Wer die kommende Regierung in Berlin (Wien) stellt, ist vergleichsweise uninteressant. Wichtig ist, ob die Europäisten den Bundestag derart dominieren, dass sie eine neuerliche EU-Vertragsänderung “durchwinken” können. Das ist der Fall, sobald CDSU, SPD und Grüne über 2/3 der Abgeordneten verfügen – bei Bedarf ergänzt durch Mandatare der Linken. Die einzige Fraktion, die sich mit einiger Sicherheit einer nur parlamentarisch legitimierten Vertragsänderung verschließen wird, ist die AfD. Deswegen ist sie einer permanenten Medienkampagne ausgesetzt. NB zu Abstimmungsverhalten von AfD und SPD. NB2 über einen Alleingang von D&F.
Niemand, der das Programm der AfD liest, käme auf den Gedanken, dass die Alternative für Deutschland besonders rechts wäre oder gar eine Bedrohung der parlamentarischen Demokratie darstellte.
Nazis sehen anders aus als die Petry, Weidel oder von Storch, auch im Jahr 2017. Selbst den Gauland kann man sich mit Hakenkreuz-Armbinde nicht so recht vorstellen.
Die AfD ist eigentlich zwar “nur” eine Wald- und Wiesen-, liberal-konservativ-bürgerliche Partei - paradoxerweise aber trotzdem eine Bedrohung des Parteienkartells rund um CDU und SPD.
Diesem gehört die FDP ebenso an wie die Grünen, die sich in zwei zentralen Politikfeldern verbalradikaler bzw. aktivistischer aufführen als die alten Tanten von CDU und SPD:
bei vorgeblichen “Maßnahmen gegen den Klimawandel” und in der “europäischen Integration”, also dem EU-Staatbildungsprojekt hinter dem Rücken und ohne Zustimmung der europäischen Völker.
Die in diesem Blog immer wieder beschriebenen Staatsstreiche in Zeitlupe sind bisher fast ausschließlich von christ- und sozialdemokratischen Parteien exekutiert worden.
Die im Frühsommer zwischen Macron und Merkel koordinierten Vorhaben wären nichts weniger als eine neue Etappe im seit 20 Jahren laufenden Salamischeiben-Staatsstreich der “Volksparteien” – nach Euro-Einführung, Lissabon und “Eurokrise”.
Erst in jüngerer Vergangenheit haben sich die Grünen diesem Projekt angedient und sind in Ländern wie Österreich auch wirklich zum Zünglein an der Waage geworden – etwa bei der Abstimmung zum ESM im Sommer 2012, wo ohne Mithilfe der Öko-Paxe (inklusive dem heutigen österreichischen Bundespräsidenten) gar nichts gegangen wäre.
Nur die Mobilisierung einer Verfassungsmehrheit ist von Belang
Eine ähnliche Rolle strebten und streben die Grünen auch in Deutschland an – sind bisher aber nicht gebraucht worden, weil die schwarz-rote Koalition die erforderliche Zweidrittelmehrheit selbst mobilisieren konnte.
Um diese Mehrheit – und letztlich nur darum – dreht sich die Bundestagswahl vom 24. September.
Dabei ist es ziemlich egal, wer danach mit wem koaliert oder wen duldet.
Die entscheidende Frage lautet: Kann die künftige Kanzlerin zwei Drittel der Abgeordneten des Bundestags dazu bewegen, einer erneuten Änderung der EU-Verträge zuzustimmen?
Fixstarter für ein solches Ja zu Europa sind die Mandatare der CDU-CSU sowie der SPD, “Volksvertreter”, die in den vergangenen 20 Jahren bereits die weitreichendsten Änderungen abgesegnet haben ohne auch nur so zu tun, als wolle man “den Souverän” zu Wort kommen lassen.
Fixstarter sind ferner die Grünen sowie die FDP – so letztere denn wieder in den Bundestag einzieht.
Bei der Linken wäre eine Zustimmung keine ausgemachte Sache – doch diese Partei ist grundsätzlich antinational eingestellt.
Wenn man deren Politiker beispielsweise mit der Aussicht auf eine “zusätzliche soziale Vertiefung” der neuen Kern-EU (oder etwas anderem lockt), ließen sich von dort ggf. fehlende Stimmen mobilisieren.
In einem solchen Fall wird Die Linke nachmachen, was die österreichischen Grünen 2012 vorgemacht haben – für sich selbst reklamieren, man habe “in schwierigen Verhandlungen wenigstens noch etwas herausgeholt”.
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Damit beantwortet sich die rhetorische Frage, die Dirk Müller hier vorbringt (Beginnzeit eingestellt):
Und Macron, der Franzose, sagt, er wird nach der Wahl in Deutschland Dutzende Vorschläge zur Integration Europas machen. Noch einmal: Der französische Präsident wartet auf die Wahl in Deutschland um danach seine Vorschläge zu unterbreiten. Meine Damen und Herren, ich glaube, hier wird doch einiges klar. Warum nicht vorher?”
Weniger “weil der Bürger dagegen wäre”, sondern weil erst nach der Wahl klar sein wird, ob die deutsche Mutti die für die EU-Vertragsänderung benötigten Parlamentsvoten beibringen kann.
Kann Mutti das nicht – nun, dann zündet man halt eine etwas kleiner dimensionierte Nebelkerze – wär’ ja nicht das erste Mal.
Und wartet auf die nächste Gelegenheit.
Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass das, was Merkel und Macron hinter verschlossenen Türen bereits ausgekungelt haben (u.a. gemeinsamer Finanzminister, Steuerharmonisierung, etc.) ohne eine Vertragsänderung nicht zu machen ist, zumindest nicht in der Vollversion.
Ein neu zusammengesetztes österreichisches Parlament könnte sich einem solchen Vorhaben zwar auch entgegenstellen.
Theoretisch.
Praktisch aber nur, wenn die blockierenden Ösi-Parlamentarier bereit sind, den Schwanz zu spielen, der mit dem Hund wedelt.
Das hieße freilich, hiesigen Abgeordneten eine schier übermenschliche Tapferkeit zuzumuten.
Bild: Wiki Commons, Public Domain
NB, 1.9.2017, 7.00: Es gibt keine Garantie, dass eine künftige AfD-Bundestagsfraktion bei der Abstimmung nicht einfach den Arm heben würde – und gut ist’s.
Der Aufwand eine solche Linie zu erklären, wäre aber ungleich größer als in anderen Fraktionen.
Im Gegensatz dazu kann man sicher sein, dass eine Schulz-SPD bei solcher “Abstimmung über Europa” mitziehen würde, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt in Opposition wäre.
Nachbemerkung 2, 1.9.2017, 8.45 Uhr: Natürlich können die Assemblée Nationale und der Bundestag außerhalb der EU-Verträge beschließen, was sie wollen und wofür es die notwendige Mehrheit gibt.
In diesem Fall hätte auch der Nationalrat in Wien nichts dreinzureden.Er könnte sich nur anschließen – oder eben nicht.
Aber auch in diesem Fall würde eine “Verfassungsmehrheit” in Deutschland benötigt.
In Frankreich scheint der ansonsten extrem schwach legitimierte Macron eine solche hinzubekommen.
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