Polit-Poker um Zölle für die USA und Russen-Flüssiggas in der EU

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Blumenthal, Selenski, Graham

Dieser Blogger hat sich vor ein paar Tagen über den Unsinn im gefühlt 105. Sanktionspaket der EU gegen Russland gewundert - zu einem Zeitpunkt, als ihm die gegen die Union gerichtete “gravierende Drohkulisse” seitens der USA noch nicht sehr bewusst war.  Jetzt sieht er, dass nach einem neuen US-Gesetz a) Brüssel auch über Stöckchen hüpfen möchte, die objektiv nicht zu überspringen sind und b), dass die im US-Senat eingebrachte Bill – siehe auch hier – dem in Europa ungeliebten US-Präsidenten die rechtlichen Mittel an die Hand gibt, den vor zwei Monaten groß trompeteten Luftnummern-Handelsdeal mit der EU in die Tonne zu treten. Hinter all der Staats-Posiererei steht aber wohl etwas noch Größeres: Das Ende des Öl-Zeitalters, zunächst für Europa und etwas später für die USA und Russland.

Die gefönte Urschl und ihre Beamten (sg. Experten) versuchen der hiesigen Öffentlichkeit das weitere Vorgehen gegen russisches LNG einerseits mit dem Hinweis zu verkaufen, dass die EU ihre angeblich fortbestehende “Abhängigkeit” von russischem Erdgas reduzieren müsse um “Putins Kriegsmaschinerie zu treffen”,

wo doch a) von den russischen LNG-Umsätzen sowieso nur ein kleiner Teil in Kriegsanstrengungen fließen könnte und b) nach EU-Angaben selbst heuer höchstens acht oder neun Prozent ihrer Gasimporte aus russischem Flüssiggas bestehen, siehe z.B. hier oder noch besser hier.

Der zweite Köder, den Kommission verwendet, scheint die halbwahre Behauptung zu sein, dass all dies auf Druck des US-Präsidenten geschehe, was (nicht nur) in der EU-Journaille eine ähnliche Reaktion triggert wie die Erwähnung des Kohlenklaus unter Goebbels-Journos “anno nazimal”.

Dabei tut der Donald in dieser Sache nichts anderes als was er immer tut (und was auch im Judo gang und gäbe ist): nämlich die Kraft seiner unterschiedlichen “frenemies” für eigene Zwecke verwenden. Man könnte auch “Art of the Deal” dazu sagen. Im vorliegenden Fall kann er auf diese Weise die “Luftnummer” vom Juli, die auch bei ihm daheim heftig kritisiert wurde, “entsorgen”

-  und zwar auf “rechtlich supersaubere Weise”, wie man unter Zuhilfenahme eines Grasserismuses formulieren könnte. Schließlich macht der Donald mit der Unterzeichnung des Gesetzes dann nichts anderes, als das, was “sein Parlament” von ihm verlangt

- “demokratischer” geht’s nimmer.

Die “führenden” treibenden Kräfte der Chose sind freilich die US-Senatoren Lindsey Graham (R) und Richard Blumenthal (D), die u.a. “über dem Falz” mit UA-Selenski zu besichtigen sind. 

Die beiden haben ein Gesetz “(co)gesponsert”, das besagt, dass die Lieferungen all jener Nationen mit einem US-Zoll von 500 Prozent zu belegen sind, die mit Staaten (frei)handeln, die selbst russisches Öl, Ölprodukte, Erdgas oder Uran mehr oder weniger offiziell von der RF erwerben (“secondary sanctions”).

Die “normalen” treibenden Kräfte des Gesetzes sollen mehr als 80 (von 100) US-Senatoren beider Kongress-Parteien sein, die für diese Bill stimmen werden. Genauere Abstimmenden-Zahlen weiß man noch nicht, weil der vote a) anscheinend noch nicht stattgefunden hat und b) weil dessen genaues Ergebnis noch von Manövern von “Kohlenklau Trump” abhängt, für die zu schildern nicht allzuviel Platz aufgewendet werden soll.

Ist aber egal

- die einfache Mehrheit scheinen sie auf jeden Fall zu haben, was letztlich eine neue “beautiful bill” ergeben wird, die für den US-Präsidenten bindend ist.

Letzterer hat schlau, wie er nun mal ist (sorry, Journaille!), schon Anfang September erklärt, dass “Europa” selbst mit dessen angeblichen oder wirklichen Russen-Importen “Putins Kriegsmaschinerie” schmiere und dass “die Euro-Politicos” zuerst einmal aufhören müssten, russische Fossil-Brennstoffe zu kaufen.

