Demokratische Politik, hat ein Aphoristiker gesagt, ist die Kunst, Geld von den Reichen und Stimmen von den Armen zu bekommen, jeweils mit dem Versprechen, die eine Gruppe vor der anderen zu schützen. Wenn man das Wort Reiche durch Banker ersetzt, wird’s genauer. Geleakte Emails von Clintons heutigem Wahlkampfmanager zeigen, wie Bankinteressen 2008 schon die Regierungsmannschaft des neuen US-Präsidenten formten, als dieser noch gar nicht gewählt war.
Das frühe Vorgehen war insofern sinnvoll, als zum Zeitpunkt der Messages klar war, dass Barack Obama im populären Wahlgang im November seinen republikanischen Konkurrenten John McCain überflügeln (und bei den Wahlmännerstimmen damit haushoch gewinnen) würde.
Die Schreiben “sickerten” erst jetzt, im Verlauf des aktuellen US-Wahlkampfs heraus.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht seit einigen Tagen immer neue sogenannte Podesta-Emails, elektronische Post von und an John Podesta, der damals Vize im sogenannten Übergangsteam Obamas war (dieses beschäftigte sich mit der Übergabe der Regierungsgeschäfte von G.W. Bush an Obama).
Ein Citigroup-Manager, der heute US-Handelsbeauftragter ist (und TTIP verhandelt hat), sandte Obama-Teamster Podesta Listen von Ministerkandidaten zu, die von “verschiedenen Quellen für hohe Jobs empfohlen werden”. Diese Namen sind entsprechend den politischen Kriterien der Demokraten unterteilt (Ethnizität, Geschlecht etc.).
Heikler noch als die Listen für “echte Kabinettsposten” waren die “Personalvorschläge” für formell weisungsungebundene Regierungsstellen (“agencies”).
Hier musste früh sichergestellt werden, dass das kommende unabhängige Führungspersonal nicht zu sehr von den jeweiligen Hackordnungen unterhalb der Kabinetts-Levels abweicht (immerhin seien die Bestellungen öffentlich. “Es muss keine völlige Überschneidung sein, aber wenn es eine völlige Separation (‘disconnect’) gibt, sollten wir das besser schon jetzt korrigieren.”)
Die Personen, die im ersten Kabinett Obama auftauchten, fanden sich praktisch alle auf den Listen. Mit einer Ausnahme waren sie auf den Listen auch für die richtigen Jobs rubriziert.
Eine weitere Ausnahme ist Hillary Clinton, die 2009 Außenministerin wurde, die unterlegene innerparteiliche Gegenkandidatin Obamas in den primaries. Die war sowieso Fixstarterin.
Die Chose lässt tief blicken (und wohl auch ein paar Schlüsse auf die Usançen in der hiesigen Peronalauswahl zu).
Leute, die das Thema weiter erkunden wollen, finden z.B. hier, hier und hier Berichte über die einschlägigen Podesta-Emails. Hier hat Ernst Wolff auf Deutsch über die Wallstreet-Marionette Obama geschrieben.
Hier ist die originale Fundstelle bei Wikileaks.
Die Podesta Emails beinhalten auch jede Menge anderer nicht verschlüsselter, vertraulicher Email-Kommunikation. Viel davon kompromittiert die heutige demokratische Präsidentschaftskandidatin (und das ist wohl auch der Zweck der Übung) – beispielsweise bei Goldman Sachs gehaltene hoch dotierte Reden.
Das Schweigen der Lämmer
Wie bei den DNC Leaks scheint das veröffentlichte Material von A bis Z authentisch zu sein, anders als vor drei Monaten wird in den traditionellen Medien aber inhaltlich nicht darüber berichtet, zumindest nicht im deutschen Sprachraum.
Nicht einmal in der sogenannten Qualitätspresse (am ehesten erscheint noch etwas in der Schweiz).
Elf Jahre altes lüsternes Gerede des republikanischen Kandidaten hat für die europäischen Journos eindeutig höheren Nachrichten- und Skandalwert (“Trump am Ende”).
Diese Selbstdiskreditierung der Medien wäre eigentlich gar nicht notwendig, weil Europäer in den USA sowieso nicht wahlberechtigt sind – sie findet aber statt.
Das ist auch gut so, weil es noch immer Leute gibt, die meinen, die klassischen Medien publizierten auf Basis einer gewissen Neutralität bzw. eines bestimmten Berufsethos (“All the news, that’s fit to print”).
Das wird durch das tagtägliche Verhalten der Journaille widerlegt. Wenn auf die Leaks Bezug genommen wird, dann im Rahmen von Berichten über die Position des Clintons-Lagers, es handle sich um eine von Trump & den Russen gesteuerte Aktion.
Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Die veröffentlichten Emails scheinen jedenfalls völlig ungesichert über Gmail gelaufen zu sein. Sie haben daher von jedem talentierten Schüler der Unterstife abgegriffen werden können.
Bleibt dem Imperium nur zu wünschen, dass es sich bei der angekündigten Rache-Attacke auf den russischen Cyberspace auf etwas härtere Ziele vorbereitet.
Davon abgesehen, gilt auch für diese Veröffentlichungen, was ich im August über die DNC-Leaks geschrieben habe:
Das kann nur bedeuten, dass die russischen Schlapphüte die Wahrheit als Waffe eingesetzt haben – weswegen diese für die hiesigen Journos zur Desinformation mutiert ist.”
Bild: NHD-INFO (http://www.flickr.com/photos/nhd-info/4343863056/) via Wikimedia Commons, CC BY 2.0
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.