Dt. Urschel wird Oberkommissarin – Probegalopp für Berliner Jamaica

1024px-Ursula_von_der_Leyen_presents_her_vision_to_MEPsDas EU-Parlament hat Ursula von der Leyen, eine Emissärin der zittrigen Angie, zur Präsidentin der neuen Kommission “gewählt”, offenkundig mit einer Allianz aus EVP, Liberalen, Macronisten und Grünen. Die Abstimmung war intendiertes Demokratie-Simulakrum UND echter Unsicherheitsfaktor gleichzeitig -  sowie ein neuer Anlauf für Schwarz-Gelb-Grün in Berlin.

Natürlich wird man offiziell nicht erfahren, wer von der Leyen wirklich gewählt hat, weil die Wahl angeblich ja geheim war (es gibt Leute, die bezweifeln freilich, dass die Stimmzettel nicht zurückverfolgbar sind).

Es liegt aber auf der Hand, dass die Abstimmung Werk der EU-Zentralisten ist – minus Sozialdemokraten (die sind bez. der deutschen Urschel großteils beleidigt/gespalten).

Viele Sozen glauben ja, sie hätten ein Anrecht auf Frans Timmermans o.ä. und dass die deutsche Kanzlerin Vertragsbruch begangen habe, als sie sich mit Macron auf von der Leyen einigte

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Darum werden höchstens ein paar versprengte Sozis für die deutsche Urschel gestimmt haben.

Das knappe Wahlergebnis ist jedenfalls ein starkes Indiz für diese Interpretation. Hätten die beiden ehemaligen Volksparteien und z.B. die Grünen geschlossen für vdL gestimmt, wären sie auf deutlich mehr als 400 Stimmen gekommen, siehe z.B. hier.

So aber haben alle für vdL gestimmt, die

  • europäistische Zentristen & Zentralisten sowie
  • für die Entmachtung der Nationalstaaten sind (ohne gleichzeitig beleidigt zu sein).

Als da sind:

  • Die EVP “unseres” Otti Karas,
  • die ALDE des Brexit-Chefunterhändlers Guy Verhofstadt, eines angeblichen Liberalen (und wirklichen Zentralisten), vermehrt um 10 Macronisten und ein paar EDPler (das Parteienbündnis nennt sich RENEW EUROPE”) sowie
  • Grüne/EFA. die ungefähr so grün sind wie Verhofstadt liberal.
  • Weil das selbst dann nicht ausgereicht hätte, wenn alle Abgeordneten der genannten Parteibündnisse die Urschel abgenickt hätten, mussten wenigstens 10 MEP aus anderen Lagern auf die eine oder andere Weise “animiert” werden; was wohl nicht besonders schwierig war. Zur Auswahl standen nämlich die Nicht-Beleidigten der 153 Sozialdemokraten sowie 54 Fraktionslose – vielleicht auch ein paar bedürftige Konservative oder Rechtspopulisten.

Diese “Wahl” war eigentlich ein Schauspiel, das schon in Lissabon, vor Juncker, eingerichtet wurde, um sagen zu können, das Parlament habe den Regierungschef gewählt, was “gut demokratisch” sei.

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Eigentlich haben die EU-Parlamentarier nichts zu melden, weil die EU-Regierungen den Kommissionspräsidenten untereinander ausmachen, als Teil eines personellen Gesamtpakets ( = “Kuhhandel”).

Das fand in diesem Fall auf dem Anfang Juli abgehaltenen Sondergipfel in Brüssel statt, dessen Ausgangssitutation extrem verzwickt war:

Die Merkel wollte eigentlich am alten Giggel-Goggel-Pakt mit den Sozialdemokraten fest halten und Timmermans durchboxen, brachte das aber nicht mehr zustande.

Stattdessen musste sie letztlich den Kompromiss mit der unabhängigen Makrone suchen, die seit der Gründung von  En Marche! bei den Liberalen & Zentristen mitspielt.

Das hatte für Angie den Vorteil, eine farblich und national kompatible Trutschen im Berlaymont zu installiieren, kostete aber was

- nämlich das Amt des EZB-Präsidenten. Die unabhängige Makrone kriegte im Gegenzug eine eigene farblich und national kompatible Trutsche, in Frankfurt.

Das ist insofern bemerkenswert, als die EZB eigentlich der Bundesbank nachgebildet ist und symbolpolitisch eine deutsche EZB-Spitze eigentlich hoch an der Zeit wäre.

Dem deutschen Michel gefällt die Abfolge Duisenberg – Trichet – Draghi – Lagarde sicher nicht besonders. 

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Damit das Ganze aber nicht zu einfach wird, ist heuer erstmals ein echter Unsicherheitsfaktor in das eigentlich abgekartete Spiel eingezogen, eine nicht beabsichtigte Konsequenz.

Zum ersten Mal (seit 2014) hätte das EU-Parlament heuer tatsächlich den Beschluss der Staats- und Regierungschefs kippen können.

Das war zwar nicht intendiert – aber als man “in Lissabon” den Artikel 50 in die bis dahin sittenwidrigen Verträge aufgenommen hat, war ein wirklicher Austritt eines Staates aus der Union auch nicht intendiert. Trotzdem findet er wohl statt,

In alten Zeiten (2014), als die beiden ehemaligen Volksparteien noch die absolute Mehrheit stellten, war das kein besonders Problem. Da musste nur darauf geachtet werden, dass alle Christ- und Sozialdemokraten “richtig abstimmten”.

Heute, mit der “Umgruppierung in Frankreich” und den riesigen Stimmverlusten der Sozis ist das schon wesentlich schwieriger.

Jedenfalls dürfte der verdeckte europäische Deal eine Inspiration für künftige Bundestagswahlen ohne Angie & Co. sein.

Viele Sozialdemokraten wollen derzeit sowieso nicht mehr regieren, weil sie sich “regenerieren müssen” – was, wie sie glauben, am besten in der Opposition passiert.

Und die Grünen scheinen mittlerweile auch in Deutschland ein größeres Stimmgewicht auf die Waage zu bringen als die Roten.

Jetzt muss nur noch die zuletzt zickige FDP überzeugt werden -

und vor allem der deutsche Wähler mitspielen.

Bild: European Parliament from EU via Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Unabhängiger Journalist

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