Ö: Der “Anpatzer” v. Ballhausplatz und die “liberalen” Regelbrecher

IMG_20200205_203216_resized_20200206_123000103Ein paar Worte über den ca. 100. Aufguss des aktuellen Polit-Kulturkampfs in Österreich: Er spielt in jenem heimeligen Halbdunkel, in dem sich seit Jahrzehnten erste und vierte Gewalt treffen und dessen Regeln üblicherweise respektiert werden – mit Ausnahmen. Jetzt, 23 Jahre nach Schüssels “richtiger Sau”, war wieder eine Ausnahme fällig, weil die “liberale” Journaille fürchtet, dass die schwarz-türkise Exekutive nach der Bastion der Linken in der Justiz greift.

Wer die Zusammenfassung liest, die der Falter-Chefredakteur zu dem intriganten Getänzel liefert, könnte glauben, dass Kanzler Sebastian nun nach der “unabhängigen Justiz” greife und dass die Nicht-Beachtung der Omertà durch den Falter politisch-moralisch gerechtfertigt sei, weil dem demokratischen Staatsschiff nicht wieder gut zu machender Schaden drohe (“Not kennt kein Gebot”).

Die Wahrheit ist komplizierter und einfacher zugleich: Die Staatsanwaltschaften waren noch nie wirklich von der Regierung unabhängig – auch und schon gar nicht zu SPÖ-Zeiten – und die “liberale” Journaille hat heute Angst, dass sie einen Verbündeten im “Kampf gegen rechts” verlieren könnte;

einen Alliierten, der v.a. im Zusammenspiel mit ihr selbst, der “vierten Staatsgewalt”, sehr effektiv war – zum Vorteil selektiver Strafverfolgung und zum Schaden einer echten rechtsstaatlichen Kultur.

Vorderhand geht es darum, weiteren politischen Druck von links auf die grüne Justizministerin bzw. den kleineren Koalitionspartner auszuüben (was eine eigene Geschichte mit mindestens ebenso großem Erklärungsbedarf wäre – lassen wir das jetzt).

Die “harten Fakten”, die der Falter-Chefredakteur, ein vorgeblicher Enthüllungs-Journalist, anführt,  sind – wie diesem Blogger bestätigt wurde – weitgehend korrekt:

Kurz hat vor drei Wochen Innenpolitik-Journalisten zu einem “Hintergrundgespräch” geladen – ein “Format”, für das ganz spezielle Regeln gelten.

Die Journalisten, die daran teilnehmen, dürfen (und sollen) alles verwenden, was gesagt wurde, aber keinerlei Zuschreibung des Gesagten vornehmen.

“Hintergrundgespräch” bedeutet per definitionem “off the record”. Das wird üblicherweise auch respektiert, weil man ja auch zum nächsten “Hintergrundgespräch” eingeladen werden möchte.

Ein solches “Format” hat für beide Seiten Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Vieles liegt aber ohnedies auf der Hand.

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Kurz hat sich bei besagtem Treffen darüber beklagt, dass sein ehemaliger Finanzminister ins Visier einer politisch vorgehenden Staatsanwaltschaft geraten sei und dass eine gewisse Anklagebehörde von Mitgliedern des Bundes Sozialistischer Akademiker kontrolliert würde (was der Falter als “Verschwörungstheorie” abtut).

Es reichte unserem politischen Saubermacher im medialen Schafspelz jedenfalls zu einer Umgehung der oben geschilderten “Hintergrund-Regel”, was speziell perfid ist, weil derjenige, der die Aussage getätigt hat, “nichts zurechtrücken” kann, weil er dadurch bestätigen würde, was er gesagt hat.

Es ist, kurz gesagt, wieder einmal ein medialer kurzer Prozess ohne Strafprozessordnung und Angeklagten-Rechte – wie schon bei Strache (sagt einer, der keine speziellen Sympathien für den Kanzler hat – “Android”).

Die von Klenk rapportierten grundsätzlichen Fakten stimmen – deren Kontextualisierung, Interpretation und Framing sind aber mehr als dubios.

Das beginnt schon bei Florians Behauptung, die IPO-Journalisten seien über das “Anpatzen einer Korruptionsbehörde” durch Kanzler K. “erstaunt” gewesen (“Korruptionsbehörde” ist echt gut - Chapeau!   :mrgreen:   ).

