Wie man Deutsch-Michel 256.000 Konventions-Flüchtlinge unterjubelt

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Migranten an deutscher Grenze

Das Thema Migration unter dem Deckmantel von Flucht scheint zu interessieren (obwohl sich nur wenige mit Feinheiten befassen wollen). Speziell Deutsche huldigen dem Aberglauben, dass die Praxis ihres Bundesamts dem Grundgesetz entstammt, wo Juristen des Amts doch längst Umgehungswege über die EU gefunden haben, die es erlauben, ihren Landsleuten 100.000e Konventionsflüchtlinge auf’s Aug zu drücken.

PR-Profis sagen, dass alles nur eine Frage der Darstellung ist und die Leute vom BAMF wissen das auch, weswegen sie in einem aktuellen Flyer folgende Tabelle von den von ihnen (nicht) anerkannten “Schutzsuchenden” bringen:

BAMF-Entscheidungen

In dieser Tabelle ist ein Faktum gut, wesentliche andere sind aber nicht erkennbar.

Das gut erkenntbare Faktum ist, dass im vergangenen Jahr 2.120 oder “0,3%” Asyl auf Basis des Grundgesetzes bekommen haben – eine lächerlich geringe Zahl. 

Nicht erkennbar ist, dass ca. 256.000 Personen (“36,8%”) Asyl auf Basis der Genfer Flüchtlingkonvention gekriegt haben. Auf diese Weise wird diese Gruppe den deutschen Staatsbürgern praktisch gleichgestellt, etwa beim Bezug von Sozialleistungen.

Nicht ohne Weiteres erkennbar ist auch, dass durch eine eigene Vernebelungskategorie, die “formellen Entscheidungen”, der Nenner vergrößert wird – womit die “anerkannten Schutzbefohlenen” weniger zahlreich erscheinen als sie es in Wirklichkeit sind.

Das gleiche Spielchen spielt übrigens das österreichische BFA – der Trick wird dadurch freilich nicht besser.  :mrgreen:   

Unter “formellen Entscheidungen” wird beispielsweise eine Entscheidung zur Verfahrenseinstellung verstanden oder die Abgabe eines Verfahrens an ein anderes EU-Land (“Dublin”).

Durch die Einbeziehung von 88.000 nicht-inhaltlichen Entscheidungen in die Grundgesamtheit wird verschleiert, dass das BAMF gleich einmal knapp 70 Prozent der Antragssteller irgendeinen Schutzstatus zubilligt – in der ersten Instanz !

Für Leute, die kein besonderes Interesse an Verfahrenseinstelllungen etc. haben und die eher am echten Verhältnis zwischen Anerkennung und Ablehnung interessiert sind, empfiehlt es sich, Eurostat zu Rat zu ziehen. Dessen Datenbank zu Asyl und gesteuerter Migration ist viel klarer als das BAMF.

Luxemburg – die bessere Statistik

Die Daten-Experten von Eurostat, die die konkreten deutschen Zahlen natürlich vom BAMF selbst haben, kennen

  • erstens keine “formellen Entscheidungen” und
  • schreiben zweitens dort, wo das BAMF mit “§3, Abs. 1 AsylG” herumschwurbelt, mutig und inhaltlich zweifellos richtig: “Genfer Konvention”.

Folgend eine selbst gebastelte Tabelle mit den Eurostat-Zahlen für Deutschland für das Jahr 2016.

Die Tabelle zeigt die Abfolge

  • alle Entscheidungen (“insgesamt”)
  • “Gesamtzahl der positiven Beschlüssen” (sic)
  • Genfer Abkommen Rechtsstatus
  • Humanitärer Rechtsstatus und
  • Abgelehnt.

Daneben finden sich – von mir selbst errechnet – die Prozentzahlen, die sich jeweils auf die Gesamtzahl der vom BAMF gefällten (inhaltlichen) Entscheidungen beziehen.

Asylentscheidungen Dtl. 2016, 1. Instanz
 Zahl  %
 alle Entsch.  631085  100
 positiv  433905  68,8
 davon: Genfer K.  256135  40,6
 davon: Humanitärer Status  24080  3,8
 abgelehnt  197180  31,2

Die Zahlen sind mit den Angaben des BAMF weitestgehend identisch, wobei Eurostat das BAMF-Geschwurbel mit “Genfer Konvention Rechtsstatus” bezeichnet und das deutsche “Abschiebeverbot” mit “Humanitärer Status” (was keinerlei Unterschied macht).

Hier ist ein Screenshot aus der Eurostat-Datenbank:

Eurostat_Asylentscheidungen_Deutschland_Begründung_Genfer_AbkommenDer einzige Schönheitsfehler der Statistk aus Luxemburg ist, dass Eurostat die Kategorie “subsidiärer Schutz” nicht kennt (ist wohl ein Versehen). Mit dieser Kategorie müsste sich die Summe aller positiven und der einen negativen Kategorie auf 100% ( = “insgesamt”, also alle Entscheidungen) belaufen.

Der subsidiäre Schutz macht in Deutschland etwa 24 Prozent (nach meiner Rechenweise) aus. Subsidiärer Schutz wird vom BAMF damit nur etwa halb so oft zugestanden wie die Kategorie “Flüchtling nach Genfer Konvention”.

Das heißt: die Asyl-Begründung mit der Konvention, die den Asylanten fast völlig gleich stellt, ist die mit weitem Abstand häufigste – obwohl im Grundgesetz nichts von einer solchen Konvention steht (stehen kann).

Mit welchem Rechtsgrund laden nun die deutschen gelahrten Doctores dem Michel die Hucke mit Flüchtlingen voll?

Ich bin kein Jurist, dieser Blog hat aber eine Theorie dazu.

Das deutsche Recht … genauer: das Recht des BAMF kennt zwei Begründungen für die Verleihung des Rechtsstatus als “Konventionsflüchtling” (bzw. Konventionsflüchtlingsäquivalent):

Zuerst das deutsche Grundgesetz (was quantitativ zu vernachlässigen ist. Das kann natürlich kein echter Status nach der Genfer Konvention sein, weil die erst nach dem GG entstanden ist.)

Und dann das Asylgesetz, das im Weg einer “juristischen Verkettung” auf die EU-Grundrechtecharta und über diese weiter auf die Genfer Konvention verweist.

Die EU-Grundrechtecharta steht aber in Deutschland (wie in jedem anderen EU-Staat) “im Verfassungsrang” – was ebenso gut wie § 16 GG ist.

Dagegen hätte anno dazumal ev. eine Ausnahme zur EU-Charta geholfen – während sich heute höchstens noch der EU-Austritt nach § 50 Lissabon anbietet.  :-P

Wer sich für das Thema näher interessiert, könnte übrigens mit dem Eintrag “Wie Rechtsverdreher und Politicos die EU-Staaten á la Gulliver fesseln” zu lesen beginnen….

Bild: Metropolico.org via Wiki Commons [CC BY-SA 2.0 ]

Unabhängiger Journalist

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