Claire Bond Potter, eine pragmatisierte Radikale, hat eine Zeitgeschichte der alternativen Medien in den USA veröffentlicht und ihr Hauptbefund ist, dass kürzlich amateurhafte, automatisierte & russisch unterwanderte Rechts-Popo-Medien ehrliche & anständige Profi-Journos überwältigt hätten, weswegen jetzt die Demokratie untergehe. Die Darstellung ist lesenswert, obzwar nicht gerade originell. Die Apologeten öffentlich-rechtlicher Sender haben vor 30 Jahren ähnlich argumentiert, als die europäischen Staatsfunker ihre Monopolstellung verloren.
“Political Junkies” holt bis zu Joe McCarthy und dem Vietnamkrieg aus, als zunächst die linken Journalisten bei den medialen Platzhirschen “nicht durchkamen” und daher auf alternative Medien du jour setzten, beispielsweise Newsletter.
Ab den 1980er-Jahren entdeckten auch die Rechten, dass man damit Parteigänger und ihnen genehme “politische Junkies” erzeugen und/oder mobilisieren konnte.
Dann dämmerte das Digitale Zeitalter herauf, was zunächst alle möglichen Fantasien über die angeblich bevorstehende neue Form von Demokratie befeuerte.
Danach wurde Bill Clinton ins Weiße Haus gewählt und die rechten Junkies begannen mit Eiern herum zu werfen,
während Matt Drudge ein neues, Skandal & Tratsch gewidmetes Anti-Establishment-Medium im Internet ins Leben rief.
Zum ersten Mal überhaupt waren mit dem Drudge-Report alternative news imstande “die Agenda zu setzen”.
Zum ersten Mal wedelte der alternative Schwanz mit dem Hund der klassischen Medien, zunächst sporadisch, 2016 freilich bereits laufend.
Es folgten die bleiernen (Baby-)Bush-Jahre, in denen innovative & junge Medienleute gegen den Alptraum in den Regierungs- und Redaktionsstuben mobil machten
- bis endlich ein dunkelhäutiger, “demokratischer” Hoffnungsträger Präsident wurde.
Obama erwies sich zwar auch (und speziell) für Lefties als riesige Enttäuschung,
seine Person reichte aber aus, um epileptische Anfälle bei konservativ-liberalen Junkies zu verursachen.
Eigentlich waren diese fast schon rechtsextrem, was sich an ihrer Untertsützung des “marktradikalen” und staats- und kriegsfeindlichen republikanischen Vorwahl-Kandidaten Ron Paul im Jahr 2008 zeigte.
Die manchmal auch rassistischen rechten Polit-Fexe verloren sich danach in digitalen Bestandteilen der Tea Party und mutierten zu immer radikaleren Anti-Obamanistas
(zugegebenermaßen kriegte der z.B. nicht einmal seine Internetstrategie auf die Reihe).
Da raste, gewissermaßen aus dem toten Winkel kommend, ein milliardenschwerer Toupet-Träger und Reality TV-Star auf die politische Bühne und zwitscherte sich in nur wenigen Jahren bis an die Spitze des Staats
(was dadurch erleichtert wurde, dass die linken Digital-Populisten, die über die unfaire Behandlung ihres Bernie empört waren,
die einzige Person attackierten, die dem frauenfeindlichen orangenen Mann das politische Wasser hätte abgraben können.
Der Aufstieg Trumps war auch insofern “logisch”, als er jener Kandidat war, der mit den neuen Rechts-Popo-Medien am kompatibelsten war).
Gute & böse alternative Medien
Mit dem 8. November 2016, dem Wahlsieg des Donald, war dann endgültig die Demokalypse angebrochen, wie das ein TV-comedian formulierte.
Nun könnte man mithilfe einer (gern auch quantitativen) Textanalyse herausarbeiten, wie unterschiedlich die Autorin die beiden alternativen medial-populistischen Strömungen behandelt – aber das ist diesem Blogger zu viel Aufwand.
Ihre rhetorischen Strategien sind jedenfalls mit freiem Aug’ erkennbar.
Die Potter erklärt zwar, dass beide Seiten hyperparteiisch agierten, und beide ihre Anhänger zornig machten,
sie lässt aber keinen Zweifel aufkommen, welche nun die reformorientierte und letztlich rationale und wo die denkfaule, dumpfe und für Verschwörungstheorien anffällige Fraktion sitzt.