Das “hinkt” schon einmal rein faktisch, weil

  • es prinzipiell zwar korrekt ist, dass der EU angehörende Staaten weiterhin russisches Gas und vlt. auch Erdöl kaufen, dies aber in marginalen Mengen tun – beispielsweise bei Gas zusammen etwa 13 Prozent aller die Unions-Staaten erreichenden Auslands-Lieferungen. Dies passiert in Form von LNG oder über die Turkstream, eine Pipeline, die nach Ungarn und vielleicht auch ein bisserl in die Slowakei und nach Österreich liefert. Alle anderen Exportrouten sind bereits gekappt, sei es per Schiff (Erdöl – “sanctions for seaborne crude”) oder per Pipeline (Erdöl – “Druschba”, siehe dazu den letzten Erdöl-Tracker von Bruegel, Fig.4; Erdgas weiters über die Jamal-Pipeline, seit 2025 auch deren “Südarm”). Die Amis – Graham inklusive – wissen das ganz genau und verwenden trotzdem z.B. 2024er-Zahlen, ein Jahr, in dem der “Südarm” der Jamal noch intakt (und das Transitabkommen durch die Ukraine noch aufrecht) war.
  • Selbst für den Fall, dass H “nicht pariert und seine Turkstream-Importe einstellt” und dass Ungarn noch “zeitgerecht” aus der EU ausgeschlossen werden kann (vlt. gleich mitsamt der SK),  gibt es freilich ein Pseudo-Argument, gegen das rational nicht anzuargumentieren ist: die Mär vom indischen “Ölveredelungsverkehr” mit der EU. Die ist zwar Unsinn, weil es a) weder eine direkte russische Ölpipeline nach Indien gibt noch b) weil die Schrottkähne von Putins fabelhafter “Schattenflotte” keine täglich 1,7 bis 1,8 Mio. Barrel (zur Konversion siehe z.B. hier und hier) nach Indien transportieren können – aber “es steht ja überall”: natürlich in diversen Nachrichtendiensten, aber auch in der “Energie-Bibel”, der “Statistical Review of World Energy”; selbst dort findet sich auf den Seiten 34 und 35 der 2025er-Ausgabe, dass Indien vergangenes Jahr 27,7 Mio. Tonnen “raffinierte Produkte” in die EU geliefert und 87,5 Mio. Tonnen Rohöl aus Russland bekommen hat. Gotcha! Jedes kleine Kind inklusive der sg. Ölmarktexperten weiß heute sicher, dass Indien jede Menge russisches Rohöl bezieht und dass seine Raffinerien dies in Treibstoffe umwandeln, die wiederum “nach Europa” liefern.    :mrgreen:      Dieser Blogger hält diese Mär, ehrlich gesagt, für eine ursprünglich russische Propagandalüge, die teuflisch clever umgedreht und gegen Indien und “Europa” gerichtet wurde.
  • Die EU, die bez. dieser “Ölveredelungsverkehrs-Lüge” ziemlich sicher im Bild ist,  glaubt nun, mit ostentativ gutem Willen den für die eigenen Exporteure tatsächlich nicht so schlimmen “Luftnummern-Handelsdeal” retten zu können und scheint gewillt, wenigstens über das hin gehaltene Stöckchen “russische LNG-Lieferungen” zu springen, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, dass das nächste Stöckchen dann halt ein wenig höher sein wird und schließlich das “höchste Stöckchen” nicht zu überspringen ist, weil die “Ölveredelungsverkehrs-Lüge” mittlerweile den Rang eines “etablierten Faktums” einnimmt. Relevanter als der Handel mit Indien ist freilich der “europäische Handel” mit China, das nach Trumps Vorstellungen gegenüber China Einfuhrzölle bis zu 100 Prozent erheben soll (die USA halten derzeit bei 30 Prozent Einfuhrzoll).

All das ist nach Ansicht dieses Bloggers freilich nur der Auftakt zu einem epochalen Wandel, der sich wohl großteils “hinter dem Rücken der Akteure” abspielt

- nämlich das “im Westen” vielfach ersehnte Ende des Öl-Zeitalters, das unschwer in Statistiken zur Erdölförderung, historischen Grafiken zur konsumierten Primärenergie oder auch in gewissen militärischen Zielen im russisch-ukrainischen Krieg – siehe z.B. hier – zu erkennen ist. Trotzdem mag jede der beteiligten Parteien im unerschütterlichen Glauben agieren “recht zu haben”.

Bild: President.gov.ua, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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