Obwohl im Globalen Norden trotz tieferer Wintertemperaturen auch 2025 eine “Krise der Raumbeheizung” ausgeblieben ist, ist es an der Zeit ein paar Behauptungen zu analysieren, die überhaupt erst in die Welt gesetzt werden konnten, weil a) “unsere”Herrschaftswissenden in geschätzt 95 aus 100 Fällen relevante Fakten nicht zugänglich machen und b) westliche und östliche Journaille einer Kernaufgabe, für die sie bezahlt wird, nicht nach kommt (Analyse und Zusammenfassung öffentlich zugänglicher Fakten; man spielt lieber “Propaganda-Tröte”). Deshalb dominieren “Narrative” speziell über die Versorgung Westeuropas, die entweder von vornherein hanebücherner Unsinn sind oder wenigstens den Tatbestand einer gezielten Irreführung der Öffentlichkeit darstellen.
Vorbemerkung: Der vorliegende Eintrag schließt an diesen an und ist zusammen mit diesem zu lesen. Während die Aussage, dass die Entfernung russischen Pipeline-Gases aus Westeuropa lang vor dem Beginn des “Ukraine-Kriegs” begonnen hat, voll umfänglich aufrecht erhalten wird,
wird die Rolle des “technologischen Wandels” für den Umbruch der Marktverhältnisse hier etwas relativiert. Die Importdaten EU-Europas zeigen zwar tatsächlich eine Erhöhung der LNG-Lieferungen von zusammen 19 Prozent zwischen 2022 und 2025, für die Atem beraubende Veränderung der Marktverhältnisse im selben Zeitraum scheint jedoch das weitgehende Ausbleiben des russischen Pipeline-Angebots “hauptursächlich” zu sein (die annualisierte “Russenlücke” beträgt etwa 80 Mrd. Kubik).
Die zwangsweise Entfernung des Russen-Gases mit rechtlichen und militärischen Mitteln wäre natürlich ein exzellentes Revanche-Motiv für die westeuropäische “Energiepolitik”, die sich in den vergangenen Jahrzehnten als ziemlich inkompetent erwiesen hat. Die Abfolge der Ereignisse lässt jedoch den Verdacht aufkommen, dass auch Moskau mitgeholfen haben könnte
(z.B. durch “Abwürgen” von Lieferungen über den Nordarm der Ukraine-Transit-Leitung nach Mittel-/Ostdeutschland sowie der NS 1 zunächst ab Mitte 2022).
Zunächst eine Tabelle, die
- erstens die LNG-Gesamtimporte in die EU in den jeweils ersten vier Monaten des Jahres zeigt,
- zweitens die Flüssiggas-Lieferungen der US-Amerikaner in die Union, sowie
- drittens jene der Russen ebenfalls im ersten Drittel der Jahre 2021, 2022, 2023, 2024 und 2025.
2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Gesamt | 25,6 | 41,1 | 44,7 | 42,2 | 48,8 |
“America” | 08,3 | 20,5 | 21,0 | 22,3 | 27,4 |
“Russia” | 04,8 | 06,7 | 06,5 | 07,8 | 07,6 |
Nicht nur erfolgte die Teil-Entfernung russischen Pipelinegases aus der Versorgung Westeuropas relativ frühzeitig, auch das “ramping up” der LNG-Einfuhren passierte augenscheinlich VOR dem Beginn des “Ukraine-Kriegs”, nämlich zwischen 2021 und 2022.
“Frühstart” auch bei LNG-Einfuhren
Der Ukraine-Krieg hat gemäß der im Westen dominierenden “konventionellen Erzählung” im Februar 2022 ja als “nicht provozierter Überfall” auf einen nichts ahnenden Nachbarn begonnen,
(ähnlich wie seit 1945 das Unternehmen Barbarossa nahezu unisono als “Überfall Nazi-Deutschlands auf eine ahnungslose SU” charakterisiert wird).
Nach dem gängigen Narrativ sind die massiven Marktanteilsverluste der Russen indirekte Folge deren aggressiven Verhaltens gegenüber der Ukraine, was durch die EU-Sanktionen ab 2022 “bestraft” worden sein soll.
Die einseitig auf Europa ausgerichtete russische Exportinfrastruktur für Erdgas (und Öl), die zum Teil noch aus Sowjetzeiten stammt, sei durch das “solidarische Verhalten” der EU und ihrer Mitgliedsstaaten praktisch wertlos gemacht worden
(was objektiv korrekt ist; die Russen hätten, selbst wenn sie wie früher liefern könnten, keine mit Westeuropa vergleichbare Exportinfrastruktur anderswohin, um von der Kaufkräftigkeit der westeuropäischen Abnehmer gar nicht erst zu reden anzufangen).
Der “Aderlass” für die russischen Staatsfinanzen war/ist also durchaus real.
Die in diesem und einem vorherigen Eintrag dargestellte Datenlage lässt jedoch Zweifel am erwähnten moralisierenden G’schichterl über russische Schuld und westliche Bestrafung aufkommen,
Zweifel, die bei LNG womöglich noch größer ausfallen als bei Pipelinegas
(die “Vorlaufzeiten” bei Flüssiggas sind massiv).
Damit in Zusammenhang steht der früher thematisierte “technologische Wandel”, auch “LNG-Revolution” genannt.
Dieser Wandel scheint gemäß den Bruegel-Daten bereits im Herbst 2021 zu einem Sprung angesetzt und danach nur noch kleinere Schritte gemacht zu haben um schließlich eine Höhe zu erreichen, die ausreicht um die europäischen “Selbstmord-Sanktionen” teilzukompensieren.
