Warum der EU Pax Americana und Petrodollar so am Herzen liegen

Weil wir Europäer kein eigenes Erdöl und auch keinen Plan B für den Fall haben, dass es für Fiat-Dollars womöglich schon morgen weder Roh- noch Treibstoffe geben wird. Paradoxerweise sind uns die US-Amerikaner auch in Sachen Petrodollar voraus. Dank der Gunst der Natur, innovativer Technologie und finanzieller Taschenspielertricks können sie z.B. weitgehend energieautark werden, vorübergehend. Uns Euros bleiben nur eine gescheiterte Energiewende und eine versagt habende Politiker-Kaste. NB zur Reorientierung der US-Außenpolitik.

Natürlich kommt man um den historischen Umstand nicht herum, dass Deutschland im Zweiten Weltkrieg den Kontinent verwüstet hat und dass Frankreich & Co. auf Schützenhilfe von Onkel Sam angewiesen waren (und dass diese danach darauf gebaut haben, dass dieser sie im Bedarfsfall auch vor Onkel Joe beschützt).

Sie waren und sind bis heute Onkel Sams Vasallen – aber es ist nicht so, dass sie nichts davon gehabt hätten.

Die europäischen Staaten sind bis heute mit dem Imperium befreundete Königreiche. In dieser Position ist man zwar weder heroisch noch voll souverän – doch das ist ein Preis, der entrichtet werden muss um  ein relativ bequemes Leben führen zu können.

Der imperiale Friede Roms mag Härten für dessen Feinde gebracht haben – den Freunden aber winkten eine Menge Vorteile.

Das galt auch für die Pax Britannica des 19. und die ihr nachfolgende Pax Americana des 20. Jahrhunderts.

Es war nach ´45 schon so wie James MacDonald in seinem When Globalization fails schreibt:

Under the American umbrella, the noncommunist world flourished just as the creators of the postwar order hoped. It was no longer necessary for Germany and Japan to demand empires and navies in order to enjoy their place in the sun. The other ex-imperial countries of Europe found that they too could prosper without their colonial appendages.”

Nun, nach einem halben Jahrhundert US-amerikanischer Fiat-Dollar und Jahrzehnten imperialer Überhebung und katastrophaler Fehleinschätzungen droht, was MacDonald an einer Stelle als

kompetitive Multipolarität”

bezeichnet – jedenfalls das Aus für eine singuläre imperiale Macht, die uns in den befreundeten Königreichen über Generationen ein vergleichsweise angenehmes Leben ermöglicht hat.

Ein Aspekt des bevorstehenden großen Übergangs wurde und wird in unseren Zeitungen und Büchern ja laufend thematisiert

- der ökonomische Wiederaufstieg Chinas und die Art, wie der künftige Welthegemon das Staffelholz von Onkel Sam übernehmen wird/soll. Siehe dazu zum Beispiel Martin Jacques When China rules the World oder Hugh Whites The China Choice.

Befinden wir uns also wieder im Jahr 1914, als ein Konflikt um die Weltmacht “kriegerisch gelöst” wurde oder in den 1940ern, als der alte Hegemon einsichtig in die zweite Reihe zurücktrat und seinem Nachfolger den globalen Lorbeer und seinen Gefolgschaftseid anbot?

Ist die heutige Volksrepublik etwa das Wilhelminische Deutschland von 1900 – oder sind die USA vielmehr mit dem Britannien Winston Churchills vergleichbar?

In beiden Fällen waren die Kämpfe um die globale Macht von (welt)kriegerischen Umständen begleitet.

Aber obwohl sich zahlreiche Parallelen aufdrängen -  viel will absolut nicht zum Heute passen.

Der Umstand etwa, dass der Herausforderer nicht allein, sondern zu zweit zu sein scheint, wobei sein Bündnispartner die strategischen Waffen des Dr. Strangelove kommandiert und überdies noch im Überfluss (?) hat, wonach es den globalen Herausforderer Nr. 1 gelüstet: Ackerflächen, Wasser, Metalle und brennbare Kohlenwasserstoffe.

Unerhört auch, wie der alte Hegemon seinen Nachfolger quasi mit Hochdruck gehätschelt und -päppelt hat (sozusagen mit Neoliberalismus   :mrgreen:   ), so dass der Nachfolger gerade einmal 20 Jahre benötigte um aufzuschließen.

Das ist unerhört, auch wenn man die innige Sonderbeziehung in Rechnung stellt, die Großbritannien und die USA nach 1812 verbunden hat.

Und schließlich:

“Flexibles Geld” mag ja den Ersten Weltkrieg und den speziellen “militärischen Keynesianismus” Nazi-Deutschlands erst ermöglicht haben – dass ein Übergang auf der Basis beliebig vermehrbaren Staatsgelds und virtueller Vermögenswerte in den Zentralbankbilanzen erfolgte, wäre historisch beispiellos.

Das wird im Westen ja massiv propagiert – praktisch überall, wenn man von gewissen in der Wolle gefärbten Dollar-Anbetern absieht.

