Demokratische Trump-Mythen

Donald_Trump's_hair_from_behind,_2007Ö1 hat am Mittwoch vier Experten zur Diskussion der ersten vierzig Amtstage Donald Trumps geladen – Gelegenheit Material über Erkenntnispathologien zu sammeln, die sich um den neuen Präsidenten anhäufen. Wahr-, Halbwahrheiten und Klischees haben sich schon jetzt zu einem undurchdringlichen Gestrüpp verbunden, das die Sicht auf den US-Präsidenten verstellt.

Besagtes Journal Panorama ist hier nachzuhören, bis jetzt zumindest.

An der aus fünf Personen bestehenden Diskussionsrunde haben zwei US-Amerikaner teilgenommen, eine Frau von einer demokratischen und ein Mann von einer republikanischen Vorfeldorganisation.

Aktueller Anlass war die Rede, die Trump vor den zwei Kammern des Kongresses gehalten hat.

Die Einlassungen der drei österreichischen Teilnehmer – zweier ORF-Journalisten sowie eines Politologen – waren am interessantesten.

Deshalb, weil deren Argumente zwischen Informiertheit und Ignoranz, dem ehrlichen Streben nach Erkenntnis und einem halb bewussten, vielleicht semiautomatischen Diffamierungswunsch changierten.

Zum Beispiel beim “Krieg”, der zwischen dem neuen Präsidenten und den Mainstream-Medien stattfindet.

Natürlich ist dieser relevant und auch die symbolische Ausladung von Establishment-Medien zu einem Pressebriefing mag ein Thema sein (die ausgeschlossenen Medien sind real freilich nicht auf das Briefing eines Pressesprechers angewiesen).

Es ist, davon abgesehen, ziemlich seltsam, die Vorgeschichte dieses Konflikts mit keinem Wort zu erwähnen und

  • zu “vergessen”, dass sich während des Wahlkampfs geschätzte 95 Prozent der Presse auf die Seite der Clinton geschlagen und über Thematisierung und Selektion der Nachrichten den Ausgang der Wahlen zu beeinflussen versucht haben (in Europa war dies eine wesentlich ideologische Übung) – siehe dazu zum Beispiel hier.
  • Die Medien berichteten dabei weniger als dass sie gegen Trump kampagnisierten. (das konnte selbst ein politisch Abgestumpfter bemerken). Wer eine solche Vorgeschichte unter den Tisch fallen lässt, verschweigt ein zentrales Faktum.
  • Dieses Verhalten sowie der bias dauer(te)n nach dem Wahlsieg Trumps an, bis zum heutigen Tag. Den “Medienkrieg” daher allein dem neuen Präsidenten vor die Füße zu legen, ist unfair und eine grobe Verzerrung.

Eine eigene Geschichte sind Trump-kritische Meme, wie sie auch in der Radiodiskussion verwendet wurden – das Mem von der Erfindung von Terroranschlägen etwa oder das von den alternativen Fakten, die verwendet werden sollen, um die Wirklichkeit systematisch umzuinterpretieren.

Beide Gedankenfiguren gehen auf Einzelfälle bzw. einmalige Vorkommnisse zurück.

Zu Trumps “erfundenem Terroranschlag in Schweden” siehe hier.

Die “alternativen Fakten” sind die Wortneuschöpfung einer in die Enge getriebenen Trump-Sprecherin, die glaubte, eine für den Präsidenten unbequeme Wahrheit bis zum Schluss in Abrede stellen zu müssen, siehe dazu hier.

Beides scheint mehr mit kognitiven Defiziten als mit irgendwelchen diabolischen Kalkülen zu tun zu haben.

Diese Aussage gilt auch für die Schablone von der Verschwörungsheorie, die der an der Diskussion teilnehmende ORF-Korrespondent in Washington in die Diskussion geworfen  hat.

Das Mem wird allgemein zur Stigmatisierung “nicht approbierter” Wissensinhalte verwendet, es dient Medien aber ganz konkret dazu, bestimmte Themen vermeiden zu können.

Beispielsweise die deutlichen Anklänge an die Sprachpraxis Pädophiler, die einem Dutzend unzweifelhaft authentischer Emails John Podestas entströmen, siehe zum Beispiel hier.

Derlei ist, weil Verschwörungstheorie, ein Thema, über das ein ORF-Reporter nicht sprechen muss, ja darf. :-P     

Das Misreporting des Mainstreams über Trumps erste Regierungshandlungen ist jedenfalls umfassend.

Kaum irgendwo wird das so deutlich wie in der Berichterstattung über immigration, speziell die Abschiebungen Illegaler durch den neuen Präsidenten, siehe dazu hier.

Im deutschen Sprachraum wird buchstäblich nirgendwo darüber berichtet, dass “Trumps Heimatschutzministerium” zwei Duldungsdekrete aus der Amtszeit Obamas bestehen lässt (“DACA”, “DAPA”) und damit bis zu sieben der geschätzt elf Millionen “Illegalen” von der Abschiebung ausnimmt.

Das freilich ist eine Botschaft, an deren Verbreitung Trump selbst nicht sonderlich interessiert ist, weil er bei seinem Wählerpublikum weiterhin als tough on immigration gelten will.

Denn natürlich will/muss auch DJT sein Wählerpublikum täuschen. Anders als in zahlreichen anderen Fällen respektiert der Mainstream aber diesen präsidentiellen Kommmunikationswunsch.

Warum bitteschön?

Bild: Joe Shlabotnik from Forest Hills, Queens, via Wikimedia Commons [CC BY 2.0 ]

Unabhängiger Journalist

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