Wie auch der obigen Tabelle, Zeile 2, zu entnehmen ist, ist die Menge des in die Union importierten Flüssiggases seit 2022 in absoluten Zahlen gestiegen – aber nicht “rasend viel”, nämlich um nur 19 Prozent in den drei Jahren von (erstes Drittel) 2022 bis (erstes Drittel) 2025.
Die entscheidende Rolle für den Umbruch der Marktverhältnisse scheint jedoch das Ausbleiben russischen Pipeline-Gases ab Mitte 2022 gespielt zu haben (über “Nord Stream 1″ und “Ukraine Transit – Nordarm”)
- ein Vorgang, den bis heute jede der beiden Konfliktparteien der jeweils anderen in die Schuhe schiebt:
Der “Westen” sagt, die Russen hätten (weitestgehend) aufgehört zu liefern und die Russen geben zu Protokoll, sie hätten nur Vorschriften befolgt und außerdem habe es ja einen ausgewachsenen EU-Sanktionenwust sowie den mysteriösen “Anschlag” auf die NS1 im September 2022 gegeben
(vielleicht war’s eine “Koproduktion” der dem Anschein nch verfeindeten Parteien, darf man spekulieren).
“Mächtiges russisches LNG”
Auch das Gezeter über die wachsenden russischen LNG-Lieferungen in die EU läuft auf einen Mythos hinaus
- dass die RF nämlich Hauptprofiteur dieses technologischen Wandels gewesen sei.
Das ist natürlich Quatsch,
ganz abgesehen davon, dass natürlich auch die Gestehungskosten des russischen LNG hoch sind und schon aus diesem Grund nicht viel für die Finanzierung von “Putins Angriffskrieg” übrig bleiben kann.
Die Idee basiert aber insofern auf realen Grundlagen, als die Russen in den vergangenen drei, vier Jahren tatsächlich ihre Flüssiggas-Lieferungen in die EU gesteigert haben, von knapp fünf auf knapp acht Mrd. Kubikmeter vom ersten Jahresdrittel 2021 bis zum ersten Jahresdrittel 2025 (siehe erste Tabelle, vierte Zeile).
Aber:
- Der Zuwachs von russischem LNG war in absoluten Zahlen nicht besonders groß und nur ein Bruchteil dessen, was die RF bei ihren Pipeline-Exporten in die EU eingebüßt hat und
- “ein Klacks” im Vergleich etwa zu den Zuwächsen der US-amerikanischen LNG-Exporteure während des gleichen Zeitraums.
“Mächtige Turkstream”
Es gibt selbstverständlich aber auch die Fake News der östlichen Propaganda, auf die dieser Blogger in Ermangelung von Sprachkenntnissen anhand von im Westen abrufbaren, üblicherweise in Englisch geschriebenen Texten eingehen muss.
Schon einmal wurde diesbezüglich auf die eher abstruse Behauptung verwiesen, die Russen hätten für ihr Jamal-Gas ja andere Absatzmöglichkeiten als Westeuropa,
was entweder den bereits erfolgten Bau der “Power of Siberia 2″ voraussetzen würde oder die Umschiffung ganz Russlands per LNG-Tanker z.B. bis Kosmino.
Auf diesen Unsinn soll hier nicht eingegangen werden, weil es sonst mehr als die im Titel angekündigten “drei Mythen” würden.
Nein den Abschluss soll das “Narrativ von der mächtigen Turkstream” bilden, die geeignet sein soll, zuerst die Freunde Russlands und danach evtl. noch den Rest Westeuropas mit zu versorgen.
Zunächst eine kleine Tabelle, die
- den Prozess des “Hochfahrens” der neuen TS in den vergangenen vier Jahren und
- die vergleichsweise geringe Dimensionierung dieser Leitung klar macht.
Die Tabelle zeigt die bisherige Transportleistung dieser relativ neuen Leitung, die in Ungarn endet, jeweils im 1.Quartal. Quelle ist wieder Bruegels Gas-Tracker (Datensatz zu Fig.5).
Transport in Mrd. m3 | |
2021 | 2,8 |
2022 | 3,5 |
2023 | 2,6 |
2024 | 3,9 |
2025 | 4,5 |
Zum Vergleich:
- NS 1 lieferte pro Quartal zwischen 13 und 16 Mrd. m3,
- der Jahresverbrauch Ungarns belief sich 2023 auf 8,2 Mrd.,
- und der gesamten EU auf 319,5 Mrd. m3.
- Von den knapp 75 Mrd. m3, die die Union in Q1 2025 insgesamt importiert hat, kamen etwa 6 Prozent über die TS.
Die Versorgung Westeuropas mit Gas hängt derzeit an drei bis vier “seidenen Fäden”, als da sind:
- LNG, speziell aus den USA
- Pipeline-Lieferungen aus Norwegen sowie
- weit abgeschlagen, Lieferungen aus der RF und
- Algeriens, beide beinahe ex aequo.
Dieses Faktum war Gott sei Dank in der zu Ende gehenden Heizsaison in den westeuropäischen Wohnungen (noch) nicht zu spüren
- aber Raumwärme macht auch im nördlicheren Kontinentaleuropa nur etwa ein Drittel des Jahresverbrauchs aus. Die anderen zwei Drittel der Nachfrage kommen von Industrie und Stromerzeugern, deren “Probleme” nicht so schnell identifizierbar wären wie z.B. kalte Wohnzimmer.
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