Und auch in der Volksrepublik selbst gibt es nicht wenige, die Vorteile einer verdeckten Besteuerung via Inflation zu schätzen wissen.

Dass sie Geldbetrug und Blasenmachen beherrschen, haben die Chinesen spätestens seit 2008 ja immer wieder bewiesen.

Wie immer die Handels- und Währungswelt nach dem Tod des Petrodollar ausehen wird – dass dessen Nachfolger eine goldgedeckte, konvertible Währung auf Basis eines ehrlichen physischen Goldmarkts sein wird, kann weitgehend ausgeschlossen werden.

Ein echter Goldstandard wäre jedenfalls die unbequemste Form des Regierens und unbequem mögen’s weder die Herren von Peking noch jene von Moskau.Sie könnten sich höchstens gezwungen sehen.

***

Wir Europäer mit unseren Wohlfahrtsstaaten etc. könnten uns daher eventuell mit dem neuen Weltwährungsregime anfreunden, aber die Sache mit der Energie und den Rohstoffen wird zweifellos schwierig.  :-P   

Sagt nicht die deutsche Mutti, die ja sozusagen von Berufs wegen an die Energiewende glauben muss, sondern dieser Blogger.

Was die europäische Energiewende betrifft, steht dieser Blogger 15 Jahre nach deren Beginn unter dem Eindruck dieses Charts:

primärenergiemaster_4

 sowie unter jenem der folgenden Liniengrafik zur Abhängigkeit von Erdölimporten:

master_eu_dependency_ratio_2

Nun könnte man daraus folgern, dass ein paar hundert Kilo schwere Autobatterien mit Kobalt aus dem Kongo gegenüber russischem Erdöl das kleinere Übel darstellten -  aber darauf will ich hier nicht hinaus.

Sondern darauf, dass das Zentrum des Imperiums für den absehbaren Zerfall seines Petrodollars besser gerüstet scheint, als die mit ihm befeundeten Königtümer in Europa.

Zum Beispiel energetisch.

Hier nun, wie sich die Auslandsabhängigkeit der USA von seiner wichtigsten Energiequelle über die vergangenen 16 Jahre entwickelt hat:

master_US_nettoimporte_ölNach Zählung der EIA sind die Staaten noch immer zu ca. 25 Prozent von anderen Staaten bei der Versorgung mit Erdöl  abhängig.

Aber wenn man in Rechnung stellt, dass jeden Tag 3,2 Millionen Barrel mit Öl und Ölprodukten aus Kanada kommen, ist die nordamerikanische Selbstversorgung mit Öl praktisch da.

Nicht, dass die Verbesserung der diesbezüglichen Handelsbilanz durch Shale so nachhaltig wäre.

Shale ist offenbar ein fauler Zauber, der – zumindest bisher – nur durch großflächige Kapitalvernichtung funktioniert hat, wie Steve St. Angelo immer wieder zeigt.

 Aber für ein paar Jahre oder ein Jahrzehnt kann’s schon funktionieren.

Nachbemerkung, 19.11.2017, 18.45 Uhr: Ich bin es eigentlich leid, den Pflichtverteidiger des US-Präsidenten zu spielen, muss ihn aber quasi automatisch in Schutz nehmen, wenn Trump besonders übel mitgespielt wurde oder wenn die Einschätzungen seiner Politik besonders schrill und krass einseitig werden (oft der Fall).

Ich erlaube mir auch eine Einschätzung seiner Außenpolitik, die wesentlich davon abweicht, was Trump in MS-Medien oder populären Politthrillern nachgesagt wird (“Lässt sich der Präsident noch stoppen den Dritten Weltkrieg zu beginnen?”).

Meiner bescheidenen Ansicht nach geht es dem orangenen Jesus – aus welchen Motiven immer – um den Ausstieg aus der bisherigen, traditionell imperialen US-Politik und eine Rückkehr zur regionalistischen Machtpolitik der Monroe-Doktrin.

Beschönigend könnte man “Multipolarität” dazu sagen – gemeint ist aber, dass sich die USA die Weltmacht mit Russland und China teilen.

Das könnte der reale Hintergrund der Russland-Verdächtigungen gegen Trump sein.

Eine solche außenpolitische Reorientierung ist daheim kaum gegen den tonangebenden Teil der “herrschenden Klasse” zu verteidigen – vor allem weil Trump aus wahltaktischen überlegungen den Eindruck erweckt hat, er wolle auch “außenpolitisch auf den Tisch hauen”.

Gideon Rachman, der Autor der Easternisation, deutet in diesem Interview mit Atlantic den wahren Grund an, warum Trump bei der herrschenden Klasse des amerikanischen Imperiums so verhasst ist:

Some of what [Trump has said] has implied that he might accept a “spheres of influence” concept—that Russia and maybe China in time, if they respected American commercial interests, would be given more of a free hand politically in their regions. But whether Trump could persuade the American establishment, or “deep state” as we now have to call it, to go along with that is a big question.”

Unabhängiger Journalist

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