Die Germanwings-Katastrophe – Transkript einer Pressekonferenz

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FH Düsseldorf, 24.3.2015

Ein paar Passagen aus einer PK, die der Vater des vorverurteilten Copiloten am zweiten Jahrestag der Germanwings-Katastrophe ’15 gegeben hat. Das Material ist nichts weniger als sensationell. Die Aussagen des Gutachters lesen sich wie eine Anklage von Justiz und Medien. Auch wenn nicht alles hält, was dieser vorgetragen hat: Die Geschichte vom dauerdepressiven Selbstmordpiloten Lubitz muss gründlich umgeschrieben werden. NB zur Löschung des eingebetteten Videos auf YT.

Das hier Beschriebene fällt ziemlich sicher nicht unter “Ermittlungspannen”, sondern unter “Justizvereitelung”, an der sich mehre Dutzend Personen beteiligt haben.

“Täter tot, Klappe zu”, schrieb man im vergangenen Jahr anlässlich des Amoklaufs im Münchener Einkaufszentrum und genau dieser Zustand sollte offenbar auch bei Germanwings 9525 hergestellt werden, als der Flug mit 149 Passagieren an Bord in den französischen Alpen zerschellte.

“Frankreich nicht an echter Unfallursache interessiert”, ließ sich schon damals mit freiem Auge feststellen, ebenso wie: “Many Reasons not to trust the French Prosecutor”.

Aus heutiger Sicht ist dem jedenfalls hinzuzufügen: Das könnte auch für deutsche Behörden und womöglich für den Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa selbst gelten.

Wenn das vom Gutachter der Familie Lubitz akribisch zusammengetragene Material auch nur ansatzweise “hält”, werden die sprichwörtlichen Köpfe rollen – hoffentlich bis nach möglichst weit oben.

Die Journos spielen in dieser Angelegenheit – alles in allem – eine erbärmliche, aber letztlich nachgeordnete Rolle.

Hier ein paar Zitate des Gutachters Tim van Beveren, eines Luftfahrtexperten, der auch fachjournalistisch tätig ist. Die in Berlin abgehaltene Pressekonferenz ist auf Youtube hier “nachzusehen” (Austrianwings):

Blitzartige Feststellung des Täters

“Umso größer war mein Erstaunen, als ich schon zwei Tage nach dem Absturz zwischen zwei Schaltgesprächen (…) die Pressekonferenz des französischen Staatsanwalts Brice Robin mtverfolgen konnte. Nicht das übliche: ‘Wir ermitteln noch, wir werten aus, wir können noch nichts Genaues sagen’, – nein, für den procurateur de la republique war die Sache nach 48 Stunden geklärt:Es war der Copilot (…) Etwas Vergleichbares hab ich in den vergangenen 25 Jahren noch nie erlebt.”

Berichterstattung via Hörensagen

“Sie (an die Journalisten gewandt) alle haben das so oft gelesen und geschrieben und wieder gelesen und wieder geschrieben, in der Zeitug, im Fernsehen, online und im Internet. Und am Ende haben’s alle geglaubt. Und viele glauben’s auch noch heute.”

Der Gutachter sagt, es sei nicht sicher, ob die bis zum Schluss im Cockpit befindliche Person (wahrscheinlich Andreas Lubitz) in den Minuten vor dem Aufprall noch bei Bewusstsein gewesen ist – was bisher freilich durch die Bank angenommen wurde.

Vergiftete Untersuchungen

“Das zeigt meiner Meinung nach die fatale Entwicklung einer Spekulation, die so frühzeitig zu einer irreparablen Vergiftung beider laufender Verfahren führte, nämlich der zivilen Flugunfalluntersuchung auf der einen Seite und der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf der anderen.”

“Denn plötzlich fehlte die Notwendigkeit, die vermeintlichen ersten Fakten kritisch zu hinterfragen. Dieses Phänomen und seine dramatische Auswirkungen sind lange bekannt. Man nennt das confirmation bias (…).”

Übergang in den Sinkflug

Nach den Daten des Datenschreibers ist das Flugzeug unmittelbar nachdem der erste Pilot auf die Toilette gegangen ist und die Cockpit-Türe hinter sich geschlossn hat, der Sinkflug eingeleitet worden – nämlich eine Sekunde danach.

Die “wählerischen” Voice Recorder-Aufnahmen

Die Voice Recorder-Aufnahme, die als unüberprüfbare nicht-offizielle Verion im Internet publiziert wurde, liegt nicht einmal als Transkript vor. Der deutsche Staatsanwalt der Causa hat vier verschiedene Protokolle davon, aber kein authentisches Transkript, geschweige denn eine “offizielle”, autoritative Kopie der Aufnahme.

