Dass die Kriegführung der 5. Generation auch den Informationskrieg beinhaltet, hat mittlerweile die Runde gemacht und auch, dass das Gesocks in den Redaktionsstuben maximal puncto Informationskrieg des angeblichen Kriegsgegners punkten kann. Was aber, wenn die eigentlichen, gemeinsamen Feinde der angeblichen Kriegsgegner die Ressourçen verbrauchenden, auch eigenen Bevölkerungen wären, die an den “anti-malthusianischen Diskursen”, die ihnen zeitlebens eingetrichtert wurden, festhalten und die sich standhaft weigern “abzuschlanken”? Welch bessere Ausrede gäbe es, als dass der jeweilige Feind des Tages in Eurasien oder Ozeanien für das anstehende Massaker allein verantwortlich ist? Ein paar Beobachtungen.
Die Zahl der nicht auf ihren Wahrheitsgehalt gecheckten Mythen im Westen ist unüberschaubar und eine Auflistung würde den Rahmen dieses Blogs sprengen,
mehr noch: Geschätzte drei Viertel der Einträge auf staatssreich.at haben ein westliches Propagandem zum Thema, von der CO2-Ideologie bis zu Erneuerbare Energie-Schwurbeleien und von Tricksereien mit Fiat-Geld bis zu diversen staatlichen Anschlägen auf die westlichen “Bürger” via gesetzgeberischem Zwang.
Der in den Staaten wohl prominenteste, gegen die eigenen “Bürger” gerichtete Infokrieg-Streich war “Russiagate” bzw. die groteske Behauptung, dass Moskau über Trolle und Bots einen US-Präsidenten-Wahlkampf wesentlich beeinflussen könne.
Ein anderer, eher auf EU-Europa abzielender Coup war und ist die ständig wieder gekäute, nie mit nachvollziehbaren Zahlen untermauerte Darstellung,
dass jenes Europa, wie wir es heute kennen, dauerhaft ohne russische Rohstoffe und Energie auskommen könne.
Es gibt aber auch die Propaganda-Meme der Gegenseite u.a. für “Westler”, die zu intelligent sind, die vorgeblichen Wahrheiten der eigenen Seite zu “schlucken”,
aber dumm genug, auch absurde, für die Moskowiter günstig erscheinende “Berichte” zu akzeptieren.
Das in dieser Hinsicht wichtigste Genre knüpft an die unbestreitbaren Fakten der europäischen Rohstoffarmut und der daraus resultierenden Importabhängigkeit an,
behauptet aber wahrheitswidrig, dass die Russen für ihre “unerschöpflichen Reserven” über wesentliche Absatz-Alternativen verfügten.
Am verrücktesten ist die Meinung, dass Moskau das wegen Geringfügigkeit von der EU ohnedies nicht “sanktionierte” LNG einfach in die Volksrepublik umleiten könne.
In der wirklichen Welt müssten LNG-Tanker für so etwas erst Europa umrunden, die Meerenge von Gibraltar und den Suez-Kanal passieren und weiter nach China fahren, was etwa drei Monate erfordern würde.
Alternativ dazu könnte man vom neuen LNG-Hub in Murmansk mit Eisbrechern Russland umschiffen und das Flüssiggas über Sachalin oder Wladiwostok nach China schippern.
Ähnlich realitätsfern ist die unter Kritikern verbreitete Ansicht, die Russen könnten das bei den bisherigen europäischen Kunden “eingesparte” Pipeline-Erdgas nach Fernost umdirigieren.
Das mag irgendwann ab 2030 teilweise im Bereich des Möglichen liegen, sollte bis dahin auf wundersame Weise die “Power of Siberia 2″ gebaut worden sein und funktionieren – “morgen” ist das aber noch nicht der Fall
(nicht erst seit den Tagen von Fürst Potjomkin verfügt der Staat im Osten über eine lange Liste auch gefakter Wirtschaftsprojekte; eine westliche Gastransit-Route von Urengoi nach China wird jedenfalls seit gut 15 Jahren “studiert”, “geplant”, “vorgeschlagen” oder “vereinbart” – blablabla )
Bekanntermaßen haben die frühere Sowjetunion bzw. das heutige Russland sowie ihre europäischen Kunden 50 Jahre und viele Milliarden Dollar benötigt, um die heute bestehende, umfangreiche Export-Infrastruktur nach Westeuropa zu errichten.
Eine Gas-Pipeline nach China existiert derzeit nur in Form der östlicheren “originalen Power of Siberia”, die heuer grad einmal 22 Mrd Kubikmeter transportieren wird (was etwa dem kumulierten jährlichen Gasverbrauch von Österreich und Ungarn entspricht).
Nicht gänzlich unmöglich, aber wenig wahrscheinlich sind, drittens, auch alternative Absatzkanäle, die die Russen angeblich für ihr Öl haben
- Öl, das durch die europäischen Selbstmordsanktionen theoretisch frei geworden ist.
