Die versuchte Heimkehr eines zeitweilig verirrten Schafs

Le Sarrazin nouveau est arrivé! Der seit 2010 verketzerte Autor, der erst kürzlich endgültig aus der Kevin-SPD ausgeschlossen worden ist, hat ein neues Buch vorgestellt,cover_Sarrazin_resized  das erneut einer Ideologiekritik des linken Mainstreams gewidmet ist, das gleichzeitig aber seine Hand nach dem restlichen Hauptstrom aus streckt, und zwar auf Basis von Viridiotismus, Russenhatz und illusorisch strahlendem “Klimaschutz”. Ob diese auch genommen wird, ist freilich fraglich, weil sich die Ideologie-Wächter der gauchistischen Journaille unversöhnlich zeigen.

Dabei haben Thilo und seine gauchistischen Kritiker gar nicht so wenig gemeinsam, beispielsweise ihre Verliebtheit in die Idee vom gerechten, alle anderen Erwägungen ausstechenden Staatswesen,

weswegen u.a. die  Aussage, dass Sarrazin “normativen Setzungen” abhold sei, glatter Unsinn ist.

Sarrazin ist normativ für den Staat,

aber er hat sich seit gut zehn Jahren immer wieder an den ideologischen Kronjuwelen des erwachten (≠ aufgeweckten) medialen Gsieberls vergriffen und er tut das in seinem neuen Buch aufs Neue.

Das ist in Summe nur schwer zu vergeben und vergessen.

Seit  “Deutschland schafft sich ab” (2010) bestehen die Kardinalsünden des Autors ja in dessen angeblicher “Moslem- und Zuwanderungsfeindlichkeit” sowie in seinem ebensolchen “Biologismus”.

Das war und ist natürlich Schmarrn, aber man kann’s ja mal schreiben, vor allem, wenn man dafür sorgen oder wenigstens dazu beitragen kann,

dass allfälliges Protestgeheul ungehört verklingt (Achtung Verschwörungstheorie!).

Wie andere hartleibige Sünder auch, kommt S. im neuen Buch immer wieder auf alte Irrtümer und Verfehlungen zurück (manchmal freilich nur in chiffrierter Form). als z.B. da wären:

  • Seine offenkundig geheuchelte Sorge um das deutsche Bildungswesen,
  • die erneute & erneuerte Kritik am “Genderismus”
  • oder Sarrazins unüberhörbare Skepsis gegen eine “Energiewende mit den Mitteln sg. Erneuerbarer”; Bekenntnis zur Atomkraft inklusive.

Das alles geht für unsere medialen Ideologie-Wachler ganz und gar nicht, und Sarrazins 2020 erfolgte Anrufung des  Staats – der seine linken Kritiker ja eigentlich viel abgewinnen müssten – hat diese nur noch fuchtiger gemacht.

Des Autors Staatsbeschwörung erfolgte nämlich im Zusammenhang mit der Migration, wobei S. angelegentlich noch behauptet hat, dass diese – historisch gesehen – die Einwanderungsgesellschaften a) destabilisiert habe und dass sie b) kein unvermeidbarer, sozusagen elementarer Prozess sei.

Für unsere gauchistische Journaille ist der oft als “neoliberal” titulierte Nationalstaat eigentlich für so gut wie alles zuständig

- aber ausgerechnet Einwanderung. muss das sein?

Pfui Rechts-Popo, kann man da nur sagen.   :mrgreen:

Nun muss man der Fairness halber fest halten, dass Sarrazin seine Reizthemen – Immigration, biologische Grundlagen des Menschen, “jakobinische” Political Correctness  und (währungs)politisches Wunschdenken – in mittlerweile ca. 10 Büchern ausgeführt hat

und einräumen, dass in den entsprechenden Passagen seiner “Feinde der Vernunft” darüber hinaus nichts Neues gesagt wird

(was zur nach Luft schnappenden Headline führte: “Hat er womöglich das gleiche Buch schon wieder geschrieben?”).