Auch einschlägige Framings und Standard-Wordings sind unschwer zu erkennen.
Peter Schweizers Buch über die Clinton-Stiftung sei “voller Fehler” (nach ein paar wirklichen Korrekturen falscher Fakten wird es bis heute verkauft), digitale Anti-Clinton-Krieger seien in Wahrheit “Trolle aus St. Peterburg” (Russland)
und der von Trump ernannte Höchstrichter Brett Kavanaugh sei ein “bestätigter Serien-Sex-Täter” (nachdem angebliche Opfer sich nach 35 Jahren an Kavanaughs Übergriffe erinnert haben wollten).
Ja, nee, aber sicher.
Sandmann & der Indianer
Da passt die Geschichte von den Covington-Boys gut rein (oder auch nicht).
Immerhin lässt Potter diese nicht unter den Tisch fallen und das sei ihr zugute gehalten (sowie den amerikanischen Mainstream-Medien, dass sie zuguterletzt den wirklichen Ablauf der Dinge dargestellt haben
- in Deutschland könnte sowas nicht passieren, siehe Chemnitz).
Dieser Blogger hat zweimal drüber geschrieben, hier und hier.
Im Wesentlichen ging es um eine mit vielen Konnotationen befrachtete Konfrontation beim Lincoln-Memorial,
zwischen einem katholischen Schüler aus der Provinz und einem älteren Indianer-Funktionär.
Zuerst ereiferten sich Abendnachrichten und “Qualitätszeitungen” über das “respektlose und provokante Verhalten”, das der 16 Jährige gegenüber dem Stammesältesten an den Tag gelegt haben soll (ihre Basis war ein “einschlägig editiertes” Video über den Vorfall – siehe Chemnitz & Ibiza).
In der Folge kam dann mehr Material ans Tageslicht und es zeigte sich, dass sich die Eingeborenen-Aktivisten aktiv unter die Anti-Abtreibungs-Teenager gemischt und dem einen Covington-Boy provokant ins Gesicht getrommelt hatten.
Der ließ das mit steinerner Miene über sich ergehen, was für diesen Blogger, einen wenig duldsamen Mann, bis heute ein Rätsel ist.
Immerhin scheint es sich ausgezahlt zu haben.
“Nichts Genaues weiß man nicht” (außergerichtliche Einigung), aber Nick Sandmann dürfte “für sein Leben ausgesorgt haben”.
Potter, die ihre linken Freunde gewarnt haben will, auf den Empörungs-Zug aufzuspringen, nimmt den Vorfall als Beispiel dafür, wie Hyper-Parteilichkeit echte Nachrichten abgelöst hat
- aber man kann auch andere Schlussfolgerungen draus ziehen.
Berufsbedingter Schwachsinn?
Zum Beispiel, dass die MSM halt kognitiv beeinträchtigt zu sein scheinen, wenn eine Story ihre ideologischen Reflexe auslöst.
Dieselben Medien, die (heute, nicht in den 1960ern) Garanten für eine Berichterstattung sine ira et studio sein sollen
(meist indirekt ausgedrückt: “Millioneninvestitionen in Berichterstattung “, “Original-Reporting”, etc).
Ähnliches haben übrigens z.B. ORF-Ideologen schon in den 1990ern für die Journalistien ihres Hauses reklamiert, im Kampf für Zwangsbeiträge und Rechtsprivilegien.
Auch hier könnte man, würde man eine Dissertation schreiben, sezieren,
mit welchen sprachlichen Strategien “solide Profi-Arbeit” in den klassischen Medien vom “geifernden rechten Twitter-Mob” differenziert wird .
Das Problem ist halt nur, dass die klassischen Medien alles andere sind als relativ unparteiische Schiedsrichter oder “nur den Fakten verpflichtete unabhängige Beobachter”.
Beiträge z.B. in diesem Blog zu den Themen CO2-Emissionen, Erneuerbare Energie, Geldsystem oder amerikanische Innenpolitik machen unzweideutig klar:
Die Journaille pflegt “Fakten”, die nicht in ihr Framing passen, zu ignorieren.
Oder es handelt sich eben um eine berufsbedingte, spezielle Form von Schwachsinn, die das Erfassen nicht ins Weltbild passender Tatsachen verunmöglicht.
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