Vor etwa einer Woche wurde in diesem Blog die Hyperinflation der Weimarer Republik vor hundert Jahren thematisiert, was diesen Blogger zu weiterer Lektüre und Recherche anspornte, die (zeitlich) über das “Publikationsdatum” besagten Eintrags hinausreichten (anders als die sg. Künstliche Intelligenz sind Natürliche I., Urteilskraft & Co auf Zeit jenseits von Sekundenbruchteilen angewiesen ) “Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben” erlaubt sich ihr staatsstreich-Schreiber nun mit Verspätung, zwei, drei vergessene bzw. unter-thematisierte Façetten des Themas nach zu reichen: Es sieht ihm so aus, dass a) die Papier-Mark schon lang vor dem Beginn der Hyperinflation (für FX) tot gewesen ist und b) dass das Ende des allgemeinen Tauschmittels der Deutschen von einer handfesten Energiekrise begleitet wurde.
Ersteres ergibt sich aus dem Umstand, dass die Mark, die de facto ja keine Gold-Mark mehr war, im Februar 1920 nur mehr 100 (mit Gold gedeckte) US-Dollar wert war, wogegen die Vorkriegsparität der US-amerikanischen und deutschen Währungseinheiten bei etwa 1:4 – 5 lag,
in den ersten Tagen nach dem Waffenstillstand 1918 vielleicht ein bisserl höher
- jedenfalls aber bei weniger als bei 1:10 (leider liegt mir kein genauer Kurs vor).
Gute zwei Jahre später, im Sommer 1922, als die “Hyperinflation” erst richtig in die Gänge kam, wurde der Dollar bereits um die 500 Papier-Mark gehandelt.
Die Kurse waren sehr volatil, am “großen Vektor” aber ist wenig herum zu deuteln.
Das alles ist den Paritäten der Internet-Page des Harold Marcuse sowie den von Ingo Sauer beigebrachten historischen Kursen zu entnehmen, siehe hier, im Daten-Anhang zum Inflations-Fall Weimar-Deutschland.
Wer’s gerne einfacher und in Gold-Mark hätte, sehe sich diesen “Fed-Aufsatz” aus dem Jahre 1923 an. Der enthält folgenden Satz:
The average value of the paper mark for the years 1919, 1920, and 1921 was 26, 6.7, and 5 gold marks for 100 paper marks, respectively.”
Nun sind das alles, zugegeben, Durchschnittswerte, die einiges verbergen mögen
- aber die Grundaussage ist und bleibt die eines massiven Wertverlusts der Papier-Mark gegenüber Gold.
Das ist auch wenig verwunderlich, angesichts
- der Tatsache, dass die RM nach 1914 nicht mehr in Gold einzulösen war,
- des Umstands, dass diese die Währung eines untergegangenen/umgegründeten “Kriegsverlierer-Staats” war,
- sowie des Faktums, dass dessen Zentralbank und Privatleute schon während des Kriegs ausländische Wertpapiere und Immos verkauft hatten, um die – vorerst noch nicht so dramatische – Lücke in der Handelsbilanz zu schließen.
Zusammenfassend würde ich also urteilen, dass die (nunmehrige) Papiermark 1921 als Devise nur mehr ein Zwanzigstel des Vorkriegswerts der Reichsmark hatte
und dass dieser Anteil bis Sommer 1922 auf ca. ein Hundertstel schrumpfte (die Parität zum Dollar lag im Juli 1922 bei rund 500).
Das erfüllt – wenigstens für diesen Blogger – den Tatbestand der Zerstörung der RM “am Währungsmarkt”.
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Im Juli 1922 ging’s mit der “Hyperinflation” aber erst so richtig los.
In den folgenden knapp eineinhalb Jahren ging die Reichsmark auch als Tauschmittel in Deutschland über die Wupper,
wie sich beispielsweise den 1930 erstmals erschienenen Tabellen Frank Grahams entnehmen lässt.
Dessen Tabelle IX auf Seite 67 etwa zeigt die Jahreswerte des “Total Money in Circulation” für 1922 und 1923,
die – nach Rechnung dieses Bloggers und ziemlich erstaunlich – “nur” einen Wachstumsfaktor von 1.755 aufweisen.
Interessanter ist aber die Tabelle XII auf den Seiten 105 und 106 (die relevanten Werte 1922 und 1923 finden sich auf Seite 106.)
Diese Tabelle zeigt in der dritten und sechsten Spalte einen Index der “Total Monetary Circulation”, der zwischen Juli 1922 und Ende November 1923 von 33,5 Punkten auf 245,1 Milliarden Punkte zulegte.
Das bedeutet – sofern dieser Blogger richtig gerechnet hat – einen Multiplikationsfaktor von mehr als 7 Milliarden,
wobei sich die (ebenfalls indexierten) Großhandelspreise um einen Faktor von fast 14 Mrd erhöht haben
(wohl Folge der massiv gewachsenen Umlaufgeschwindigkeit).
Hier ein eigenhändig bearbeiteter Screenshot von Grahams Tabelle XII auf Seite 106.
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Wie die auszugsweise hier bereits verwendeten Werte der Tabelle XXIX zeigen, war die Hyperinflation von einem markanten Rückgang der Produktion von Kohle, Roheisen und Stahl begleitet. Das Minus bei den Eisenerzen war auch hoch, fiel aber klar glimpflicher aus.
Abschließend der Screenshot von des Princeton-Professors Table XXIX, Seite 293:
Weil damals in Westeuropa 80 Prozent der Primärenergie aus Kohle stammte, ist es wohl nicht verfehlt, von einer markanten Energiekrise zu sprechen, die Deutschland im Jahr 1923 durchlebt hat.
Frank D. Graham, Exchange, Prices, And Production In Hyper Inflation: Germany, 1920-1923, 1967
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