche, die auf der Hand liegen, aber nicht mehr.

Keine Spekulation ist hingegen, dass die Umstände, die den zweiten Wahlgang umgeben haben, höchst dubios sind und dass diese eine gründliche und unabhängige Untersuchung verdienen würden.

Eine, in der u.a. die Landeswahlbehörden zu Protokoll geben könnten, wann sie Wien welche Stimmenstände übermittelt haben, und bei der die betroffenen Bezirkswahlbehörden erklären könnten, warum sie eine Nacht zur Ermittlung der Zahl der Wahlkarten gebraucht haben.

Nicht zuletzt könnten die Offiziellen und Beisitzer der korrupten Behörden Aufschluss über ihre Handlungsmotive geben.

Die Behauptung, dass es zu “keiner Verfälschung des Wahlergebnisses” gekommen sei, ist jedenfalls nicht zu begründender Quatsch. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit den oben erwähnten Phänomenen nur nicht beschäftigt, weil er es nach der Eingabe von Böhmdorfer und Schender nicht tun musste.

Bild: Furfur, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Nachbemerkung, 20.9., 18.20 Uhr: Zur “Authentizität des Wayback-Snapshots” – ich nehme an, dass der Sager mit “nicht authentisch” eine Phrase ist, um irgendwas zu sagen und weil sich das BMI die Sache nicht erklären kann und will. Es ist nun mal unzweifelhaft so, dass diese snapshots in der WB-Maschine sind und ich bin mir absolut sicher, dass sich die Wahlbehörde diese selbst angeschaut hat.

Die einzige Position, die man dazu einigermaßen plausibel vertreten könnte (außer natürlich, dass die Ergebnisse zu dem Zeitpunkt bereits bekannt waren und “durchgerutscht” sind), ist, dass der WB-record nachträglich geändert wurde, mit geheimdienstlichen Mitteln oder so.

Unabhängiger Journalist

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