Die Übergriffe auf Frauen, die am Silvesterabend vor dem Kölner Dom stattgefunden haben, waren bis 3./4. Jänner offiziell gar nicht existent. Ja, es war ein Schweigekartell, wie das ein ehemaliger deutscher Innenminister genannt hat – eines aus Politik, Polizei und Medien. Da nutzen weder Unschuldsbeteuerungen noch gegenseitige Bezichtigungen was. Die Nachrichtenlage zur damaligen Nachrichtenlage ist klar: Jeder der (Nicht-)Agierenden hätte etwas wissen und thematisieren können.
Bezeichnenderweise kommt das bisher einzige “Karriereopfer” aus dem Polizeiapparat. Es ist der geschaste Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers, dem (offenkundig zu Recht) der Vorwurf gemacht wird, er habe mit einer Presseaussendung am Neujahrstag eklatant falsch informiert.
Das Versagen der überregionalen Medien im allgemeinen und der Staatssender im Speziellen ist jedoch genauso gut dokumentiert, siehe z.B. hier. Es mag ein paar stichhaltige Entschuldigungsgründe für den 1. Jänner geben, aber das war’s dann schon. Was haben die Damen und Herren Chronikjournalisten am 2. und 3. Jänner so gemacht? Und warum, bitte schön, konnten der Kölner Stadtanzeiger und der Express schon am Neujahrstag, was die anderen bis 4. Jänner nicht konnten?
Hier sind zwei Screenshots von am Neujahrstag erschienenen Artikeln des Kölner Stadtanzeigers und des Express:
Da hilft auch billiger Sarkasmus nicht, mit dem sich manche der Ertappten zu schützen suchen.
Und wir sprechen uns ab, schweigend. Sonst wären wir ja kein Schweigekartell.”
(Vielleicht haben sich die Teilnehmer ja gar nicht abgesprochen und trotzdem eine Allianz gebildet, ein Verhaltenskartell halt.)
Die Politik ist in Gestalt der CSU den staatlichen (“öffentlich-rechtlichen”) Sendern jedenfalls gehörig auf die Zehen gestiegen und seither berichten diese, was das Zeug hält.
Schließlich ist die Causa für die Öffis besonders unangenehm. Die Staatssender werden von den deutschen GEZ-Zahlern, Steuereseln wie du und ich, mit Milliardenbeträgen alimentiert und müssen so etwas wie einen Informationsauftrag erfüllen.
Als paradoxe Folge des politischen Drucks gelangen deren Nachrichtenredaktionen erstmals seit langem wieder in die Nähe dessen, was theoretisch eine Kernaufgabe wäre: die Kontrolle der Mächtigen (vor einem Jahr haben sie noch Fototermine von Politicos als politisches Handeln inszeniert).
Im Zuge solcher Berichte wird dann etwas gebracht, was nur selten an die Öffentlichkeit dringt, weil es in einem Schambereich angesiedelt ist und im Regelfall nicht dokumentiert wird/werden kann. Es geht um die verschiedensten Formen grauer Politik.
Hier schildert ein freier Journalist das Ergebnis seiner Recherchen im Polizeimilieu zum Thema Kölner Silvester. Kurz gesagt darf die Polizei auf Weisung der Politiker nicht frei informieren, weil – wie die Politiker meinen -, die Gefahr droht, dass die falschen Schlüsse daraus gezogen würden.
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