Sarrazin ist, das sei ihm zugestanden, sich selbst treu geblieben – der früheren studentischen Ausgabe seiner selbst und auch  dem Staats-Fetischismus seiner früheren Existenz als “rechter Sozialdemokrat”.

Wenn er in Zusammenhang mit seinem Parteiausschluss aus der SPD erklärt, er habe seit den 1970ern im Prinzip nie etwas anderes vertreten als ab 2010, ist das schlicht und einfach glaubwürdig.

Noch ein Anti-Putinist…

Das gilt auch und besonders für neue “Themen”, die es telquel früher noch nicht gegeben hat, wie etwa den Krieg der Russen gegen die Ukraine.

Beim Ukraine-Krieg geht Sarrazin von zwei Ausgangspunkten aus -

  • einmal jener Perspektive, die er als junger sozialdemokratischer “Befürworter des Nachrüstungsbeschlusses” zur damaligen Sowjetuion und zur “Systemkonkurrenz zwischen ‘freiem Westen’ und  ‘Sowjetsystem’” entwickelt hat  (und die er auf die heutige Konfrontation um die Ukraine überträgt)
  • und zweitens von der Tatsache, dass der Einmarsch der Russen am 24. Februar 2022  tatsächlich völkerrechtswidrig war/ist (ein “Angriffskrieg”). Deshalb (?) erscheint S. diese Attacke als “größter Angriff auf die menschliche Vernunft”. Der Krieg sei durch den jahrzehntelangen Pazifismus der deutschen Außenpolitik mit ermöglicht worden, den er nicht nur, aber auch und speziell den regierenden Grünen vorwirft. Und “Pazifismus” fällt in Sarrazins Buch unter Ideologie, so wie “Genderismus” oder “Gleichheitswahn”. Der Ukraine im Jahr 2008 die NATO-Mitgliedschaft zu verweigern, habe sich als “folgenschwerer Irrtum” entpuppt.

Das Problem ist “nur”,

  • dass, erstens, nicht immer alles, was ähnlich aussieht, auch wesentlich das Gleiche ist und
  • zweitens, dass es intellektuell unredlich ist, wichtige Bestimmungsstücke eines Konflikts einfach zu unterschlagen, zum Beispiel 30 Jahre Osterweiterung der NATO, die sehr wohl vorhandene militärstrategische Bedrohung Russlands durch einen formellen oder informellen NATO-Beitritt der Ukraine oder die seit  zig Jahren andauernden  Streitereien zwischen Moskau und Kiew bezüglich der Durchleitung von russischem (oder “russischem”) Erdgas. Wenn solche für das Verständnis wichtige Teile der Story erst gar nicht in das “Narrativ” einfließen, lässt sich schnell einmal auf einen vermeintlich Alleinschuldigen zeigen.

…und Pro-Vaxxer

Noch schockierender sind Sarrazins Positionen zum Thema Pseudo-Seuche und den  staatlichen Maßnahmen gegen derenVerbreitung – inklusive Impfzwang

(ein “sektorieller” in Deutschland sowie ein – mittlerweile abgeschaffter – allgemeiner in Österreich).

Hier bekennt Diederich Sarrazin Farbe – die Farbe des Untertanen: Die (diesfalls legitime) Obrigkeit habe im Fall der Gefährung von Menschenleben entschieden zu handeln. meint er, und die ihr Unterworfenen hätten gefälligst  zu parieren – egal, ob es sich um eine ansteckende Krankheit handelt,

  • die, was allein die Opferzahlen betrifft, Lichtjahre von allen schwerer wiegenden historischen “Pandemien” entfernt ist,
  • ob die befohlenen public health-Vorschriften womöglich auf die Vernichtung der je eigenen wirtschaftlichen Existenz hinaus laufen und sogar,
  • ob dabei das seit 1945 wqeitgehend unbestrittene Tabu von der staatlicherseits zu respektierenden körperlichen Unversehrtheit der der Staatsgewalt Unterworfenen durchbrochen wird,
  • zugunsten einer “präventiven Maßnahme”, deren Langzeitfolgen bis heute unklar sind und von der sich in kürzester Zeit heraus gestellt hat, dass sie einer Infektion gar nicht vorbeugen kann.