Die letzte Iteration des prorussischen Alternativverwertungs-G’schichterls findet sich hier.
Sie besagt, dass Indien Russland die frei gewordene Menge Erdöl – und mehr - billig abkauft, das russische crude raffiniert und die so erzeugten Produkte teuer wieder an Europa verkauft (“with a huge mark-up”).
Während derlei im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, wird dieses Narrativ umso suspekter, je mehr man nachhakt.
- Das erste Problem besteht darin, dass die Russen vergangenes Jahr auf dem Seeweg (“seaborne”) gut 6 Millionen Tonnen monatlich, also etwa 1,5 Millionen Barrel täglich nach Europa geliefert haben. Mehr als diese Menge soll seit diesem Februar nach Indien gehen, obwohl die früheren europäischen Lieferwege kurz waren (z.B. Primorsk – Rotterdam oder Novorossiysk – Triest), aber shipments nach Indien durch den Suez-Kanal müssten und daher idR doppelt so lang sein würden (es gibt keine direkte Pipeline). Womöglich sind die ausfallenden 1,5 Mio. Barrel aber ohnedies nur die “halbe Wahrheit”, weil auch das zentralasiatische Erdöl über russische Häfen (und Pipelines) kommt und daher “sanktioniert” wird.
- Zweitens belaufen sich die aktuell nach Europa verkauften indischen Ölprodukte auf (netto) 360.000 Barrel täglich, was im Jahr an die 18 Millionen Tonnen wären. Selbst wenn es gelänge, diese Menge im Jahresdurchschnitt auf 500.000 b/d zu steigern, wären das nur 25 Millionen Tonnen. Europa importierte bisher laut BP-Statistik jährlich aber knapp 200 Mio. Tonnen Ölprodukte, wovon etwa 90 Mio. aus Russland und der GUS stammten (2021). Es kann also durchaus sein, dass einzelne indische Raffinerien ein gutes Geschäft mit europäischen Abnehmern machen – der “konkurrenzlos billige feedstock” muss aber mit der Kirche ums Kreuz angeliefert werden und die nach Europa verkauften Raffinerieprodukte können mengenmäßig nicht mit jenen aus der früheren Sowjetunion Schritt halten.
- Unabhängig von den Größenordnungen würde dies jedenfalls heißen, dass der Subkontinent mit seinem kumulierten Raffinerie-Durchsatz von 4,8 mbd Europa mit dessen kumuliertem Durchsatz von 11,5 mbd mit Ölprodukten beliefert (BP-Stats, S. 25).
Alles prinzipiell möglich – dieser Blogger tut sich zugegebenermaßen aber schwer, derlei zu glauben..
Die Öffentlichkeit inklusive der russophilen “kritischen Geister” glaubt’s dessenungeachtet trotzdem.
Aber sie meint mehrheitlich auch, dass der Ausfall der russischen bzw. der GUS-Lieferungen von Öl und Gas irgenwie ausgebügelt wird und letztlich nix ausmacht, genausowenig wie jener von 45% der eingeführten Ölprodukte.
Dieser Blogger glaubt dagegen, dass hier eine Riesen-Show inszeniert wird, die es jedem Akteur erlaubt, mit dem Finger auf die Gegenseite zu zeigen, “sobald nichts mehr geht”.
To pivot or not to pivot ist hier die Frage
Auch die Zentralbanken eignen sich gut für einen solchen Zeigefinger, erhöhen sie doch seit einem Jahr laufend & beispiellos schnell die Leitzinsen,
was zu Bankenkrisen in Serie und massiven Problemen auch in der Realwirtschaft führt.
Dieser Tage haben Fed und EZB das Tempo der Zinserhöhungen gedrosselt
und die Perma-Pivotierer jubeln erneut und rufen:
Seht her, jetzt kommt die Zinswende!”
Aber das sagen sie schon seit den US midterm elections vor fünf Monaten und die Zentralbanker antworten ungerührt, dass sie allein “datengetrieben” entscheiden würden.
Die CPI-Teuerung ist bekanntlich nicht allein die “headline inflation” und die “Kerninflation” schaut für die Pivotierer derzeit (noch) nicht so gut aus.
Wie nicht anders zu erwarten, nimmt dieser Blogger den Zentralbanken ihr Inflationsg’schichterl aber sowieso nur bedingt ab.
Die CBs müsssen das sagen, weil Preisstabilität ihr Kern-Mandat ist – und ganz falsch ist das Inflationsg’schichterl ja auch nicht.
Man kann ja schlecht erklären, dass man mit seinen Zinserhöhungen die Nachfrage derartig gründlich zerstören möchte, dass das (Energie)Angebot nicht für alle sichtbar völlig ungenügend ausfällt.
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