Dass ein Gutteil der Staatsanwaltschaften politisch motivierte selektive Strafverfolgung übt, kann keinem, der schon länger im Geschäft ist, entgangen sein – siehe zum Beispiel auch das Vorgehen gegen Martin Sellner).

“Erstaunt” könnte ein IPO-Journalist höchstens darüber sein, dass jemand, dessen Partei diese Spielchen seit Jahrzehnten spielt, das Thema überhaupt anspricht.

“Erstaunt” könnte man ev. auch über die Darstellung sein, dass das selektive Vorgehen von Anklägern nur Türkis-Schwarze treffe – und nicht auch und vor allem (Ex-)Blaue.

Darüber, dass Staatsanwälte politisch einäugig vorgehen, kann kein IPO-Redakteur, der (die) nur 10 Cents wert ist, “erstaunt” sein. Die wissen das genau – ebensogut wie dass eine Anklageerhebung oder Razzien in politisch heiklen Fällen Nüsse bedeuten.

Und auch über Kurzens verhüllte Drohung etwas gegen die Leiterin der “Korruptionsbehörde” zu unternehmen, könnte man nur insofern verwundert sein, als man als “Innenpolitiker” wissen könnte, dass derlei nicht so leicht geht.

Die unauffällige Steuerung der Justiz durch die Exekutive ist nämlich eine unglaublich verzwickte Angelegenheit – speziell, wenn man die MSM-Medien nicht mehr unter Kontrolle hat wie weiland Rot-schwarz.

Sie ist wie ein Spiegelkabinett voll scheinbarer Auswege bzw. Möglichkeiten, die aber nicht genutzt werden können,

  • beginnend bei der Ministerweisung, die a) “nur geht” wenn der Minister (die Ministerin) der gleichen Partei angehört, die sich b) aber selbst dann verbietet, weil sie leicht objektivierbar ist und “nach außen gespielt werden kann”. Staatsanwälte sind (anders als Richter) weisungsgebunden, Weisungen aber sind politisch brandgefährlich.
  • Die Einflussnahme muss daher nicht-formalisiert erfolgen. Aber auch das ist hoch problematisch, wenn z.B. Tonaufzeichungen von derlei (Nicht-)Weisungen existieren – siehe dazu den spöttischen Blog-Beitrag “Mitschnitt statt Weisung – Eigensicherung nicht vergessen!”
  • Und auch das angedrohte Vorgehen gegen widerspenstige Anklagebehörden ist leichter gesagt als getan und erforderte die Kooperation einer andersfarbigen Ministerin bzw. des Koalitionspartners.

Kurz und gut, verwundert kann ein sachkundiger IPO-Redakteur höchstens darüber sein, wie leicht Kanzler Sebastian sich derlei vorstellt – nicht aber dass (und wie) viele Staatsanwälte politisch agieren.

Jeder Praktikant weiß das – ebenso, dass Anklageerhebungen und Ermittlungshandlungen nichts bedeuten müssen, auch wenn eigene Zeitung oder eigener Sender diese hypen. Die Beweiswürdigung erfolgt erst bei den Gerichten erster, zweiter und letzter Instanz.

Ältere Semester konnten schon in jungen Jahren in dieses Thema hineinschnüffeln, anhand der Verlorenen Ehre der Katharina Blum.

Mittlerweile behauptet die ehrabschneiderische Journaille von sich, sie stünde ja selbst in der engagierten Tradition Heinrich Bölls und Martin S. sei ja nicht Katharina B.

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Dieser Blogger weiß nicht, inwieweit der Claim des österreichischen Kanzlers, die politisierenden Staatsanwälte gehörten alle dem BSA an, zu Recht besteht.

Wahrscheinlich gehören nur einige dem BSA an und andere nutzen ihre hoheitliche Funktion zum “Kampf gegen HC und Basti”, ganz ohne Mitgliedschaft (zweifellos gibt es aber auch eine Menge VP-Loyalisten).

Eins ist jedenfalls empirisch evident – dieser Teil der Justiz ist nicht mit einer Augenbinde ausgestattet (wie die Göttin traditionellerweise portätiert wird).

Unabhängiger Journalist

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