Natürlich formuliert S. seinen Gehorsams-Imperativ nicht offen & unverblümt

- oberflächliche Drüber-Leser hätten sonst womöglich inne gehalten und sich gefragt, ob jetzt eigentlich noch vom illegitimen Diktator Putin oder schon von den legitimen KanzlerInnen Merkel/Scholz die Rede ist.   :mrgreen:

Ganz im Stil der auch von vielen “MSM” verfolgten Strategie der Irreführung ohne buchstäblich zu lügen bastelt S. eine Erzählung über das Virus und diverse Abwehrmaßnahmen der deutschen Gesundheitsbehörden 2021/22.

Die Geschichte ist in ihren Einzelteilen faktisch korrekt und der Autor vermerkt auch richtig, dass in unterschiedlichen Gesellschaften das Verhältnis der Rechte von Individuum und Kollektiv unterschiedlich geregelt sei.

Das Narrativon der deutschen Pandemie wird in Kapitel 4 aber doch so in Szene gesetzt, dass von Anbeginn klar wird, auf welcher Seite die böswilligen und oft dummen Impfgegner und Rechtsradikalen sitzen, die die “Expertise der Virologen und Ärzte beiseite wischen”

und wo die vom “medizinischen Sachverstand” unterstützten Hilfsbereiten, die sich in Sachen allgemeine Imnpfpflicht anonymen Drohungen, dem Druck von der Straße sowie der Uneinigkeit in der Ampelkoalition hätten beugen müssen.

Die “Impfung”, so Sarrazin, sei jedenfalls ein Thema, bei dem die “Rationalität sonst vernünftiger Menschen plötzlich aussetzte”.

  • Sicherheitspolizeiliche Schikanen gegen das seit 100 Jahren verfassungsmäßig verankerte Versammlungsrecht,
  • Ausgangssperren, die ansonsten nur in Zusammenhang mit dem Kriegsrecht bekannt sind,
  • die ständige staatliche Nötigung von Firmen und Individuen sich doch endlich die Spritzen geben zu lassen
  • oder die Verhaftung von Impfgegnern

sind in der Darstellung unseres Autors jedenfalls nicht der Rede wert.

Liberale und Libertäre, von denen es in Deutschland Unmengen zu geben scheint,  setzten “die individuelle Freiheit absolut” (was streng genommen nur geht, wenn sie nicht grad einen auf Nazi machen).

Solche Leute hätten zuerst die Pandemie “geleugnet”, die Gefährlichkeit des Virus und die Existenz einer nennenswerten Übersterblichkeit bestritten

(siehe unten – bearbeitete – Euromomo-Screenshots zum Ausmaß der deutschen Übersterblichkeit in Berlin und Hessen)

- um danach gegen diverse “allgemeinverbindliche Schutzmaßnahmen” der Gedsundheitsbehörden zu opponieren.

Übersterblichkeit_in_Hessen_bearbeitet
Quelle: Euromomo, Mortalität all causes
Übersterblichkeit_Berlin_bearbeitet
Quelle: Euromomo, Mortalität all causes

***

All das entspricht weitgehend auch dem “Diskurs” der klassischen Medien (discours im Sinn von Foucault) und so ist es nicht unsymptomatisch, wenn die Berliner Morgenpost fragt:

Kommt er jetzt zur Vernunft?”

Teile des medialen Mainstreams – und wohl auch der SPD – wünschen sich ein “ehrenwertes” Comeback des vor zehn Jahren verlorenen (verstoßenen) Sohns

und sein jetzt vorgelegtes “Angebot selektiver Vernunft” könnte von vielen als versöhnliche Geste verstanden werden

- fragt sich bloß. ob die Ton angebenden, woken Leittiere des Medien-Rudels imstande sind,

über ihren Schatten zu springen, von ihrem Baum wieder herunterzukraxeln und ihren Bruder im Geiste in die Arme zu schließen.

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.