Der schizophrene Flugdatenschreiber

Der erst neun Tage nach dem Unglück aufgefundene Flugdatenschreiber erteilt widersprüchliche Auskünfte (genauer: dessen Chip).

“Wenn man sich das anguckt, fällt auf, dass da etwas nicht so sein konnte wie es hier aufgezeichnet war (…) Angeblich war er im sogenannten open descent-Modus (zeigt auf eine Grafik), Hier oben haben wir einen zweiten Modus, den descent-Modus. Der war zur gleichen Zeit aktiviert (… Audio schwer verständlich). Das ist ein Problem, weil lt. Hersteller können nicht beide Modi gleichzeitig aktiv sein, sie schließen sich aus.”

Falsche Tatsachenbehauptung

Im Bericht des deutschen Staatsanwalts wird erklärt:

“‘Die Vernehmung der Lebensgefährtin des Copiloten ergab, dass dieser seit dem Jahr 2008 durchgehend in psychotherapeutischer nebst entsprechender medikamentöser Behandlung befand.’ (…) Beide Behauptungen sind falsch. Denn erstens hat die Lebensgefährtin von Andreas Lubitz, mit der ich mich persönlich unterhalten habe, eine solche Aussage nie gemacht (…)  Und zweitens war Lubitz nicht seit 2008 in psychotherapeutischer nebst medkiamentöser Behandlung (…) Besonders tragisch ist, auf dieser falschen Tatsachenbehauptung beruhen auch alle weiteren Untersuchungs-und Beschlagnahmebeschlüsse.”

 Stationärer Aufenthalt mit scharfem ß

Die Behauptung, Lubitz habe sich wegen einer psychischen Krankheit in stationärer Behandlung befunden, geht offenbar auf einen Vertipper in einem Schriftstück von Lubitz’ Hausärztin zurück.

“Einzig die Hausärztin, eine Allgemeinmedizinerin und einer der aufgesuchten Augenärzte äußern am 10.3. 2015 in einem Telefonat die Vermutung, dass es sich bei dem Augenleiden eventuell um eine Schizophrenie, eine Psychose gemäß ICD 10  F 20. 8 V (für Vermutung) handeln könnte. Dies wiederum geht auf einen in der Akte der Ärztin fehlerhaften Eintrag zurück.”

“Dort heißt es: ‘Früher bereits wegen Depression stationär ß’ (…) Da hat jemand die Shift-Taste nicht gedrückt, als er das Fragezeichen setzen wollte.”

“Dazu ist anzumerken, Andreas Lubitz hat sich zu keinem Zeitpunkt wegen einer Psychose in stationärer Behandlung befunden, auch nicht im Zeitraum 2008 bis 2009 (als er an Depressionen litt). Sein einziger stationärer Krankenhausaufenthalt erfolgte im Alter von vier Jahren, als ihm die Mandeln rausgenommen wurden.”

Das dritte IPad

Über den Browserverlauf eines (angeblichen) Tabletts Lubitz wurden Google-Anfragen herausgefunden, die von den Ermittlern als Vorbereitungshandlungen auf das “selbst- und massenmörderische Vorhaben” gesehen wurden. Das Problem dabei: Das IPad wurde nicht bei der Hausdurchsuchung im Haus des Piloten gefunden, sondern der Polizei von einer dritten Person am der Polizeiaktion folgenden Abend übergeben. Das eröffnet Manipulationsmöglichkeiten.

Google statt Motiv

“Es ist nicht nachvollziehbar, wie hier unterstellt wird, (Lubitz) hätte dort seine Tat vorbereitet (…) Und es ist vor allem auffällig, dass eine Sache fehlt, nämlich, dass sauber die Festplatte ausgelesen (und dass) die Checksummen gegengelesen werden um zu gucken, sind die Daten konsistent (…) Ist das von diesem IPad erfolgt, ist das vielleicht ein anderer Rechner, der über die Cloud verbunden ist?”

“Alles das ist nicht gemacht worden – aber es wurde behauptet: “Wir haben’s”. Da ist es, es wurde ja auch schon vorbereitet. Mein Eindruck hier ist, das lieferte den ermittelnden Beamten das,was sie nach meiner Überzeugung bis heute nicht haben, ein Motiv.”

Bild: Hans135797531 via Wiki Commons

NB: Auf Basis von “Urheberrechtsansprüchen” wurde die ursprünglich eingebundene Version der PK gelöscht – “Urheberrechtsansprüchen” am ziemlich stationären Bewegtbild einer Pressekonferenz. Jeder soll sich selbst ein Urteil darüber bilden, wes Geistes Kind da am Werk ist. Link ausgetauscht.

Unabhängiger Journalist

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